Exklusiv für Uncut von der Diagonale
Eines der besonderen Schmankerl auf der diesjährigen Diagonale war die Doku-Fiktion „Para:Dies“. Regisseur*in Elena Wolff, die auch eine der zwei Hauptrollen spielt, führt das Publikum bewusst in die eine oder andere Irre, indem sie* mit Genres und Erwartungen ihr* Spiel treibt. Erwartungen werden nicht zuletzt durch den Titel des Filmes geweckt. Paradies. Es werden wohl idyllische 76 Minuten auf uns zukommen. Die erste Einstellung des Films scheint diese Erwartungen zu bestätigen. Jasmin und Lee erzählen, wie sie sich kennen und lieben gelernt haben. Relationship goals explodieren. Am nächsten Morgen führen sie Kamerafrau Amira, die wohl gerade eine Dokumentation über die Liebenden dreht, durch ihren paradiesischen Garten. Es ist Sommer, strahlende Sonne über saftigem Grün. Das Gefühlsparadies bekommt ein paradiesisches Setting. Oder so. Denn eigentlich befinden sich die zwei im ländlichen Salzburg, wo Lees Eltern ein Haus besitzen. Hier erproben sie heteronormative Träume vom Einfamilienhaus am Land. Ist das ein Lebensraum, in dem queere Liebende auch ihr Glück finden können? Fragen, die der Film nur aufwirft, nicht aber beantwortet. Aber eigentlich ist das Dorfleben ihr geringstes Problem. Denn je mehr wir von Jasmin und Lee sehen, desto eher wird uns (und der Kamerafrau) klar: es ist nicht überall Paradies drin, wo Paradies draufsteht. Kamerafrau Amira fängt ihr Bestes und ihr Schlechtestes ein, ertappt sie beim Sich-Selbst-Belügen und beim Ehrlich-Sein. Dabei fängt die Kamera nicht einfach nur passiv ein. Sie hört zu und spendet Trost. Vor allem Jasmin. Zwischendurch hat sie auch Hunger und wird bei einem Badeausflug mit Pommes gefüttert. In einem gelungenen Wendepunkt des Films verlässt die Kamerafrau dann schließlich ihren Posten hinter der Kamera und setzt sich zu den zwei Protagonist*innen auf die Couch. Als Kamerafrau kam Amira den Liebenden bereits sehr nahe und fing intime Momente ein. Als Frau ohne Kamera kommt sie ihnen dann noch näher und wird Teil ihrer Geschichte. Dieser Moment führt zu einem Bruch des bisherigen Narratives, denn mit Amira als Teil der Geschichte wird die Doku nicht mehr weitergeführt, sondern entlarvt sich als unerwartetes Drama.
„Para:Dies“ ist ein innovativer, cleverer Film geworden, der mit Erwartungen an Filme spielt, aber auch mit Erwartungen, die wir an Beziehungen haben. Während der Film eine authentische und innige Beziehung präsentiert, zeigt er aber auch auf ihre Wunden. Der paradiesische Zustand zwischen zwei Menschen ist nicht zu erhalten. Die Schauspieler*innen Elena Wolff und Julia Windischbauer erbringen beide Glanzleistungen. Ihre innige Zweisamkeit lädt zum Träumen ein, dennoch schaffen sie es, die klaffenden Wunden ihrer Beziehung darzustellen. Julia Windischbauer wurde – zurecht – für ihre Rolle als Jasmin sogar mit dem Schauspielpreis der Diagonale ausgezeichnet. Doch auch abseits des tollen Schauspiels punktet der Film mit innovativen Ideen und ihren gelungenen technischen Umsetzungen. Elena Wolff legt ein wirklich beeindruckendes Spielfilm-Debüt hin, das gesehen gehört!