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    Die Leiden eines jungen Superstars

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2022
    Den meisten ist Machine Gun Kelly wohl für seine Musik, die Elemente von kontemporärem Hip-Hop mit Rock vermischt, ein Begriff. Unter seinem bürgerlichen Namen Colson Baker wechselte der 31-jährige Texaner in der Vergangenheit doch auch schon das ein oder andere Mal ins Schauspielfach. In „Taurus“, dem neuen Werk des Briten Tim Sutton, übernimmt der Rapper seine bis dato größte und gleichzeitig auch persönlichste Filmrolle.

    Das semi-autobiographische Drama erzählt von Cole (Baker), einem erfolgreichen Musikstar, dessen Alltag von Exzessen jeglicher Art gezeichnet ist. Am meisten hat der Rapkünstler jedoch mit sich selbst zu kämpfen. Seit seiner Scheidung schreitet er völlig desillusioniert und unkontrolliert durch den Alltag – ein Griff zur Flasche hier, ein paar Drogenpartys da. Seine sorgsame Assistentin Ilana (Maddie Hasson) versucht dem destruktiven Lebensstil ihres Schützlings Einhalt zu gebieten und steht ihm bei der Produktion seines neuen Songs zur Seite. Doch die Abwärtsspirale ist kaum mehr aufzuhalten.

    Im Vorfeld kursierten diverse Meldungen, denen zufolge das Drama auf dem Leben des populären Rappers Mac Miller basiere, der 2018 in Folge einer Drogenüberdosis das Zeitliche segnete. Fans des früh verstorbenen Künstlers wüteten im Netz und versuchten die Veröffentlichung des Films zu verhindern. Wie sich nun herausstellte, handelte es sich bei diesen Nachrichten nur um Gerüchte. Suttons introspektives Werk ist gewiss von zahlreichen Künstlern, die mit Dämonen zu kämpfen hatten und ihre eigene Frustration in exzessiven Drogenmissbrauch zu ertränken versuchten, inspiriert worden. In erster Linie ist der Film jedoch ein offensichtlich persönliches Projekt für seinen Hauptdarsteller. Und das spiegelt sich auch in dessen Performance wider. Selten zuvor hat man den erfolgreichen Musiker so roh und verletzlich gesehen. Colson Bakers furchtloses Schauspiel gibt dem Film eine zusätzliche Dimension an Authentizität, die gerade in den schmerzhaftesten, aufopferndsten Momenten spürbar durchscheint. Die unüberschaubaren Parallelen zwischen Figur und Hauptdarsteller sind es, die dem Film eine weitere Ebene an Realismus geben, die den meisten Musikerdramen kläglich fehlt. Selbst Bakers aktuelle Verlobte Megan Fox, ihres Zeichens ein Hollywood-Megastar der späten 2000er, hat in einer kurzen, wortkargen Szene einen imposanten Auftritt. Als Coles Ex-Frau zeigt sich die frühere „Transformers“-Darstellerin in einer der erinnerungswürdigsten Sequenzen von einer ungemein ernsten Seite.

    Leider wird man in einigen Momenten des Films das Gefühl nicht los, dass viele der Ideen, die hier zu Tragen kommen, nicht konsequent zu Ende gedacht worden. Zu ziellos plätschert das knapp eineinhalbstündige Werk von sich hin und verstrickt sich thematisch in Repetitionen. Ein Jammer, denn so roh und authentisch sich Schauspiel und Ambiente auch anfühlen mögen, so oft gerät das Musikerdrama in inhaltlichen Leerlauf. Immerhin kann man „Taurus“ eine gewisse Selbstgefälligkeit, die häufig bei autobiographisch angehauchten Eitelkeitsprojekten ähnlicher Art eine Rolle spielt, definitiv nicht vorwerfen. Nein, Colson Baker alias Machine Gun Kelly, der übrigens selbst auch ein paar Songs für den Film beisteuerte, zeigt glaubwürdige, emotionale Offenheit und gibt verstörende Einblicke in die ruinierte Psyche eines Erfolgskünstlers. Schade nur, dass einen der Film nicht über seine gesamte Laufzeit bei Stange halten kann.
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    26.02.2022
    13:52 Uhr