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    Ein Phantomfilm

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Ein Theaterstück von Claudine Galéa, welches noch nie aufgeführt wurde, nahm der bekannte französische Schauspieler Mathieu Amalric – der sich in den vergangenen Jahren schon des Öfteren als Regisseur versuchte – zum Ausgangspunkt für seinen neuesten Film „Serre moi fort – Hold Me Tight“. Mit einer starken Vicky Krieps in der Hauptrolle, verliert sich der Film allerdings leider ein wenig in seiner komplexen Struktur.

    Clarisse (Vicky Krieps) verlässt eines Tages ihren Mann Marc (Arieh Worthalter) und die beiden gemeinsamen Kinder Lucie und Paul. Sie begibt sich auf eine Reise zum Meer und nimmt dort einen Job als Dolmetscherin an. In den Gedanken bleibt sie aber stets mit ihrer Familie verbunden. Mit der Zeit verschwimmen die Grenzen zwischen Raum und Zeit jedoch immer mehr. Je weiter sich Clarisse von ihrem eigentlichen Zuhause entfernt, desto stärker scheint sie mit der zurückgelassenen Familie verbunden zu sein. Bis man sich unweigerlich fragt: Was sind die verborgenen Beweggründe für Clarisses Weggang?

    Als Zuseher*in bekommt man gleich zu Beginn einen Einblick in das Familienleben von Clarisse, Marc, Lucie und Paul. Clarisses Reise beginnt nämlich mit einem Memory aus alten Polaroids. Um diese anzufertigen, lebten die Darsteller*innen sogar für zwei Tage in dem Haus, welches im Film zu sehen ist, was laut Amalric den Schauspieler*innen ungemein dabei geholfen hat, ein Gespür für ihre Figuren und deren Beziehungen zu bekommen. Die Familienbande erscheinen in „Serre moi fort – Hold Me Tight“ nämlich äußerst fragil. Warum das so ist, wird sich zwar erst später aufklären, die Umstände für Clarisses Flucht werden aber schon von Anfang an angedeutet. „I left so they could stay“ sagt sie einmal. Die Macht der Phantasie spielt darüber hinaus eine immer zentralere Rolle, weshalb man sich ständig fragt, was denn nun real ist und was nicht.

    Wo wir auch schon beim größten Problem des Familiendramas angelangt sind: „Serre moi fort – Hold Me Tight“ ist einfach viel zu verwirrend erzählt. Neben verschiedenen Zeitebenen weist die Handlung generell eine ziemlich komplexe Erzählstruktur auf, die vielen Flashbacks und der fragmentarische Zugang tragen ihr Übriges dazu bei. Vicky Krieps verkörpert die emotional fordernde Rolle zwar auf eindrucksvolle Weise, an mancher Stelle wurde aber gerade anhand ihrer Figur dann doch auf zu viele Klischees auf einmal zurückgegriffen. Eine große Rolle spielt auch die Musik im Film. Diese vermittelt manchmal mehr atmosphärischen Subtext als jedes ausgesprochene Wort und gerade das Piano der Tochter wird zu einem wichtigen symbolischen Bezugsobjekt.

    Amalric als Regisseur wartet schon mit einigen vielversprechenden inszenatorischen Ideen auf. „Serre moi fort – Hold Me Tight“ wirkt auch auf jeden Fall wie ein Herzensprojekt. Grundsätzlich ist es ein recht ambitioniertes Werk, mit einer sehenswerten Vicky Krieps, welches aber letztendlich dann doch leider viel zu konfus erzählt wird. Da verwundert es auch nicht wirklich, dass das Theaterstück nie realisiert wurde – so schwer darstellbar wie das Handlungsgerüst erscheint.
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    09.11.2021
    20:08 Uhr