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80.9% Bewertung
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    Leaving Los Angeles

    Der Hauptcharakter des Streifens benötigt nur eine Unterkunft auf unbestimmte Zeit bei noch nicht geschiedener Frau und ihrer Mutter in einem Trailer somewhere in Texas. Im lokalen Donut-Laden kehren die Lebensgeister zurück: junge Verkäuferin, Verliebtheit und die große Karriere für das Mädchen und ihm als ihr Manager im Pornogeschäft beflügeln den Drogendealer aus Not …
    Sean Baker ist wahrhaftig ein außergewöhnlich sensibler Beobachter sozialer Outsider unserer Gegenwart. Nach dem großartigen FLORIDA PROJECT gelingt ihm wieder ein realistischer und durchaus humorvoller Blick auf Menschen, für die der American Dream mehr eine Halluzination darstellt.
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    21.04.2022
    14:54 Uhr
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    Was für eine Welt!

    Komplett authentisch kommen die Charaktere, die Sean Baker für diese Story versammelt, auf die Leinwand. Man fiebert mit dem Antihelden mit und lässt sich gerne auf seine sympathisch-ambitionierten Ideen ein. Man muss keine Pornos schauen, um diesen (Ex-)Pornostar zu lieben!
    (Gesehen auf der Viennale 2021)
    01.11.2021
    20:29 Uhr
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    Donut Hole

    Ein großartiger Film. Schade dass ich nur bei der zweiten Vorstellung der Viennale war bei der es dann doch kein Publikumsgespräch gab. Besonders beeindruckt, neben den großartigen Bildern, hat mich aber das Lied im Film gesungen von Suzanna Son (das mit der Klavierbegleitung)
    (Gesehen auf der Viennale)
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    31.10.2021
    08:24 Uhr
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    Ein Pornostar auf Abwegen

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Sean Baker ist einer der großen Humanisten des zeitgenössischen US-Kinos. In seinen Filmen wirft der 50-jährige Regisseur üblicherweise einen Blick auf soziale Randgruppen, denen oft nur geringe Beachtung geschenkt wird. Meist sind es Sex-Arbeiter*innen und Personen aus der weißen Unterschicht, deren Alltag er mit seinen Filmen genauer unter die Lupe nimmt. In der Regel nähert Baker sich seinen Figuren völlig wertfrei und mit einer großen Portion Empathie. Nach „Starlet“, „Tangerine“ und „The Florida Project“ folgt mit „Red Rocket“ nun erneut eine Milieustudie, die nur so vor Menschlichkeit trieft.

    Mikey Saber (Simon Rex) war einst erfolgreicher Pornodarsteller. Doch die ruhmreichen Zeiten im Showbusiness sind schon längst vorüber. Pleite und orientierungslos verlässt der gescheiterte Pornostar Los Angeles im Sommer 2016 und kehrt in seine Heimat Texas City zurück. Dort angekommen klopft er an die Tür eines einfachen Holzhauses, in dem seine Noch-Ehefrau Lexi (Bree Elrod) mit ihrer Mutter (Brenda Deiss) verweilt. Nach einem kurzen Streitgespräch willigen die zwei ein, den heruntergekommenen Mikey für ein paar Tage in ihren vier Wänden aufzunehmen. Schon die Jobsuche wird für den Mittvierziger mit Kinderrad aber zur Herausforderung, da seine Historie im Erotikgeschäft einige Arbeitgeber abschreckt. Schlussendlich bleibt ihm wenig mehr übrig, als zurück in den Drogenhandel zu gehen. Als er eines Tages auf die 17-jährige Donutverkäuferin Strawberry (Suzanna Son) trifft, meint er neuen Sinn in seinem verkorksten Leben gefunden zu haben. Er verliebt sich in die minderjährige Teenagerin und verspricht ihr eine rosige Zukunft in der Pornoindustrie. Doch Mikey wäre nicht Mikey, wenn er nicht von einem Fettnäpfchen ins nächste treten würde.

    Dass für die Hauptrolle niemand Geringeres als Simon Rex engagiert wurde, sorgte im Vorfeld für reichlich Verwunderung. Das Casting erweist sich im Endeffekt aber als großer Glücksgriff, denn die Rolle ist dem früheren „Scary Movie“-Star mit eigener Porno-Vergangenheit wie auf den Leib geschnitten. Rex verkörpert Mikey Saber mit voller Glaubwürdigkeit als schäbigen Narzissten, der seine Unzulänglichkeiten mit viel Charisma und leeren Versprechungen zu kaschieren vermag. Ein furioses Schauspielcomeback, das zu den wohl eindrucksvollsten Performances des Jahres gehört.

    Aber auch neben Rex‘ ehrwürdiger Darbietung hat „Red Rocket“ einiges zu bieten.
    Sean Baker ist es in seinen Filmen stets ein Anliegen, auf ein gewisses Maß an Künstlichkeit zu verzichten und ein Gefühl von rauer Authentizität zu erzeugen, das im amerikanischen Kino relativ rar ist. So ist es ihm auch in seinem neuesten Geniestreich gelungen, einen Mikrokosmos zu erschaffen, der sich zu jeder Sekunde glaubhaft und lebendig anfühlt. Professionelle Schauspieler*innen harmonieren wunderbar mit unerfahrenen Laien und kreieren ein durch und durch stimmiges Gesamtbild. Sonnengebadete 35mm-Aufnahmen und das traumhaft schöne Szenenbild von Bakers eigener Schwester Stephonik Youth machen den Film auch zum ästhetischen Hochgenuss. Auf non-diegetische Einflüsse jeglicher Art wird weitgehend verzichtet. Musikalisch wird der Film lediglich von unterschiedlichsten Variationen der *NSYNC-Pophymne „Bye Bye Bye" begleitet. Wohl kaum ein anderer Song spiegelt Mikeys Liebes- und Leidweg treffender wider.
    Obwohl viele der Figuren im Film moralisch überaus verwerflich handeln, holt Baker in keinem Moment mit der Moralkeule aus und bleibt wertfrei. Anstelle von simplen Hillbilly-Karikaturen wird der Film von Charakteren bevölkert, die sich wie realexistierende Personen anfühlen und nicht nur wandelnde Klischees. Kaum ein anderer Regisseur nähert sich seinen Protagonist*innen mit so großem Mitgefühl an, wie es Baker tut.

    Mit „Red Rocket“ festigt Sean Baker einmal mehr seinen Ruf als eine der wichtigsten Stimmen des gegenwärtigen Independent-Films. Ein tragikomisches Charakterporträt, dem durch ein seltenes Gespür für Authentizität und Humanismus sowie der herausragenden Darbietung von Simon Rex, ein Maximum an Leben und Energie eingehaucht wird. Knallharter Sozialrealismus trifft auf texanische Leichtfüßigkeit. Brillant!
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    28.10.2021
    17:46 Uhr