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    Eine heroische Interpretation von Conan der Barbar

    Eldritch Advice
    Am 14. Mai 1982, erfreute sich Produzent Dino De Laurentiis am Geräusch der klingenden Kinokassen, als „Conan der Barbar“ die juwelengeschmückten Lichtspielhäuser dieser Erde mit Sandalen an den Füßen zertrat. Eine Entwicklung, die in der italienischen Filmindustrie eine Welle an Barbarenfilmen auslöste, die ganz im Stile des großen Vorbilds Conan zwar über etliche „Sword & Sorcery“-Elemente verfügen, aber in Italien auch immer wieder als „Neo-Peplum“ bezeichnet, und damit in der Tradition des heimischen Sandalenfilms gesehen werden. „Das Schwert des Barbaren“ beziehungsweise „Sangraal der Barbar“, wie der Film in einer späteren deutschen DVD-Veröffentlichung genannt wurde, von Regisseur Michele Massimo Tarantini ist einer der frühen Beiträge dieser Gattung.

    Im Auftrag von Raki, der Göttin des Feuers und Todes, verwüstet der Kriegsfürst Nantuk das Reich von König Ator. Nur wenige überleben diesen Angriff. Einer der Überlebenden ist Sangraal, der Sohn Ators. Er sammelt die versprengten Reste seines Volkes um sich und führt sie nach einer langen und entbehrlichen Reise in ein neues Land. Doch auch dieses ist von den Häschern Nantuks nicht sicher. So kommen Sangraal und sein Gefolge gerade noch rechtzeitig um ein friedfertiges Dorf gegen eine Vorhut von Nantuks Truppen zu verteidigen. Dankend nimmt das Dorfoberhaupt Belem Sangraals Volk in seinem Stamm auf. Doch der Frieden währt nur kurze Zeit. Nantuk vereint seine Armee und entfacht einen Sturm, dem selbst die vereinten Kräfte von Belem und Sangraal nicht gewachsen sind. Sangraal wird gefangen und eiligst auf einem Hügel gekreuzigt, um den Untergang seines Volkes mitansehen zu müssen. Machtlos erblickt er wie seine Frau Lenna von der Göttin Raki selbst niedergestreckt wird, woraufhin er sein Bewusstsein verliert. In den Wirren der Schlacht, gelingt es Ati, der Tochter Belems, Sangraal zu befreien. Auf ihrer Flucht kommt ihnen Li Wo Twan, ein Reisender aus dem fernen Osten, zur Hilfe und schließt sich den beiden an. Vom Verlust seines Volkes geplagt und mit der Gewissheit, dass es keinen Frieden geben kann solange Nantuks Tyrannei besteht, begibt sich Sangraal mit seinen Begleitern auf einen Rachefeldzug.

    Ich muss sagen … „Das Schwert des Barbaren“ ist der meiner Meinung nach beste „Sword & Sorcery“-Beitrag aus Italien.

    Obwohl Tarantini sich primär durch seine zahlreichen Erotikkömodien einen Namen machte, mischte er in den 80er-Jahren auch eifrig im Exploitation-Kino mit. „Das Schwert des Barbaren“ bezeugt hierbei eindrucksvoll seine Vielseitigkeit als Regisseur und Drehbuchautor, da es ihm trotz eines limitierten Budgets gelang, eine authentisch anmutende „Low Fantasy“-Welt, mit (für dieses Genre) glaubhaften Charakteren zu kreieren. Dies, kombiniert mit den wunderschönen Drehorten, blutigen Effekten und viel Gespür für Ästhetik im Kostümdesign, hilft sowohl bei der willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit (suspension of disbelief) als auch dabei etwaige Plotlöcher sowie eine deutsche Synchronisation von zweifelhafter Qualität zu ignorieren. Darüber hinaus ist „Das Schwert des Barbaren“ ein Paradebeispiel dafür, wie ein Film durch einen hervorragenden Soundtrack aufgewertet werden kann. Komponist Franco Campanino schuf für Sangraal ein orchestrales Meisterwerk, das sich vor den Genrebeiträgen von Basil Poledouris und Ennio Morricone nicht verstecken muss.

    In der Besetzung lassen sich viele bekannte Gesichter des italienischen Kinos wiederfinden. Pietro Torrisi, ein italienischer Bodybuilder, der bereits in zahlreichen Sandalenfilmen der 60er-Jahre mitwirkte, konnte sich durch das von „Conan der Barbar“ ausgelöste „Sword & Sorcery“-Revival, über die Anzahl von Rollenangeboten nicht beklagen. So wirkte er im Zeitraum von nur wenigen Monaten an vier barbarischen Produktionen mit, von denen er in dreien die Hauptrolle verkörperte. Als Sangraal kann er vor allem durch seine körperliche Präsenz überzeugen. Doch auch die weiblichen Darstellerinnen geizen nicht mit ihren optischen Reizen. Yvonne Fraschetti als Ati, Xiomara Rodriguez als die Göttin Rani, und Margareta Rance als Sangraals Frau Lenna sind allesamt eine Bereicherung für dieses Werk. Überstrahlt werden sie jedoch von Sabrina Sianis Cameoauftritt als Lebensgöttin, der visuell den kunstreichsten Moment des Films bildet. Der Antagonist Nantuk, dessen Geschichte etwas tragisch anmutet, ist jener Charakter, der schauspielerisch klar hervorsticht. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich wurde er von der 2016 verstorbenen Peplum- und Western-Legende Mario Novelli dargestellt. Interessant ist der Karriereweg den der Li Wo Twan Darsteller Hal Yamanouchi nach „das Schwert des Barbaren“ eingeschlagen hat. So kann Yamanouchi mittlerweile Filme wie „Wolverine: Weg des Kriegers“ (2013) oder Wes Andersons „Die Tiefseetaucher“ (2004) zu seiner Filmografie zählen.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Es ist nicht zu verleugnen, dass „Das Schwert des Barbaren“ etliche Figuren und Momente aus „Conan der Barbar“ übernimmt. Am auffallendsten ist hierbei die Kreuzigungsszene, die ebenso ein wesentlicher Bestandteil in der Geschichte von Conan ist, auch abseits der des Films. Sie war bereits in der Novelle „A Witch Shall Be Born“ zu finden, einer der ursprünglichen Erzählungen des Conan-Schöpfers Robert E. Howard, die 1934 in „Weird Tales“ veröffentlicht wurde. Weiters führt kein Weg daran vorbei das Trio von Sangraal, Ati und Li Wo Twan mit jenem von Conan, Valeria und Subotai zu vergleichen. Trotzdem handelt es sich bei „Das Schwert des Barbaren“ nicht um einen ideenlosen Abklatsch des Schwarzenegger-Klassikers. Trotz vieler übernommenen Elemente, findet Tarantinis Barbarenepos seinen eigenen Weg. So handelt Sangraal, im Gegensatz zu Conan, überwiegend nach dem heroischen Prinzip Gutes zu tun und ähnelt damit eher der Figur des Herkules. Dadurch verfügt Sangraal über „Sword & Sorcery“- wie auch „Peplum“-Merkmale, was zugleich die Bezeichnung des Films als „Neo-Peplum“ erklärt und rechtfertigt.

    „Das Schwert des Barbaren“ ist objektiv betrachtet kein cineastisches Meisterwerk, aber dafür ein Film, der nahezu in Perfektion an die Bedürfnisse der gewünschten Zielgruppe angepasst wurde. Mein einziger Kritikpunkt ist, die Wahl einer für das Genre untypischen Waffe, der Armbrust, als „MacGuffin“. Zum Glück wird diese nur spärlich eingesetzt, und Sangraal vertraut hauptsächlich seiner Klinge. Fans von „Sword & Sorcery“ und „Sandalenfilmen“ können bei diesem Werk bedenkenlos zuschlagen und kommen voll auf ihre Kosten. „Das Schwert des Barbaren“ ist ein blutiges, opernhaftes und wildes Abenteuer in einer erbarmungslosen „Low Fantasy“-Welt und somit eines freitäglichen Filmabends würdig.

    PS: Ob „Das Schwert des Barbaren“ in der Welt der Ator-Filmreihe spielt oder die Namenswahl von Sangraals Vater lediglich eine Referenz auf den von Miles O'Keeffe dargestellten Barbaren ist, kann ich weder bestätigen noch verneinen.
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    14.05.2021
    09:20 Uhr