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    Fein beobachteter Generationenkonflikt

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2021
    Hong Sangsoo spricht nie sehr lange in seinen Filmen. Auch „Introduction“ ist gerade einmal 66 Minuten lang. Aber was er zu sagen hat, das bleibt in Erinnerung. Nach „One the Beach at Night Alone“ von 2017 kehrt er abermals in den Wettbewerb der Berlinale zurück und reflektiert über die Alltagsängste und menschliche Beziehungen.

    In „Introduction“ knallen die Wünsche der ehrgeizigen Mütter mit denen ihrer Kinder aufeinander. Die Mütter wollen ihren Kindern den selbstständigen Start ins Leben so einfach wie möglich gestalten. Die Kinder sind jedoch an dem Angebot nicht interessiert, sind aber gleichzeitig blind zu dem Privileg, das ihnen hier geboten wird. Younho (Shin Seokho) und seine Freundin Juwon (Park Miso) besuchen zu Beginn der Handlung die Arztpraxis seines entfremdeten Vaters. Doch der scheint sich nicht so recht überwinden zu können ihn rein zu bitten und empfängt stattdessen einen alten Schauspieler (Ki Joobong). Diese kurze Begegnung schwingt jedoch nach, denn Youngho will nun auch diesen Beruf ergreifen. Bis er es plötzlich nicht mehr tut. Um dieses Dilemma zu lösen, ladet Younghos Mutter (Cho Yunhee) beide zu einem Treffen ein.

    In einem zweiten Handlungsstrang verschlägt es Juwon zum Studieren nach Berlin. Ein Studienplatz, den ihre Mutter (Seo Younghwa) ausgehandelt hat. Dem Zuschauer beschleicht das Gefühl, dass die Idee, Mode im Ausland zu studieren, und nicht näher zuhause, nicht unbedingt von Juwon selber stammt. Auch ihre Mitbewohnerin, eine Malerin (Kim Minhee), scheint sie ob ihrer Schönheit und Reife einzuschüchtern. Als Youngho ihr spontan hinterher fliegt um sich nochmals zu verabschieden, verdichten sich zudem die Grübelfalten auf der Stirn der Mutter. „Er ist so unpraktisch,“ entfährt ihr.

    Unterteilt in drei Kapitel und komplett in Schwarz-Weiß gefilmt, sind es wie auch sonst die fein beobachteten Dialoge, in denen Sangsoo die Konflikte seiner Protagonisten in kleinen Gesten seziert. Die Konfrontationen sind gespickt von Wunschphantasien, passiven kleinen Aggressionen und der Suche nach Halt. Sangsoo sieht davon ab, sich hier eine Seite auszusuchen. Die Mütter wollen das Beste, überschreiten aber die Linie. Die Kinder haben Prinzipien, verlassen sich aber zu oft auf ihr gegebenes Privileg. Youngho möchte bei Juwon sein, die Unmöglichkeit ob der Tatsache dass sie auf einem Kontinent ist will er bequem mit dem Geld seines entfremdeten Vaters überbrücken.

    Und doch, während Juwon beruflich und beziehungstechnisch in die Ferne zu rücken beginnt, scheint Youngho noch nicht den Sinn gefunden zu haben, was er mit sich selbst anfangen soll. Ein Traum, in dem Sangsoo erneut auf einen Strand zurückkehrt, lässt die beiden beim Beobachten der Wellen aufeinandertreffen. In einer wunschgeleiteten Fantasie braucht sie seine Hilfe und Aufmerksamkeit, da das Leben, das für sie in Berlin geplant wurde, gescheitert ist. Doch, so Sangsoo, so einfach ist das nicht. Aber von Trauer weit gefehlt. Wie der Schauspieler wütend, aber bestimmt zu dem jungen Mann sagt es gibt nichts als Gutes im Leben. Selbst in den Momenten, die man persönlich nicht als erstrebenswert sieht.
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    06.03.2021
    09:24 Uhr