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    Kritisch-unterhaltsamer Blick auf das Showbiz

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    Cemil (Ozan Çelik) will unbedingt Schauspieler werden. Sein großes Vorbild ist der Altstar Turgay Göral, ein Star es alten Türkischen Kinos, der mit viel Erfolg eleganter Gentleman Gauner und Kriminelle gespielt hatte. Die Realität ist aber um vieles bitterer. Cemil arbeitet beim Sicherheitsdienst in einer Istanbuler Shopping Mall und wird von den Kollegen eher verlacht und schikaniert, wenn er von seinem Traum erzählt.

    Ebenfalls angestellt beim Sicherheitsdienst ist Burcu (Nesrin Cavadzade), die sich als Tochter des inzwischen zurückgezogen lebenden Turgay entpuppt. Statt für sie da zu sein, lebt der veraltete Star inzwischen nur mehr für alte Videoaufzeichnungen seiner vergangenen Tage. Sein Zuhause ist ein Schrein für seinen Ruhm, an sein Umfeld anschließen scheint er bis auf die Nachbarin nicht mehr zu können. Während die für Burcu enttäuschend wirkt, ist es für Cemil wie die Droge, die plötzlich sein Leben bestimmt. Als er herausfindet, in welchem Verhältnis Burcu zu Turgay steht, will er, dass sie ihn ihm vorstellt. Turgay ist jedoch zu dem Zeitpunkt bereits tot, und Cemil, der unbedingt dessen Rolle in einem geplanten Remake seines berühmtesten Films, „Kabus“ spielen will, beginnt sich langsam immer mehr in dessen Leben und Persönlichkeit zu einzutauchen.

    „The Cemil Show“ schafft es geschickt, diesen schmerzlichen, holprigen Weg zu einer Karriere als Schauspieler, sowie die Illusionen, die daraus entstehen, mit leicht absurden, dunklen komödiantischen Tönen einzufangen. Immer wieder wechselt die Kamer zu alten Aufnahmen Turgays, die Regisseur Bariş Sarhan stilsicher in 4:3 Schwarz-Weiß Aufnahmen stilisiert hat. Wie aus der Ferne beobachtet der Star das Treiben, wie ein Gott, der über den ihn anbetenden Cemil wacht.

    So wie Turgay die Fronten zwischen Gut und Böse hin und her wanderte, so spielt auch Sarhan mit Protagonist und Antagonist, zeigt den Schall und Rauch solcher klarer Trennlinien auf, um mit dem Finger fast schon symbolisch auf den Zuschauer zu zeigen. „Ich bin das, wozu du mich gemacht hast,“ ruft Turgay einem Hüter des Gesetzes wütend in einem seiner vielen Showdowns entgegen. Seine Tagebücher offenbaren, wie er sich der Persönlichkeit seiner Bösewichte bedient hat, um zu einer Figur des Interesses im Business und für die Regisseure zu werden. „Ich war am Leben“, konkludiert er.

    Cemil selber startet seine Reise auch als der arme, misshandelte Sympathieträger, während sein Boss, Mr. Zafer (Alican Yücesoy), eigentlich als der Bully und Bösewicht im Raum steht. Doch je mehr Cemil sich in der Bösewichtsfigur aus Turgays Filmen verliert, desto mehr rüttelt Regisseur Sarhan an den Fronten. So übt Cemil immer wieder eine letzte große Szene aus „Kabus“, in der er eine Frau entführen muss, nur um dann von der Polizei und dem Helden gestellt zu werden. Es ist klar, wer hier das weibliche Opfer darstellen muss, und wer der antagonistische Held ist, der sie nun retten muss. Auch visuell verschwimmen die Grenzen immer mehr. Die Bewegung, die Szenen, Sarhan reiht hier geschickt inszenierte Matchtcuts aneinander, und man wundert sich nicht, wenn Burcu in einem Moment der Verwirrung „Papa“ zu Cemil sagt.

    Ist Cemil nun der Bösewicht, oder ist er ein gequältes Opfer, dass sie der bösen Seite zuwendet, um seine Pein zu stoppen. Kann Zafer der Held sein, weil es ihm sein Privileg einfach erlaubt? Der Film lässt keine eindeutige Antwort zu. Er klagt aber durchaus an, dass ein Mann wie Cemil nur Bedeutung im Leben finden kann, wenn er ein glamouröses Ideal anstrebt, von dem der Zuschauer aber sehen konnte, dass es gegen Ende seines Lebens genau so vereinsamt und verzweifelt war er selbst.
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    07.02.2021
    09:33 Uhr