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63.8% Bewertung
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    Mehr als merkwürdig

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Bereits im Jahr 2011 arbeitete der Regisseur Azazel Jacobs erstmals mit Schriftsteller Patrick deWitt zusammen, als dieser das Drehbuch zu seiner Tragikomödie „Terri“ schrieb. Patrick deWitt, unter anderem Autor von „The Sisters Brothers“ (2018 von Jacques Audiard mit John C. Reilly und Joaquin Phoenix verfilmt), schrieb nun erneut das Drehbuch zu einem von Jacobs Filmen, dieses Mal basierend auf einem weiteren seiner Bestseller, „French Exit“.

    Was macht man, wenn man plötzlich insolvent ist?
    Das fragt sich auch die (ehemals) vermögende Frances Price (Michelle Pfeiffer), ihres Zeichens Witwe und Mitglied der New Yorker High Society. Gemeinsam mit Sohn Malcolm (Lucas Hedges) bricht sie deshalb nach Paris auf, wo die beiden – gemeinsam mit Katze Small Frank - in der Wohnung von Frances bester Freundin unterkommen. Während Malcolms heimliche Verlobte (Imogen Poots) in New York zurückbleibt, macht das Mutter-Sohn-Gespann auf ihrer Reise schon bald Bekanntschaft mit allerhand obskuren Charakteren. Und findet sich letztendlich gemeinsam mit der Wahrsagerin Madeleine (Danielle Macdonald), der einsamen Madame Reynard (Valerie Mahaffey) und dem Privatdetektiv Julius (Isaach De Bankolé) unter einem Dach wieder.

    Azazel Jacobs „French Exit“ ist eine schwarze Komödie, wie sie im Buche steht. Und infolgedessen auch wahnsinnig unterhaltsam! Zu verdanken ist dies, neben deWitts klug eingesetzten Dialogen, der unglaublich stimmigen visuellen Komik des Films. Zu verdanken ist dies aber vor allem auch Michelle Pfeiffer.

    Denn „French Exit“ lebt von seinem subtil eingesetzten Humor, der vor allem seiner Hauptdarstellerin zugutekommt. Die Rolle der Frances Price scheint Pfeiffer auf den Leib geschnitten zu sein, was sogar dazu führt, dass sie den Rest des Ensembles etwas überschattet. Lediglich Valerie Mahaffy gelingt es, ihren Charakter aufgrund ihres hervorragenden komödiantischen Timings ebenso in Szene zu setzen, und infolgedessen nicht unterzugehen. Und auch Lucas Hedges sorgt für so einige Lacher. Die Charaktere von Danielle Macdonald und Imogen Poots erscheinen dagegen ziemlich unausgereift und eindimensional zu sein. Dass alle gemeinsam unter einem Dach leben müssen, ist aber trotzdem äußerst spannend zu betrachten!

    Darüber hinaus ist „French Exit“ sehr stimmig inszeniert. Paris als Kulisse funktioniert aufgrund der Grundstimmung des Films sehr gut und auch die Kostüme überzeugen durch ihre Detailverliebtheit. Kameramann Tobias Datums Spiel mit Kameraeinstellungen setzt den eigenwilligen Humor dann auch nochmals in besonderer Weise in Szene. Etwas, was aber wahrscheinlich in der Romanvorlage besser funktioniert, ist die Einbringung übernatürlicher Elemente. Der Subplot rund um Wahrsagerin und Reinkarnation wirkt leider etwas unausgereift und nur halbherzig umgesetzt. Im Endeffekt bräuchte es diesen auch gar nicht, erscheint die Konzentration auf die Figur der Frances weitaus interessanter zu sein. Ihre Dynamiken mit dem Rest des Casts, ihre Schlagfertigkeit und die Tatsache, dass sie nicht mit Geld umgehen kann, führen nämlich ohnehin zu den amüsantesten Momenten des Films.

    Eigenwillig ist die Satire aber auf alle Fälle. Wer jedoch schwarzen Humor (mit Tendenzen zur Screwball-Comedy) mag, wird hier auf alle Fälle auf seine Kosten kommen. Gleichzeitig weist der Film auch einige emotionale Facetten auf und gerade das Ende, wenn auch viel offener gehalten als das Buch, sorgt für einen melancholischen Abschluss. Pfeiffer stiehlt jedenfalls jedem die Show!
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    16.11.2021
    08:07 Uhr
  • Bewertung

    French Exit

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Azazel Jacobs durfte auf der Viennale nun endlich seinen Film präsentieren. Er hätte dort letztes Jahr schon gezeigt werden sollen, jedoch warb die Berlinale den Film ab. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt.

    „French Exit“ lässt sich schwer in eine Genre-Schublade stecken. Familiendrama, Screwball-Komödie, übernatürliche Elemente. Man lacht über Morbides, Peniswitze und Situationskomik. Und am Ende legt sich ein Mantel der Melancholie über unsere verstummten Lacher. „French Exit“ ist wahrlich eine ungewöhnliche Mischung. Es ist quasi Schokolade mit Essiggurkerl für die Leinwand. Dabei fordert der Film vom Publikum, sich darauf einzulassen. Gelingt einem dies, wird man auf jeden Fall belohnt.

    Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Patrick deWitt, der auch das Drehbuch verfasste. Er handelt von einer Witwe der New Yorker High Society, die Jahre nach dem Tod ihres Mannes endgültig dessen Vermögen verprasst hat. Mit dem Erlös ihrer letzten übrig gebliebenen Schätze setzt sie sich mit ihrem Sohn, einem Muttersöhnchen in seinen Mittzwanzigern, nach Paris ab, wo ihr ihre beste Freundin ihre leerstehende Ferienwohnung angeboten hat. Dabei fasst die lustige Witwe den Entschluss, zu sterben, bevor das Geld verbraucht ist. Aber anstatt sparsam damit umzugehen, verprasst sie das Geld mit einer Todessehnsucht. Doch bevor sie ihrem Plan Folge leisten kann, gibt es da noch einige Familienangelegenheiten zu regeln, in die sich eine einsame Freundin, ein Medium, ein Privatdetektiv, eine Ex-Verlobte, ihr neuer Verlobter, eine schwarze Katze und die Eigentümerin der Pariser Wohnung einzumischen haben.

    Regisseur Azazel Jacobs ist ein Geschenk für Frauen in Hollywood, die in der Traumfabrik als „reif“ gelten würden. Er weiß ihre Geschichten zu erzählen und ihnen dabei zu schmeicheln, etwa wie in seiner HBO-Sitcom „Doll & Em“. Auch „French Exit“ versammelt ein Ensemble an grandiosen Frauen, allen voran Michelle Pfeifer und Valerie Mahaffey. Besonders Michelle Pfeifer liefert eine ikonische Performance ab, die den gesamten Film trägt und zu seinem Spektakel macht. Auch Lucas Hedges findet seinen Platz neben einer sehr starken Pfeifer und liefert als Muttersöhnchen eine Performance, die Hedges weichen Kern, für den er bisher noch kaum bekannt ist, akzentuiert.

    Mit seiner Großstadtromantik, der magischen Qualität von Vollmondnächten und schwarzen Katzen, grandioser weiblicher Schauspielkunst und einer Prise Screwball-Humor erweckt „French Exit“ durchaus die Assoziation zu Woody-Allen-Filmen. Nachdem dem Kultregisseur nach 60 Jahren Filmschaffens nun die Ideen auszugehen scheinen, erweist „French Exit“ vor allem jenem Publikum einen Dienst, die sich von Allen in den letzten Jahren im Stich gelassen gefühlt haben. Dabei ist Jacobs Film jedoch ästhetisch und inhaltlich durchaus eigenständig.

    Trotz seiner teils morbiden Themen findet der Film eine erfrischend heitere Grundhaltung, die sich in den stärksten Momenten des Films anfühlt wie sprudelnder Champagner.
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    16.11.2021
    08:06 Uhr
  • Bewertung

    Ein leises Servus

    Vermutlich sind in der Romanvorlage zu "French Exit" die Figuren exzentrisch-sympathisch genug, um die Story genüsslich voranzutreiben. In der Verfilmung will das nicht gelingen. Nur selten zieht eine Pointe, es fehlt ein wenig die Chemie und man fragt sich, warum die Gruppe im Film gemeinsam Zeit verbringt. Ich habe mich gefühlt wie auf einer Party, bei der alle Gäste einen ganz anderen Sinn für Humor haben als ich - es wäre fast schon Grund genug gewesen, einfach ohne ein Wort des Abschieds den Saal zu verlassen. Es passiert dann aber doch immer wieder genug, um noch ein wenig länger zu verweilen.
    (Gesehen auf der Viennale 2021)
    01.11.2021
    22:08 Uhr