Forum zu Dead & Beautiful

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    Unterhaltsame Gesellschaftskritik mit reichen Vampiren

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    Während Vampire seit Anbruch des 21. Jahrhunderts in erster Linie als narratives Mittel für Coming-of-Age-Filme genutzt wurden, greift der Mythos dieser Folklorewesen viel tiefer. Kulturelle Verfremdung, gesellschaftliche und religiöse Non-Konformität und Umbrüche oder unterdrückte Sexualität, Vampire waren immer eine Aspiration des tieferen Selbst oder der furchteinflößende Buhmann eines Außenseitertums. David Verbeek nutzt die Legende geschickt, um sie in eine bitterböse Tragikomödie umzumünzen, die sich als so viel mehr anfühlt als „noch so eine Vampirfilm“.

    Was, wenn wir den Begriff „Blutsauger“ nur allzu wörtlich nehmen würden. Die Protagonisten von „Dead & Beautiful“ sind fünf reiche Milliardärssprösslinge, deren Leben einem untoten Wandeln auf dem Planeten gleicht. Leergesaugt von Aufregung und Herausforderungen, da reich sein nun mal ohne Komplikationen einher geht, vertreiben sie sich die Zeit damit, sich im Großstadtdschungel Taipehs gegenseitig provokative Unternehmung zu organisieren oder morbide Streiche zu spielen. Als Ana (Anna Marchenko) ihnen eine Nacht im Dschungel mit einem einheimischen Schamanen organisiert, scheint jedoch etwas falsch zu laufen. Die fünf wachen nach einem mysteriösem Ritual, in denen ihnen Blut eingeflößt wurde, neben einem toten Schamanen und mit verdächtigen Eckzähnen auf.

    Gestresst jetten sie zurück in die Stadt. Eingebunkert in Alex‘ Familienpenthouse versuchen sie nun herauszufinden, was mit ihnen passiert ist. Dies könnte nun der Auftakt zu einer x-beliebigen Fantasyhandlung sein, aber in der pragmatischen Analyse oder einer tiefgreifenden Mythologie, die die Figuren entblößen müssen, hat Verbeek Gott sei Dank kein Interesse. Sein Film möchte lieber zeigen, ob in uns als Menschen ein symbolischer Blutsauger steckt, und wann wir diesen ungehemmt raus lassen. So ist der vermeintliche Fluch der Einwohner der Region, den die fünf aufdecken schnell abgehackt und das Interesse, wie es denn nun sei ein Vampir zu sein überwiegt.

    So beginnt die Gruppe systematisch Blut von ärmeren Gestalten der Gesellschaft in Taipeh abzuzapfen oder gibt sich langen Partynächten hin. Während Alex (Yen Tsao) endlich einen Weg sieht sein sinnentleertes Leben mit Aufregung zu füllen, lehnt Mason (Gijs Blom) die geistige Selbstaufgabe und Annahme niederer Instinkte ab. Ana ist in erster Linie um ihre Karriere als Instagram-Influencerin besorgt, Bin-Ray (Philip Juan) sieht das ganze als ein Spiel, und Lulu (Aviis Zhong) bekommt düstere Flashbacks zu ihrem verstorbenen Vater, den die rurale Bevölkerung ihrer privaten Ländereien als „Vampir“ bezeichnet hatten.

    Verbeek spielt mit den Erwartungen des Zuschauers, exemplifiziert die Oberflächlichkeit dieser Welt mit altbackenen Klischees, die er geschickt wider den Erwartungen bricht und in eine andere Richtung treibt. Das Unterfangen manifestiert sich somit in einer Meta-Ebene, in der der Film mit seinen eigenen Rahmenbedingungen spielt, sein eigenes Genre kommentiert und dabei nie moralisierend über seine Figuren urteilt. Hier geht es nicht um ein paar reiche Kids, die an den Pranger gestellt werden müssen. Allein dafür sorgt schon das überraschende, in eine unerwartete Enthüllung umschlagende Ende. Verbeek spielt hier mit vielen modernen gesellschaftlichen Elementen. Gewalt, Isolation, Orientierungslosigkeit, die durch den übernatürlichen Vampirismus und die Kompromisslosigkeit einer Identität in den oberen 1% noch zusätzlich amplifiziert werden.

    In ein paar Momenten muss man jedoch sagen, dass es ihm wohl mehr um Schockmomente als eine kongruente Handlung gegangen ist, dennoch ist seine Kapitalismus- und Spaßgesellschaftssatire am Rande der Selbstabschaffung hervorragend gelungen.
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    12.02.2021
    15:40 Uhr