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    Thank you for Sweating

    Exklusiv für Uncut
    Ein auspowerndes Gruppen-Workout im Einkaufszentrum. Mitten in der Menschenmenge eine junge Frau in pinkem Trainingsanzug, die mit energischen Worten die Teilnehmerinnen ihres Fitness-Kurses zu animieren versucht. Nach der Trainingseinheit folgt Begeisterung, Jubel, tosender Applaus. Und viele Selfies. So aufregend die Eröffnungsszene von „Sweat“ auf den ersten Blick sein mag, lassen sich dazwischen auch schon die ersten etwas ernsteren Untertöne vernehmen, die die restliche Handlung des Films noch durchziehen werden. Zum Beispiel dann, wenn ein Fan inmitten der Selfie-Parade davon spricht, dass sie dachte, immer unglücklich sein zu müssen. Dieser dualistische Einstieg in die Handlung gibt bereits einen äußerst präzisen Einblick in das Leben seiner Protagonistin, welches in weiterer Folge noch so einige Ups and Downs bereithalten wird:

    Sylwia Zajac (Magdalena Kolesnik) ist Fitness-Influencerin. Ihr Arbeitsalltag besteht neben Society-Events, Interviews und der Durchführung öffentlicher Workouts vor allem aus dem Befüllen verschiedener Social-Media-Kanäle, weshalb die Grenzen zwischen Sylwias Arbeits- und Privatleben immer stärker verschwimmen. Von zahlreichen Fans angehimmelt, beäugt die Mutter (Aleksandra Konieczna) den Beruf ihrer Tochter jedoch eher skeptisch, was das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Frauen zunehmend verkompliziert. Auch der hektische Beruf scheint Sylwia immer mehr auszulaugen, das Leben in der Öffentlichkeit strapaziert die Nerven der jungen Frau zusehends. Als sie eines Tages einen Mann vor dem eigenen Wohnhaus entdeckt, der sie augenscheinlich beobachtet, scheint das die Spitze des Eisbergs zu sein. Als sie diesen zur Rede stellt, werden bestimmte Ereignisse in Gang gesetzt, die Sylwias Leben und ihre Einstellung jedoch nachhaltig verändern werden.

    Im Zeitalter der Influencer und Instafilter sind die Social-Media-Vermarktung und ihre Folgen gern gesehene Thematiken in den Filmen der 2020er. Egal ob die Suche nach Werbepartner*innen, das Etablieren verschiedener Trends oder die Problematik rund um obsessives Posten – das Influencertum stellt einen ergiebigen Filmstoff dar, der manchmal zwar auch Positives hervorhebt, meistens aber doch eher die Schattenseiten der Community betont. Der gebürtige Schwede Magnus von Horn nimmt sich in „Sweat“ genau dieser Problematik an und siedelt sein Social-Media-Drama in seiner Wahlheimat Warschau an.

    Ganz zentral dabei ist die Figur der Sylwia, die von Magdalena Kolesnik in äußerst beeindruckender Weise dargestellt wird. So vergisst man auch schnell, dass Slywia Zajac keine reale Figur ist und wir nicht Zeug*innen eines realen Lebensalltags im Zuge einer Doku werden. Ich war jedenfalls überrascht, dass es sich hier um keine „echte“ Fitness-Influencerin handelt. Die Energie, die Kolesnik für ihre Rolle aufgewendet hat, ist wirklich beindruckend und gerade die vielen Insta-Stories, die sie ständig aufnimmt, wirken sehr authentisch - das obligatorische Ringlicht darf dabei natürlich auch nicht fehlen.

    Dem gelungenen, bereits erwähnten energiegeladenen Einstieg in die Handlung folgt ein sehr stimmig gestaltetes Titelbild (pinker Hintergrund, schwarze, mit „Schweißtropfen“ durchsetzte schwarze Schrift), welches durch Roxettes 80s-Banger „The Look“ musikalisch vervollständigt wird und auf jeden Fall ein weiteres inszenatorisches Highlight darstellt. Die Farbe Pink erhält ohnehin einen besonderen Stellenwert im Film, stellt sie doch Sylwias berufliches Leitmotiv dar, welches durch Kostüm und Ausstattung nur allzu deutlich wird.

    „Sweat“ schafft es gut, einen Bogen zwischen positiven und negativen Effekten rund um das Influencer-Dasein zu spannen und verpackt das Ganze als geheimnisumwobenen Ausflug in Sylwias Welt. So ganz weiß man aber nicht, ob der Film nun mysteriöser Thriller oder anregendes Gesellschaftsdrama sein will und so kommt es auch zu einem kleinen Wirrwarr an evozierten Stimmungen und atmosphärischen Dichten. Dazwischen ist „Sweat“ aber eigentlich schon ganz spannend erzählt und hält auch den ein oder anderen Twist bereit. Die ein oder andere kreative Kameraeinstellung weiß ebenso zu begeistern.

    Leider fehlt an manchen Stellen dann doch die nötige emotionale Tiefe und viele Aspekte – gerade in narrativer Hinsicht - fallen flacher aus, als dies möglicherweise beabsichtigt war. Gerade der Mittelteil hätte etwas ausgeklügelter sein können. Nichtsdestotrotz stellt „Sweat“ aber eine interessante Auseinandersetzung mit Influencer*innen dar und hinterfragt dahingehend auch sehr weitschichtige Punkte. Das wahre Highlight des Films ist allerdings in seiner Hauptdarstellerin zu finden, schon allein wegen Magdalena Kolesnik ist der Film allen ans Herz zu legen.
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    27.06.2021
    21:08 Uhr