2 Einträge
2 Bewertungen
80% Bewertung
  • Bewertung

    Unterhaltsamer Horrortrip aus Indonesien

    Exklusiv für Uncut vom Karlovy Vary Film Festival
    Es mag eine unkonventionelle Wahl für die Nominierung für den Auslandsoscar gewesen sein, aber eine unterhaltsame. Joko Anwars Horrorfilm „Impetigore“ lief am Karlovy Vary Filmfestival in der Sektion „Midnight Screenings“ und rückt Indonesien und sein traditionelles Schattenspiel mit viel Gore und Drama in den Mittelpunkt.

    Diese Vermischung von klassischen Genre-Klischees mit dem westlichen Publikum oft unbekannten kulturellen und historischen Elementen seines Landes schafft einen unterhaltsamen, schaurigen, aber oft auch konventionellen Film. Zu Beginn trifft der Zuschauer auf Maya (Tara Basro), die einen abwechslungslosen, monotonen Job als Maut-Kassiererin an einer belebten Straße inne hat. Um sich die Zeit zu vertreiben, telefoniert sie regelmäßig mit ihrer besten Freundin Dini (Marissa Anita), wobei sie sich amüsiert über den neuesten Klatsch und Tratsch austauschen.

    Die Situation wird jedoch ernst, als Maya ihr erzählt das Gefühl zu haben, von einem Kunden bereits mehrmals gestalkt und beobachtet worden zu sein. Der grimmige Mann tauch auch an diesem Abend in seinem Auto auf. Nicht nur weiß er wer sie ist, er gibt ihr eine ominöse Botschaft mit „Wir wollen nicht, was deine Familie zurückgelassen hat“. Daraufhin versucht er Maya umzubringen, sie kann sich jedoch befreien. Die Episode lässt ihr keine Ruhe, sie beginnt in den Besitztümern ihrer Tante, die sie großgezogen hat, nach Hinweisen über ihre Familie zu suchen.

    Ein Foto lässt sie erahnen, dass sie nicht nur viel älter war als geglaubt, als sie ihre Eltern verlor, sondern auch dass diese offensichtlich reich waren und ein Haus in einem entlegenen javanischen Dorf hatten. Da dies sicher viel wert ist, und beide Frauen das Geld brauchen um ein Business aufzubauen, beschließen sie dem Dorf einen Besuch abzustatten. Nach einer langen Reise entdecken sie nicht nur ein befremdlich wirkendes, düster wirkendes Dorf, sondern kommen nicht darum herum zu erkennen, dass in dem Dorf keine Kinder leben. Die einzigen Hinweise auf Nachkommen ist der Friedhof mit seinen zahlreichen Kindergräbern.

    Maya und Dini quartieren sich in dem Haus ein, wo Maya zudem immer wieder drei blasse Mädchen entdeckt, die aber nur sie zu sehen scheint. Sie beschließen mehr von dem lokalen Ortvorsteher Ki Saptadi (Ario Bayu) zu erfahren, der nicht nur ein Meister des Schattenspiels ist, sondern auch sonst die eine oder andere Einsicht in die Geschichte des Dorfes zu haben scheint. Nachdem Maya bereits einmal dem Tod entronnen ist, offenbaren sie ihre Identität nicht und geben sich als Studentinnen auf einer Recherchereise aus.

    Doch wie der Zuschauer bald erfahren soll, hat die Dorfgemeinde einen guten Grund, warum sie Mayas Familie lieber tot sehen würde. Und dieser Grund könnte Maya bald in die Quere kommen, denn sie scheint der fehlende Puzzlestein zu einem Rätsel zu sein, das seit über 20 Jahren vor sich hinköchelt. „Impetigore“ steckt somit die üblichen Handlungselemente einer klassischen Horror- und Geistergeschichte ab, macht aber diese Vorhersehbarkeit immer wieder mit seiner durchstylisierten Machart wett. Es sind nicht nur die wilden Konfrontationen, sondern das stetige, unterschwellige Köcheln von Paranoia und Gefahr, das den Pulsschlag des Film stets auf erhöhter Stufe hält. Ebenso clashen hier nicht nur die übernatürlichen Mächte, Maya und Dini wirken in ihrer Großstadt Mentalität stets etwas fehl am Platz, so wenig gebunden an die Kulturen ihres Landes. Es ist ein kultureller Kampf zwischen Moderne und Traditionen. Dennoch lässt Anwars Finale weder die eine noch die andere Seite die Oberhand gewinnen.

    Für Leute mit schwachen Nerven dürfte dies zudem genau der richtige Film sein, da „Impetigore“ weniger auf Schreckmomente und allzu blutrünstige Momente verzichtet, und mehr auf das Angedeutete, das Symbolische setzt. Das mag manchmal etwas blutleer wirken, hindert den Film aber daran allzu sehr in billige Metzeleien abzugleiten. Und letztendlich gibt es dann auch noch eine schöne Hommage an „A Nightmare on Elm Street“.
    susn_15a35adfde.jpg
    09.10.2021
    13:06 Uhr
  • Bewertung

    Blut ist dicker als Wasser

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Das asiatische Kino ist für seinen Facettenreichtum und seine Genrelastigkeit bekannt. Während Japan und Südkorea seit geraumer Zeit im Mittelpunkt des asiatischen Horrorkinos stehen, haben sich in den letzten Jahren auch Indonesien und Thailand in dieser Kategorie einen Platz ganz vorne erkämpft. Der indonesische Regisseur Joko Anwar hat bereits mit seinem Sensationserfolg „Satan‘s Slave“ aus dem Jahr 2017, der vor zwei Jahren am Slash ½ zu sehen war, bewiesen, dass er mit seinen Filmen Leuten das Fürchten lehren kann, nun legt er mit seinem neuen Film „Impetigore“ nach. Er wurde am diesjährigen Sundance Film Festival gezeigt und ist in den Vereinigten Staaten über die Horror-Streamingplattform Shudder zu beziehen.

    Großstädterinnen treffen auf javanische Traditionskultur: Maya wurde von ihrer Tante in der Stadt aufgezogen, nachdem sie als kleines Kind von ihren Eltern, über die sie keinerlei Kenntnisse besitzt, weggegeben wurde. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Dini arbeitet sie an einer Mautstelle, wo sie eines Tages von einem Unbekannten mit einer Machete attackiert und schwer verletzt wird. Ihr Angreifer wird an Ort und Stelle von der Polizei erschossen. Einige Zeit vergeht und Maya gehen die letzten Worte des Aggressors nicht mehr aus dem Kopf, die von ihrem Geburtsort und ihren Eltern zu handeln schienen. Schließlich beschließt sie in das Dorf zu fahren, aus dem sie angeblich stammt, Dini begleitet ihre Freundin auf der Reise. Angekommen im abgelegenen, kargen Dorf suchen sie Mayas Elternhaus auf, das seit vermeintlich zwanzig Jahren leer stehen soll. Allmählich wird den beiden jedoch bewusst, dass die Dorfbewohner ein schreckliches Geheimnis verbergen, ein Fluch, der den Einwohnern seit geraumer Zeit das Leben schwer macht und mit dem Mayas Schicksal auf merkwürdige Art und Weise verbunden zu sein scheint.

    Nachdem Hauptdarstellerin Tara Basro bereits in „Satan‘s Slaves“ ihr Können gezeigt hat, gibt sie auch in „Impetigore“ ihr Bestes und avanciert dabei zu einer echten Scream Queen. Das souveräne Konzept des Films mischt klassische Horrorelemente mit Elementen der indonesischen und javanischen Kultur und vermag über weite Strecken eine markerschütternde Erzählung darzubieten. Obwohl der Film zwischendurch Längen aufweist, zieht er die Zuschauer mit seinen beeindruckend-beunruhigenden Bildkompositionen und einer fesselnden Schilderung, die die Protagonistin auf den Weg in ihre fürchterliche Odyssee begleitet, immer wieder zurück in den Bann. Der Film strahlt seine gesamte Laufzeit über gewisse Reminiszenzen an bestimmte Horrorklassiker aus, im Speziellen jedoch der finale Akt, bei dem einem unweigerlich Tobe Hoopers Kultfilm „The Texas Chainsaw Massacre“ in den Sinn kommt.

    Die letzte Sequenz bildet allerdings gleichzeitig den einzigen Stolperstein des Films: Ein künstlich in die Länge gezogenes „Deus ex Machina“-artiges Flashback, sowie ein deplatzierter Cliffhanger im Epilog, stören die Harmonie und werden der restlichen, erstklassigen Qualität des Films alles andere als gerecht.


    Indonesisches Genrekino vom Feinsten!
    img_20211124_211334_170_479b6b0698.jpg
    22.09.2020
    17:24 Uhr