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87.5% Bewertung
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    Kein Film, das ist ein Dokument

    Man stelle sich vor, dass um einen herum ein Krieg ausbricht und die Zeit kommt zu flüchten. Egal, ob jung oder alt, ob Frau oder Mann, einfach nur, weil man einer bestimmten Religion angehört, wird man bedroht, vergewaltigt und ermordet. Wer macht sowas Unmenschliches? Dein Schulfreund, dein Kollege in der Firma, der Mitarbeiter im lokalen Supermarkt und Dein Nachbar. Warum? Angestachelt von einem unbarmherzigen Nationalismus und wahnsinnigen Führern, legt man alle Werte ab, die einen Menschen ausmachen und ermordet sogar Kinder und alte Menschen, die um ihr Leben flüchten. Was kann man tun, wenn die Mörder über das fatale Schicksal der unschuldigen Zivilisten bereits entschieden haben?

    Wenn man sich QUO VADIS AIDA? Von Jasmila Zbanic anschaut, sieht man mit den Augen einer Frau, die als Übersetzerin für die UN arbeitet, wie es im Sommer 1995 zum Massaker an über 8.000 unschuldigen, männlichen, bosnischen, moslemischen Zivilisten in Srebrenica gekommen ist. Was hat die Weltgemeinschaft getan? Was hat die UN getan, die den Auftrag hatte den Flüchtlingen in der UN-Schutzzone Schutz zu bieten? Leere Worte gesprochen und das Morden möglich gemacht.

    Man fühlt sich ohnmächtig und schämt sich, dass derartige Verbrechen geschehen konnten. Aber noch schlimmer ist die Tatsache, dass sich so ein Wahnsinn jederzeit wiederholen kann. Den potentiellen Tätern würde ich wünschen sich in die Lage von Aida zu versetzen: das könnte dein Ehemann sein, das könnten deine Kinder sein, die feige ermordet werden. Aida, das könnte jeder von uns sein.
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    08.07.2021
    14:00 Uhr
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    Die Tage vor dem Massaker von Srebrenica

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    Die Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs sind aufgrund ihrer unvorstellbaren, grauenhaften Taten fest in den Köpfen der Europäer*innen verankert. So etwas kann und soll nie wieder passieren, denkt man. Dass aber vor gerade einmal 25 Jahren bis zu 8000 muslimische Bosnier*innen ermordet wurden, mitten in Europa, beweist allerdings, dass Genozide auch Gräueltaten der jüngeren Vergangenheit sein können. Trotzdem wird relativ wenig darüber gesprochen. Diese Tatsache nahm die Regisseurin Jasmila Žbanić zum Anlass für ihr Kriegsdrama „Quo Vadis, Aida?“, welches anhand einer fiktiven Geschichte rund um eine UN-Übersetzerin die Tage vor dem Massaker von Srebrenica dokumentiert.

    Srebrenica, während des Bosnienkriegs im Juli 1995: Tausende bosnische Muslime flüchten in die UN-Schutzzone, die in der Nähe der Kleinstadt eine stillgelegte Fabrik beherbergt, in der zahlreiche Schutzsuchende Unterschlupf erhalten. Der Platz ist jedoch beschränkt und so entsteht vor den Toren der Halle schon bald eine unüberschaubare Menschenansammlung. Schnell müssen Verhandlungen mit Ratko Mladić, dem Oberbefehlshaber der Armee (Republika Srpska), in die Wege geleitet werden. Die ehemalige Englisch-Lehrerin Aida (Jasna Đuričić), die als Dolmetscherin für die UNO tätig ist, versucht zu vermitteln. Aber auch ihr Ehemann und die beiden gemeinsamen Söhne befinden sich in der Menschenmenge und die Situation wird für Aida schon bald zur persönlichen Zerreißprobe. Denn die Armee plant ein Verbrechen, welches die Schicksale tausender Menschen für immer verändern wird.

    Jasmila Žbanićs äußerst eindringliches Drama nähert sich dem Massaker von Srebrenica auf besondere Art und Weise an: Sie zeigt die Tage vor dem erschütternden Massenmord und macht das Grauen, welches sich hier erstreckt, zum Greifen nah. Sie zeigt dabei eine individuelle, fiktive Geschichte, die stellvertretend für so viele reale Lebensschicksale steht. Und obwohl sich die gesamte Handlung fast nur innerhalb eines einzelnen Schauplatzes abspielt, hat man nie das Gefühl, dass sich das in irgendeiner Weise als nachteilig herausstellt. Im Gegenteil. Die Unruhe, die in der Schutzzone herrscht, wird dadurch umso spürbarer.

    Aida hastet von einem Ende der mit Menschen vollgestopften Lagerhalle zum anderen. Papiere müssen unterzeichnet werden. Die Menschenmasse vor den Schranken muss beruhigt werden. Entscheidungen müssen getroffen werden. Alles geht sehr schnell und doch scheint die Zeit in „Quo vadis, Aida?“ still zu stehen. Zu irreal erscheinen die Vorgänge. Ständig befinden wir uns dabei an der Seite Aidas. Diese stellt wohl eine der stärksten Frauenrollen des vorangegangenen Filmjahres dar, wenn sie, allen Warnungen und Gefahren zum Trotz, um das Leben vieler Unschuldige und um das ihrer Familie kämpft. Jasna Đuričić liefert hier eine wahrhafte Glanzleistung ab, deren ausdrucksstarkes Schauspiel einen bis ins Mark erschüttert.

    Auch der restliche Cast schafft es, gemeinsam mit der Filmcrew ein eindrucksvolles Zeugnis eines geschichtsträchtigen Ereignisses abzuliefern, das wahnsinnig berührt, ohne dabei in einen übertriebenen Pathos abzugleiten. Die internationale Koproduktion aus acht Ländern (Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Rumänien, Norwegen, Niederlande) vereint Todesangst, Verlustgedanken und einzelne Hoffnungsschimmer, und zeigt dabei nicht nur die furchtbaren Taten einer militärischen Armee auf, sondern auch die (bis heute stark kritisierte) Ohnmacht seitens der UNO.

    Erschütternd. Ergreifend. Ein Must-See!
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    05.02.2021
    20:50 Uhr
  • Bewertung

    Zwischen den Fronten eines skrupellosen Kriegs

    Mit ihrer neuesten Regiearbeit blickt Regisseurin Jasmila Žbanić auf einen der menschenverachtendsten Genozide der jüngeren Zeitgeschichte zurück. Vor gerade mal 25 Jahren wurde im Zuge des Bosnienkriegs Srebenica ein Blutbad angerichtet, bei der 8000 Bosniaken (bosnische Staatsbürger*innen, die zumeist dem muslimischen Glauben angehören) aufgrund ihrer Ethnie kaltblütig ermordet. Im Zentrum der dramatisierten Spielfilm-Variante der tragischen Ereignisse steht die einstige Lehrerin Aida, die mittlerweile als Dolmetscherin für die UN-Friedenstruppen arbeitet. Aus der Sicht der einfühlsamen Familienmutter wird die Vorgeschichte gezeigt, die in den bosnischen Genozid mündete. Ihre Privilegien als Übersetzerin der Blauhelme möchte Aida dazu verwenden, um ihren Söhnen und ihrem Ehemann Schutz vor der serbischen Armee zu gewähren, als diese in die Stadt eindringt. Doch selbst das scheint zwecklos. Es versammeln sich nämlich immer mehr Leute vor der Schutzzone, die darauf hoffen, aufgenommen zu werden. Die UN-Soldaten präsentieren sich in der Situation als hilflos und überfordert.

    Žbanić erzählt die Geschichte als Mischung eines beklemmenden Thrillers und eines empathischen Charakterdramas, in der trotz der abscheulichen Gräueltaten, auf die der Film hinarbeitet, die Menschlichkeit der Protagonistin im Vordergrund steht. Trotz ein paar Längen im letzten Drittel handelt es sich bei „Quo Vadis Aida?“ um ein eindringliches Drama, das auf Realismus und Authentizität Wert legt - anstatt auf plumpe Gefühlsmanipulation des Publikums.
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    15.11.2020
    23:11 Uhr