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    Ossorios Tempelritter-Horror neu interpretiert

    Eldritch Advice
    Der 2001 verstorbene spanische Filmemacher Amando de Ossorio ist vielen Horrorkennern vor allem durch seine atmosphärische Horrorsaga um die „Legende der reitenden Leichen“ ein Begriff. Im Rahmen dieser, schuf er von 1971 bis 1975 vier Beiträge: „Die Nacht der reitenden Leichen“, „Die Rückkehr der reitenden Leichen“, „Das Geisterschiff der schwimmenden Leichen“ und „Das Blutgericht der reitenden Leichen“. Obwohl diese Filme zurecht als Kultklassiker des Genres gelten, gab es über vier Jahrzehnte lang keinen ernsthaften Versuch dieses Franchise wieder aufleben zu lassen. Zwar wurden den untoten Tempelrittern Ossorios hie und da Respekt gezollt, wie etwa in „Unrated: The Movie“ (2009), die Sehnsucht nach einer „Reitenden Leichen“-Produktion in Spielfilmlänge, wurde damit allerdings nicht gestillt. Doch vor wenigen Wochen, erreichte mich die Nachricht, dass der italienische Regisseur Raffaele Picchio heimlich still und leise mit „Der Fluch der reitenden Leichen - Die Rückkehr der Tempelritter“ einen Nachfolger auf den Markt brachte.

    Im 14. Jahrhundert vereiteln aufgebrachte Bürger, mit tatkräftiger Unterstützung des Klerus, ein unheiliges Ritual des Templerordens. Die überlebenden Ordensbrüder werden geblendet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Mit letzter Kraft schwören diese bittere Rache, und suchen seither als untote Reiter die Welt der Lebenden heim. Daran ändert auch der Zusammenbruch der Zivilisation, hunderte von Jahren später, nichts. Dadurch müssen sich ein Vater und seine schwangere Tochter, in dieser postapokalyptischen Zukunft, nicht bloß gesetzlosen Banden, sondern ebenfalls einer Sekte erwehren, die einen Pakt mit dem uralten Grauen der reitenden Leichen schloss.

    Ich muss sagen … dieser Film trägt seinen Titel zurecht mit Stolz!

    Wie sein großes Vorbild Ossorio, verfügte auch Picchio nur über ein geringes Budget, um seine Vision der „reitenden Leichen“ auf Film zu verewigen. Atmosphärischer Horror, der trotz spärlicher Finanzierung funktioniert, war stets eines der Markenzeichen Ossorios, und Picchio scheint in dieser Hinsicht ein würdiger Nachfolger zu sein. So sind die, dem Budget geschuldeten, Limitationen durchaus erkennbar, berauben diesem Werk aber nicht seinen gruseligen Grundtenor. Dafür verantwortlich sind vor allem zwei Aspekte. Einer davon ist die gelungene Darstellung einer postapokalyptischen Welt, sowie der Paranoia, die das Leben in einer dystopischen Zukunft im Menschen erzeugen würde. Der andere ist der geschickte Einsatz von Licht und Schatten, der dem Terror der untoten Tempelritter ein schauriges Ambiente verleiht. Erwähnenswert sind ebenfalls das großartige Kostümdesign wie auch die ausgesprochen gut in Szene gesetzten blutigen Effekte. Der Soundtrack von Andrea Pinna ist mehr als nur eine angemessene Huldigung der Originalkomposition von Antón García Abril, und schafft es durchaus auf eigenen Beinen zu stehen.

    „Der Fluch der reitenden Leichen“ wurde nicht bloß international, sondern überraschenderweise auch sehr gut besetzt, was bei Low-Budget Produktionen nicht immer der Fall ist. Aaron Stielstra spielt die Rolle des jungen Vaters Michael überaus überzeugend und verfügt über eine gute Chemie zu seiner On-Screen Tochter Lily, die von der charismatischen Alice Zanini verkörpert wird. Allerdings ist es Bill Hutchens, der als der Sektenführer Abel den Film an sich reißt. Abgesehen von den untoten Tempelrittern, die freilich der wahre Höhepunkt dieser Produktion sind, und in ihrer Bewegung und Ästhetik so wirken als hätte sie Ossorio persönlich dirigiert.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Die „reitenden Leichen“ in einer postapokalyptischen Zukunft auferstehen zu lassen, war eine interessante Entscheidung, die meiner Meinung nach erstaunlich gut funktioniert, weil Abels Endzeitsekte einen gemeinsamen okkulten Nenner mit den sich aus ihren Gräbern erhobenen Tempelrittern hat. Auch wenn der Handlungsfaden äußerst dünn gespannt ist, kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Dafür sorgen die dichte Atmosphäre, das gelungene Schauspiel, die spannenden Wendungen, sowie die optimal bemesse Laufzeit von 87 Minuten.

    Als großer Fan von Ossorios Schaffen, war ich sowohl extrem euphorisch als auch etwas argwöhnisch vor der Sichtung dieses Films. Schließlich weiß man bei einer Neuinterpretation nie, ob ein Filmemacher es vermag dem Erbe des Originals gerecht zu werden. Picchio aber vermochte es meine Zweifel zu beseitigen. Durch die atmosphärische und ästhetische Nähe zu Ossorios Saga, kann „Der Fluch der reitenden Leichen“ in zweierlei Hinsicht interpretiert werden. Einerseits als eine legitime Fortsetzung der ursprünglichen Reihe, und andererseits als ein Reboot. Egal wie es der Regisseur selbst sieht, hoffe ich, dass dies nicht das Ende der „reitenden Leichen“ ist. Vielmehr bin ich frohen Mutes, dass das europäische Horrorkino eine Wiederbelebung erfährt und den Fantastischen Film alsbald aus den Klauen des prätentiösen Arthouse-Kinos befreit. „Der Fluch der reitenden Leichen“ erfindet das Rad zwar nicht neu, erinnert mich aber an den Höhepunkt des italienischen Exploitationfilms und ist demzufolge eines freitäglichen Filmabends würdig.
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    04.09.2020
    21:32 Uhr