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    The Lodgers

    Exklusiv für Uncut
    Ich stolperte über diesen Film, als ich zum gefühlt hundertsten Mal in der Filmauswahl von Netflix stöberte und nach einem (für mich) neuen Horrorfilm suchte. Ich brauchte nichts Weltbewegendes, sondern einen Film, der gerade gut genug ist, um mich für gut zwei Stunden zu unterhalten. Keine volle Minute verging, schon hatte ich das Gefühl, dass „The Lodgers“ mein Verlangen nach Horror stillen könnte. Wer die Optik einer ländlichen Umgebung des Irlands des frühen 20. Jahrhunderts (inspiriert von der Schauerliteratur des 18. Jahrhunderts) liebt, könnte auch an diesem Film, trotz seiner simplen Handlung und des langsamen Beginns, Gefallen finden.


    Der Film dreht sich um die Geschichte der Zwillinge Rachel (Charlotte Vega) und Edward (Bill Milner aus „X-Men: First Class“), die zusammen in einem Herrenhaus leben, das sie von ihren Eltern geerbt haben, die Selbstmord begangen haben. So langsam geht das Geld zur Neige und ein Anwalt namens Birmingham (David John Bradley; Game of Thrones, Harry Potter, Doctor Who, The Strain) warnt die junge Rachel, dass sie schon bald von ihrem Grundstück vertrieben werden. Etwa zur gleichen Zeit kehrt der invalide Kriegsveteran Sean (Eugene Michael Simon; Game of Thrones) aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Seans Rückkehr wird von seiner Mutter und seiner Schwester sehr begrüßt, viele aber sehen ihn als Verräter, da er für das verhasste Großbritannien in den Krieg zog. Sean fühlt sich von Rachel angezogen. Auch sie fühlt sich Sean nahe und teilt ihre Ängste mit ihm, in der Hoffnung, dass er ihr hilft, ihrem Schicksal zu entkommen. Dieses Schicksal trägt die Form eines Fluches, der seit Jahrzehnten ihre Familie heimsucht und dazu führt, dass die Eltern stets durch Selbstmord jung sterben und ihre Kinder zurücklassen, bis diese das gleiche Schicksal erleiden. Zudem suchen die Geister der verstorbenen Eltern das Familienhaus heim. Die Zwillinge müssen drei strenge Regeln befolgen, um nicht selbst voreilig den Tod zu finden. Diese Regeln sind einfach. Die erste Regel ist, dass die Kinder ihre Zimmer nicht nach Mitternacht verlassen dürfen. Die Anwesenheit der Geistern wird nie in Frage gestellt und macht den Film zu einem wahrhaftigen übernatürlichen Horrorfilm. Ich weise darauf hin, weil ich es persönlich nicht ausstehen kann, wenn ein Titel als Horrorfilm vermarktet wird, sich aber anschließend als Thriller entpuppt, was bedeutet, dass keine übernatürlichen Kräfte im Spiel sind.

    Die beiden anderen Regeln verbieten es Fremden, das Haus zu betreten, und zwingen die Zwillinge dazu stets zusammen zu bleiben. Während Rachel sich danach sehnt, das Haus zu verlassen und dem schrecklichen Schicksal zu entkommen, akzeptiert ihr Bruder Edward dieses Schicksal nicht bloß, sondern will es darüber hinaus mit Freude erfüllen. Dies spiegelt sich im Zustand seines Körpers und Geistes wider. Es gibt Momente, in denen er ein Teil des Hauses zu werden scheint. Die Beziehung zwischen den Zwillingen ist angespannt aber dennoch fürsorglich. Dies wird durch die durchaus soliden Leistungen von Charlotte Vega und Bill Milner gut dargestellt. Doch wie bereits erwähnt, ist die Handlung nicht immer die größte Stärke von „The Lodgers“. Birmingham zeichnet sich durch David John Bradleys Erfahrung und seines enormen schauspielerischen Talents aus. Ich wünschte, der Film hätte mehr Fokus auf den von ihm dargestellten Sean gelegt, der geistig und körperlich unter seinen Kriegserfahrungen leidet. Ich würde sogar soweit gehen, dass er das Potenzial hat, der tatsächliche Protagonist in dieser Geschichte zu sein. Obwohl der Films erst allmählich in Fahrt kommt, schlage ich vor, ihm eine faire Chance zu geben und nicht nach den ersten fünfzehn Minuten abzuschalten.

    Die große Stärke des Films liegt in der visuell hervorragenden Darstellung der Geister und Kulissen. Wasser spielt in der gesamten Geschichte eine wichtige Rolle, da es scheinbar fast jede Ecke des Hauses durchdringt und schließlich zur Quelle des Übernatürlichen wird. Trotz der dauerhaften Anwesenheit der Geister, nutzen sich diese nicht ab und es gelingt die gruselige Atmosphäre aufrecht zu halten. Die traumhaften Sequenzen werden real, als der Film seinen Höhepunkt erreicht und jene fantastische Welt zeigt, die zuvor von den Zuschauern geheimgehalten wurde.

    Der Regisseur des Films, Brian O’Malley, ist auch für „Let us Prey“ (2014), einen weiteren Film aus diesem Genre verantwortlich, der nun auch auf meiner „Watchlist“ steht. O’Malley erwähnte, dass der Jack Clayton Klassiker „Schloß des Schreckens“ (1961) eine große Inspiration für „The Lodgers“ war. Demnach wird dieser Film Fans von klassischen Horrorgeschichten sicherlich mehr ansprechen als jene die Filme wie „Insidious“ (2010) oder „Conjuring - Die Heimsuchung“ (2013) bevorzugen. Darüber hinaus könnte der Film auch jene Leute ansprechen, die mit der irischen Geschichte vertraut sind oder sich für diese interessieren. Ich habe weder Perfektion erwartet, noch habe ich sie bekommen. Doch gelang es „The Lodgers“ durchaus meine Fantasie anzuregen, und mich darüber hinaus mit seinen beeindruckenden Filmkulissen und visuellen Leckerbissen zu verzaubern. Das Ende bringt zwar eine Konklusion, aber gewiss keine Genugtuung, was in meinen Augen jedoch keine schlechte Sache ist. Wer das Genre kennt und liebt, den wird das Finale weder überraschen noch missfallen.
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    05.05.2020
    20:34 Uhr