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    Ford v Ferrari oder Individuum v Unternehmen

    Während des ersten Filmdrittels finden wir uns in einem dunklen, italienischen Hinterzimmer wieder. Der anzugtragende Mann höheren Alters beäugt sorgfältig ein Dokument, berät sich per konspirativem Augenkontakt mit seinen Handlangern und schüttelt dann Ablehnung ausdrückend den Kopf. Man könnte meinen, wir folgen den Ausführungen eines Mafiafilms, bevor wir uns wenig später in einem nervenaufreibenden Zweikampf zwischen zwei Rennwagen der 1960er Jahre aufhalten. Klischeebehaftete Szenen sowie technisch brillant gefilmte Motorsportrennen wechseln sich im Film Ford v Ferrari (2019) von James Mangold ab. Nicht zum ersten Mal probiert Mangold sich im Biopic-Genre (Walk The Line) und wird im Übrigen das fünfte Werk der Indiana-Jones-Serie (geplant für Juli 2022) inszenieren.

    Die Rahmengeschichte ist schnell erzählt: die Marke Ford möchte in den 1960er Jahren ihre Popularität erhöhen und in den professionellen, von Ferrari dominierten Rennsport einsteigen. Nachdem Enzo Ferrari ein Angebot zur Übernahme in der Mafiaszene ablehnt, entscheidet sich Henry Ford II (Tracy Letts), Carroll Shelby als Projektleiter für die neue Rennsportsparte zu engagieren. Gewohnt routiniert gespielt von Matt Damon entwickelt Shelby gemeinsam mit dem hitzköpfigen Ken Miles (Christian Bale) einen neuen Boliden und setzt Miles später als Fahrer für die entscheidenden Rennen im Kampf gegen Ferrari ein.

    Die linear-konservativ, fast schon mutlos erzählte Handlung hat in den technizistisch inszenierten Rennsequenzen sowie im Charisma und in der Chemie der beiden Protagonisten ihre besten Elemente. Wir spüren, wie Damon und Bale in ihren Rollen als ambitionierte Amerikaner aufgehen, so wie wir die Geschwindigkeit und die Enge der Rennwagen spüren. Es bereitet Freude, die beiden miteinander agieren und ringen zu sehen (im wahrsten Sinne des Wortes). Die häufigen und uninspirierten Michael-Bay-Kameraeinstellungen von Autos im Sonnenuntergang unterstreichen das Pathos der amerikanischen Kraft im Hinblick auf die Motorindustrie und die Individualität. Insbesondere Bale, der Ken Miles hervorragend darstellt, lebt den American Dream und konstituiert seine Lebensenergie im Rennsport – manchmal zum Leidwesen seiner Familie, die zeitweise vor dem Ruin steht. Mitunter fehlt es dem vierfach Oscar-nominierten Film an der Ausgestaltung mehrerer weiblicher Rollen. Lediglich die Ehefrau von Miles (solide gespielt von Caitriona Balfe) darf sich an Szenen versuchen. Dabei kommt der Film kaum ohne Stereotype aus: erst die besorgte Ehefrau, dann die fürsorgliche Mutter, die voller Stolz Ehemann und Sohn beim Spielen mit Spielzeugautos zusieht. Sie hält ihrem Ehemann den Rücken für seinen Traum frei, während sie selbst keinerlei Charakter oder Lebensinhalt aufweist. Selbstredend hat sich die Rahmenhandlung als historische Gegebenheit patriarchal zugetragen und als klassisches Biopic vermeidet der Film kontrafaktische Zustände. Allerdings stellt sich die Frage, wie relevant diese einzige weibliche Figur ist, wenn nicht das übliche Gesellschaftsbild der Hausfrau und Mutter transportiert werden soll.

    Neben dem traditionellen Frauenbild fällt der Film durch einen rassistischen Nationalgedanken auf. Nicht nur, dass die vorkommenden Italiener anfänglich als mafiöse Ganoven porträtiert werden, später werden typische Klischees bedient: italienische Personen sind hektisch, laut, unordentlich, hitzköpfig und reden stets durcheinander. Der Film verwehrt sich hier einer differenzierten Darstellung der Personen und stellt vermeintliche national-kulturelle Unterschiede normativ dar. Der Hitzkopf Miles indes stößt konsequent aneinander mit den Angestellten der Ford Company. Seine aufbrausende Persönlichkeit ist nicht erwünscht im Sinne der hygienisch sauberen Corporate Identity. Das unternehmerische Kollektiv muss wichtiger sein als das Individuum. Hier gelangt der Film an seine systemische Grenze. Im Spannungsfeld zwischen der Individualität und den wirtschaftlichen Fesseln des Neoliberalismus entscheidet er sich für das System und damit gegen den Charakter des Individuums und damit gegen den vom Neoliberalismus gepredigten Satz „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“. Hier bleibt die Aussage des Films blass und wieder - mutlos.

    Trotz der offensichtlichen Schwächen treffen solche „mobilitätsgetriebenen“ Filme (z.B. aus dem letzten Jahrzehnt: Dunkirk, Gravity, Mad Max: Fury Road) zu Recht den Geschmack der Academy für Schnitt und Tonschnitt, weshalb genau diese beiden Preise aus den vier Nominierungen bei der letztjährigen Verleihung 2020 heraussprangen und abgesehen von den ideologischen Problemen (Frauenbild und Rassismus) sind dies genau die Vorzüge des Films. Technisch einwandfrei und spannend geschnitten beherrschen die Rennsequenzen die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen, die dadurch einem hohen Unterhaltungswert erliegen. Die Nominierung als bester Film bleibt dennoch ein Rätsel, wenngleich sich die Nominierung womöglich dadurch erklären lässt, dass das amerikanische Nationalbewusstsein ein solches Narrativ des sportlich-nationalen Sieges in Zeiten von außenpolitischer Distanzierung unter Donald Trump dringend benötigt hat. Technisch bleibt Ford v Ferrari über alle Zweifel erhaben und kann bei aller Ideologiekritik durchaus an einem Sonntagabend als einfache Unterhaltung dienen. Sollte es etwas mehr sein, müsste man wohl die Geschichte umschreiben.
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    01.02.2022
    13:20 Uhr
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    Flott geschnitten und erzählt

    Das Beste an Filmen über Autorennen sind die Aufnahmen von der Rennstrecke, die dem Zuschauer das Gefühl geben, hautnah dran zu sein, näher noch als in der Realität. Und wenn dann nebenbei auch noch eine interessante Geschichte erzählt wird, in der zwei Hersteller und deren Teams, die unterschiedlicher nicht sein können, dann macht das den Film noch besser. Mit der Kirsche obendrauf, dass Matt Dämon und Christian Bale in ihren Rollen absolut überzeugend sind kann man hier einen wirklich tollen Kinoabend erleben. Gerade richtig ist die Dosis des Amerikanischen und der Heldensymbole gewählt, dass der Sportsgeist immer noch erkennbar ist und sich kein Pathos à la Michael Bay auf der Leinwand breit macht.
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    13.05.2020
    08:06 Uhr
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    Rasantes Motorsport-Drama in technischer Perfektion

    US-Filmemacher James Mangold (u. A: "Walk the Line", "Logan") widmet sich in seinem neuesten Werk der realen Geschichte des Autokonstrukteurs Carroll Shelby (Matt Damon) und des Rennfahr-Profis Ken Miles (Christian Bale). Mitte der 60er-Jahre wurden die beiden von Henry Ford II dazu beauftragt, einen Wagen zu bauen, der beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahre 1966 erstmals den damals dominierenden Ferrari besiegen sollte. Dabei ist ein packendes Drama herausgekommen, das mit technischem Hochglanz, zwei beachtlichen Schauspielleistungen im Zentrum und einem angenehmen Retro-Charme besticht.
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    23.11.2019
    17:11 Uhr
  • Bewertung

    Mission Impossible

    Es gibt auch anspruchsvolle Rennfahrerfilme und es dreht sich nicht nur alles um FAST & FURIOUS im Kino.
    FORD V. FERRARI basiert auf einer True Story, die von einer Freundschaft zwischen zwei Autoliebhabern erzählt, die das scheinbar unmögliche schaffen müssen - ein Rennauto zu bauen und zu fahren um in LE MANS gegen den mehrfachen Champion FERRARI zu gewinnen. Dabei kämpfen die US/GB-Boys nicht nur gegen die Italiener, sondern auch gegen interne Stallorder, die einen schon zum Verzweifeln bringen können.
    Es passt fast alles an diesem tollen Film: der erfrischende Humor, die beeindruckenden und packenden Race-Szenen, aber vor allem überzeugt der Charme und die Leidenschaft der zwei Hauptdarsteller Matt Damon und Christian Bale, die hier eine sehr sehenswerte Performance abgeben.
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    15.11.2019
    15:53 Uhr
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    Die tollkühnen Männer in ihren klapprigen Kisten

    Ja, das waren noch Zeiten... Als Männer noch echte Männer waren und Automobilsport noch interessant war und massenhaft Mut erforderte.

    "Le Mans 66", der im Original eigentlich "Ford v Ferrari" heißt, hat nur sehr wenig mit dem semidokumentarischen "Le Mans" aus dem Jahr 1971 mit Steve McQueen zu tun. Ähnlich wie es Ron Howard schon vor sechs Jahren mit "Rush" vorgemacht hat, versucht nun James Mangold eine unglaubliche, wahre Geschichte aus der Welt des Motorsports unterhaltsam im Kino zu erzählen.

    Und das gelingt sehr gut. "Le Mans 66" weiß nicht nur sehr gut zu unterhalten, sodass die mehr als 2 1/2 Stunden Filmlänge wie im Renntempo vergehen. Er bietet auch Spannung, Witz und vor allem eine herausragende schauspielerische Leistung von Christian Bale. Der Film beweißt Herz und Gefühl. Und obwohl er doch eher ein Männerthema behandelt, gefällt er dadurch auch vielen Frauen unter den Zuschauern.

    Fazit: "Le Mans 66" ist zwar nicht ganz so grandios wie "Rush", braucht aber den Vergleich nicht zu scheuen. Ein spannender, unterhaltsamer und sehr gut gespielter Rennfahrer-Film.
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    15.11.2019
    02:01 Uhr
  • Bewertung

    Farbenfrohes Rennabenteuer

    Exklusiv für Uncut
    Das Leben am Speedlimit muss nicht immer „Fast and the Furious“ sein. Das historische Ron Howard Drama „Rush“ aus dem Jahr 2013 zeigte bereits wie man Spannung anhand der Rivalität zweier Rennfahrer der Formel 1 aufbauen kann. Nun legt James Mangold mit dem ebenfalls auf historischen Tatsachen beruhenden „Le Mans 66“ nach, in dem sogar zwei Rennställe gegeneinander konkurrieren. Eigentlich eine Auflage für mehr männliches Egoaufpulstern in einer Zeit, wo wir öko-unfreundliche Autos eigentlich gar nicht mehr zelebrieren sollten. Aber Mangold beweist, wie man aus einem etwas sperrigen Thema einen durchaus amüsanten Film macht.

    Wie kann man das Geschäft noch weiter ausbauen? Im Jahr 1963 möchte Ford seine Marke weiter etablieren und liebäugelt auf Geheiß von PR-Stratege Lee Iacocca (Jon Bernthal), man solle sich verstärkt auf das international populäre Rennfahrgeschäft konzentrieren. Da der Hersteller sich zunächst nicht in der Lage sieht, den Spitzenreiter Ferrari zu überbieten, will man den finanziell maroden Hersteller zunächst übernehmen. Doch als der alte Enzo Ferrari sich über Ford mokiert und das Angebot ausschlägt, will die Firma Ford bei dem populären 24-Stunden-Rennen von Le Mans mit ihrem eigenen Wagen schlagen. Dafür rekrutieren sie den ehemaligen Rennfahrer und nunmehrigen Garagenmanager Carroll Shelby (Matt Damon), der ihm in 90 Tagen ein fähiges Auto präsentieren soll.

    Shelby wiederum bittet den britischen Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale), ihm dabei zu helfen, doch Miles ist ein kantiges Individuum, das oftmals aneckt, so auch mit dem Ford Vize Leo Beebe (Josh Lucas), der ihm vom Projekt entfernt sehen möchte. Wie Shelby und Miles auch bald feststellen müssen geht es nicht nur um private Animositäten um das Projekt zu beenden, sondern auch die Interessen der Firmen und der Komitees ihnen immer wieder dazwischenfunken, um rechtzeitig zum Rennen den legendären Ford GT40 fertig zu stellen.

    Wie inszeniert man einen männlichen Pissing Contest und schlägt dennoch einen interessanten Handlungsbogen auf? Mangold versucht es mit den üblichen Tricks und hat Erfolg. Hier geht es nicht darum einem reichen Unternehmen noch mehr Geld in die Taschen zu schaufeln oder um männliche Egos, die verletzte werden so dass der Kampf auf die Rennbahn verlagert wird. Hier geht es um die Passion, die Bestimmung ein schnelles Auto zu bauen, und die Leidenschaft die Shelby und Miles mitbringen. Die Bösen sind jene, die diese fast spirituelle Aufgabe untergraben wollen. Doch da man auch nicht mit Kapitalismus anecken will, und sowohl Henry Ford II als auch Enzo Ferrari als selbstverliebte aber grundtief idealistische Männer dargestellt werden, muss halt die Nummer 2 herhalten. Beebe, der in als Beta in der Nahrungskette durch Tücke nach oben will, ist somit das perfekte Mittel und der ideale Bösewicht um die Helden in ihrem Unterfangen zu stören.

    Optisch bietet der Film nicht nur eine stimmungsvolle 60s-Optik, sondern auch mitreißend inszenierte Rennszenen. Fast fühlt man sich, als sei man mit Bale im Cockpit des GT40, während er über die endlosen Kurven der Rennbahn brettert. Auch die Chemie zwischen ihm und Damon funktioniert einwandfrei und vor allem im Original ist es eine Freude, seinen süffisanten britischen Akzent in voller Breite zu lauschen. Der Film mag zwar für Nicht Racing Fans nicht unbedingt Relevanz bieten, ist aber ein schönes Stück Nostalgie und Eye Candy und bietet den Zuseher an, doch wieder mal hinters Steuer zu steigen.
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    13.11.2019
    22:51 Uhr