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    Dora in der großen Stadt

    Exklusiv für Uncut
    Der von Nickelodeon produzierte Vorschulcartoon „Dora“ (international bekannt unter „Dora the Explorer“) erfreut sich bis heute beim jüngsten Publikum großer Beliebtheit. Die Zeichentrickserie, die schon zu Beginn des neuen Millenniums ins Leben gerufen wurde, handelt vom siebenjährigen Mädchen Dora, die tagein tagaus gemeinsam mit dem sprechenden Affen Boots aufregende Abenteuer bestreitet. Die Besonderheit der Serie: Hauptfigur Dora richtet sich mit dem Durchbrechen der Vierten Wand direkt an das Publikum und versucht diesem zudem spielerisch Grundlagen einer Fremdsprache beizubringen. Während Dora in der deutschen Fassung daran versucht ist, einfache englische Begriffe mit auf den Weg zu geben, will man den jungen ZuschauerInnen in der Originalversion spanische Wörter beibringen, weshalb die Serie einige Fans aus der lateinamerikanischen Community für sich gewinnen durfte.

    Zahlreiche Leute waren verdutzt, als dem Internet vor wenigen Jahren die Nachricht ereilte, dass die Marke „Dora“ mit einer Realverfilmung versehen werden würde, in der die abenteuerlustige Protagonistin um knapp zehn Jahre älter sein sollte als in der eigentlichen Serie. Nachdem der dabei herausgekommene „Dora und die goldene Stadt“ (OT.: „Dora and the Lost City of Gold“) bereits Mitte des Sommers in US-Kinos anlief, findet der Film nun auch Einzug in deutschsprachige Lichtspielhäuser.

    Das gesamte Marketing ließ ein Desaster vermuten, das lediglich dazu dienen würde, mit der verstaubten aber dennoch beliebten Marke, ein zusätzliches Geld einzunehmen. Tatsächlich handelt es sich beim fertigen Produkt jedoch um eine der wohl größten positiven Überraschungen des Filmjahres: „Dora und die goldene Stadt“ entpuppt sich nämlich als unerwartet unterhaltsame Abenteuerkomödie, deren Humor – im Gegensatz zur Serie, die ihr als Basis dient – auch ein älteres Publikum ansprechen dürfte.

    Vorerst aber: Worum geht es denn überhaupt?

    Die Realverfilmung widmet sich einer Teenager-Version von Dora (Isabela Moner), die ihr bisheriges Leben zum Großteil im Dschungel verbrachte und dort ihre Eltern (Eva Logoria und Michael Pena), bei denen es sich um Entdecker handelt, bei verschiedensten Expeditionen begleitete. Als ihre Eltern eines Tages den vermeintlichen Standort der verschollenen Inka-Stadt Parapata ausfindig machen, scheint es so, als hätte sich die jahrelange Arbeit ausgezahlt. Die Überraschung jedoch: Die beiden ForscherInnen wollen dorthin ohne ihre Tochter aufbrechen und diese unterdessen in eine klassische High-School in Los Angeles schicken. Die unbekümmerte Dora ist froh darüber endlich Gleichaltrige kennenlernen zu dürfen, hat anfangs jedoch noch erhebliche Probleme damit, sich in der neuen Umgebung einzuleben. Ihr neuer Alltag nimmt eine unerwartete Wende, als Dora, ihr Cousin Diego (Jeff Wahlberg) und zwei weitere SchulkollegInnen (Nicholas Coombe, Madeleine Madden) während einer gemeinsamen Exkursion plötzlich entführt werden. Bald stellt sich heraus, dass es sich bei den Entführern um Gauner handelt, die die Gruppe nach Peru fliegen und von Dora verlangen, den Standort ihrer Eltern preiszugeben, um die versunkene Stadt, in der vermeintlich wertvolle Schätze begraben liegen, ebenfalls erreichen zu können. Nachdem die vier Teenager vom eigensinnigen Alejandro (Eugenio Derbez) aus den Klauen der Diebe befreit werden, entschließen sie sich dem Geheimnis von Parapata trotzdem auf die Spur zu gehen.

    Inszeniert wurde das Ganze von US-Regisseur James Bobin, der sein Talent und feinsinniges Gespür für Humor, der für jegliche Altersklassen funktioniert, bereits mit den zwei überaus gelungenen modernen „Muppets“-Kinofilmen (2011, 2014) unter Beweis stellte.

    Die Geheimzutat, die die Live-Action-Adaption funktionieren lässt, ist in erster Linie die unerwartete Portion an Selbstironie und Meta-Humor. Gleich zu Beginn wird klar, dass es sich hier um keine einfache Spielfilm-Version der Nickelodeon-Show handelt, sondern streckenweise viel eher fast schon um eine Parodie. So wird der Film mit einer Rückblende eingeleitet, in der wir Dora im selben Alter wie in der gleichnamigen Serie sehen. All die überdrehten Abenteuer, die Dora dort noch gemeinsam mit ihrer sprechenden Karte, dem Rucksack Backpack und ihrem Affen Boots erlebte, werden hier als Darstellungen ihrer lebhaften Fantasie erklärt. Tatsächlich schlägt Bobin nämlich eine 'realistischere' Route ein und spinnt aus dem Stoff eine Mischung aus „Indiana Jones“-esquen Abenteuerfilm gepaart mit Elementen einer Highschool-Komödie.
    Boots, bei dem es sich in der Serie noch um einen gesprächigen Affen mit Stiefeln handelte, wurde hier beispielsweise nun also zu einem 'echten' Hausaffen gemacht, dessen Design durch die Verwendung schwacher CG-Technik jedoch weit artifizieller und abschreckender aussieht, als es den Machern wohl lieb gewesen wäre.

    Trotz des weit weniger phantastischen Zugangs, der hier gewählt wurde, strebt die Komödie keineswegs puren Realismus an. Eher versucht der Film durch eine Metaebene, Konzepte und Eigenheiten der Originalserie auf unerwartet kreative Weise zu persiflieren. So gelang es den Machern beispielsweise einen Song mit (bewusstem) Fremdscham-Faktor, eine 2D-animierte Trip-Sequenz und eine extravagant choreographierte Musical-Tanz-Sequenz im selben Film unterzubringen, ohne dabei die erzählte Geschichte zu sehr ins Absurde zu führen. Ebenso ist es gelungen, aus dem Szenario, Dora vom buchstäblichen Dschungel in den Großstadtdschungel zu schicken, durchaus nette Situationskomik abzugewinnen. Etwas fehl am Platz wirkt dann aber das plötzliche Auftauchen von Swiper, dem berüchtigten diebischen Fuchs aus der Serie (hier von Oscar-Preisträger Benicio del Toro eingesprochen), der - ohne jegliche Erklärung – auch in der Realwelt als anthropomorpher Fuchs erscheint und sich nicht wirklich in das Geschehen einreiht.

    Ein großer Pluspunkt sind hingegen die SchauspielerInnen. Hauptdarstellerin Isabela Moner mimt das naive aber sympathische Happy-Go-Lucky-Gemüt Doras mit schwungvoller Energie und Charisma. „Desperate Housewives“-Star Eva Longoria macht als sorgsame Mutter Elena eine durchaus solide Figur, während Michael Peña als Vater Cole jedoch ein paar der eher schwächeren Gags zuteil wurden.

    Im Großen und Ganzen lässt sich sagen, dass James Bobins „Dora und die Goldene Stadt“ natürlich nicht das Rad neu erfinden wird. Nein, hier und da ist ein flacher Witz reingerutscht, die Computereffekte sehen außerordentlich billig aus und bei den Figuren handelt es sich fast ausschließlich um wandelnde Klischees. Diese Unzulänglichkeiten werden jedoch vom überraschend erwachsenen und kreativem Meta-Humor, der sympathischen Dynamik der HauptdarstellerInnen und einer ehrlichen Zelebration lateinamerikanischer Kultur überragt.

    Eine Realverfilmung, von der sich die eher uninspirierten Live-Action-Remakes Disneys in Puncto Einfallsreichtum eine Scheibe abschneiden könnten. Wer hätte das gedacht?

    James Bobin: You did it!
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    10.10.2019
    08:25 Uhr