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    Zwischen Tradition und Moderne

    Wir sind in den 60er Jahren in Kolumbien. In einer archaischen Männergesellschaft haben auch Frauen ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Hochzeit geht. Die indigene Bevölkerung lebt in Stammesformationen. Die Familie ist alles. Sie verleiht Schutz und Ansehen. Bei einer Heirat wie hier zwischen Rapayet (José Acosta) und Zaida (Natalie Reyes) verhandeln die Stammesältesten. Auch die alte Ursula (Carmina Martinez), die Mutter von Zaida ist dabei. Beide gehören zum Stamm der Pushiana, einer mächtigen Volksgruppe innerhalb der Wayuu. Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, werden Wort Boten ausgetauscht, die die Verhandlungen leiten. Wenn das nicht zur Lösung des Problems führt, gibt es Krieg. Da ist Sippenrache an der Tagesordnung.
    Man hatte den anderen Clans seine Macht demonstriert z.B. durch eine Demütigung: Hier ein Koffer voll Geld, wenn der Übeltäter Hundekot isst. Man dezimiert sich gegenseitig bis am Ende fast keiner mehr überlebt. Also keine Happy End für Rapa und Zaida.
    Das Regiepärchen Guerra/Gallego erzählt in fünf Kapiteln – Lieder genannt – in einer beeindruckenden Bildersprache den Aufstieg und das Ende eines Clans.
    Die Menschen leben zwischen Traditionen mit Geisterglauben und Traumdeutungen und Moderne. Ein Talisman ist von zentraler Bedeutung. Die meisten sind steinreich, fahren dicke SUVs und die Männer sind ständig dabei ihre Ehre hochzuhalten. Die Frauen wie hier die alte Ursula reden bei den Geschäften ein wichtiges Wörtchen mit.
    Die Fülle von Figuren neben den drei Hauptakteuren lässt dem Zuschauer Platz für Distanz zu ihnen. So beeindrucken nur die Bilder weniger die individuellen Schicksale.
    Eine andere Welt. Voller Dämonen und Gewalt.
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    30.10.2020
    19:40 Uhr
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    Die Schamanin und das Haschisch

    Exklusiv für Uncut
    Im Mai 2015 feierte der kolumbianische Regisseur Cio Guerra bei den Filmfestspielen in Cannes seinen internationalen Durchbruch mit seiner Literaturverfilmung „Der Schamane und die Schlange“, welche im Jahr darauf sogar für einen Oscar nominiert wurde. Demnach ist es kein Wunder, dass Guerra auch mit seinem nächsten Projekt Produzenten und folglich Zuschauer und Kritiker überzeugen konnte. Jedoch kann der Erfolg von „Birds of Passage“ nicht rein ihm zugutegehalten werden. Zum einen stammt das Drehbuch nicht mehr aus Guerras Feder, zum anderen bekam dieser bei der Regiearbeit Unterstützung von seiner Ehefrau Christina Gallego. Die Dreharbeit dürften aber dermaßen schwierig gewesen sein, dass das Paar zwar den Film, aber auch ihre 20 Jahre anhaltende Ehe beendete.

    Birds of Passage erzählt von den frühen Jahren des kolumbianischen Drogenhandels. In den späten 1960ern wechselten indigene Stämme ihr Augenmerk von Viehzucht auf das Schmuggeln von Rauschgiften. So auch der Junge Wayuu „Rafa“, welcher durch den Verkauf von Cannabis, das Brautgelt für seine Verlobte zusammenbekommen möchte. Nachdem dieses Vorhaben glückt, erkennt er das Potential des neuen Geschäfts und wird binnen weniger Jahre zum einflussreichsten Mann der Region.

    Sein Aufstieg und Fall werden in fünf Liedern/Kapiteln geschildert, was dem Film zu einem flüssigen Tempo verhilft. Jeder Abschnitt funktioniert als Kurzfilm für sich selbst, fügt sich aber ebenso gut ins Gesamtbild ein. Epochale Mafiadramen, deren Geschichte sich über einen langen Zeitraum erstreckt, haben zumeist eine beachtliche Laufzeit und tendieren daher dazu, in der Mitte „etwas durchzuhängen“. Dank seiner clever gewählten Zeitsprünge und einer innovativen Dramaturgie vergehen die 125 Minuten von „Birds of Passage“ aber wie im Flug.

    Ebenfalls erfreulich ist, dass der Film nicht „mainstreamisiert“ wirkt. Die vier Autoren sparten sich keine Minute an Recherche und schmückten das Drehbuch mit zahlreichen Bräuchen, Ritualen, Tiersymbolen und Gesängen, die vor allem mit der Thematik betraute Zuschauer erfreuen dürften. Ein gutes Beispiel hierfür ist der großartig editierte Brauttanz am Anfang des Filmes. Unterstützt wird das detailverliebte Drehbuch von einer genauso detailverliebten Garderobe und Requisite. Dies verwundert nicht, da „Birds of Passage“ großteils an Originalschauplätzen gedreht wurde.

    An den Schauspielern des Films gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. Die besonnene Hauptfigur, sein unberechenbarer Geschäftspartner, der greise „Wortbote“ und das matriarchalische Familienoberhaupt wurden alle wunderbar besetzt und verkörpert. Einzig die Figur eines Geschäftskontrahenten, welche in der zweiten Hälfte des Filmes an Bedeutung gewinnt, wirkt stellenweise etwas überzeichnet. Besonders hervorzuheben ist die Performance der bildhübschen Natalia Reyes in der Rolle von Rafas Ehefrau. Ihr großartiges Schauspiel bereichert nicht nur diesen Film, sondern verstärkt auch meine Vorfreude auf das neue Terminator-Sequel, in welchem sie eine mehr oder weniger große Rolle verkörpern soll.

    Verfeinert wird das Ganze dann noch durch eine wunderschöne Kameraarbeit. Die Aufnahmen in der Wüste und im Urwald bereiten durch die exzessive Verwendung von natürlichem Licht den größten Augenschmaus, aber auch die Szenen bei Nacht bieten einen äußerst kühlen aber dennoch realistischen Look.

    Abschließend lässt sich sagen, dass Gallego und Guerra mit „Birds of Passage“ einen von Ambition strotzenden Drogen-Rache-Thriller schufen, der Fans von Arthouse-, Historien- oder Mafiafilmen gleichermaßen erfreuen dürfte.
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    07.05.2019
    13:31 Uhr