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    Ungewöhnlicher aber unmutiger Film über Kinderbanden

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2019
    In der Adaption des Romans „La Paranza dei Bambini“ von „Gomorrah“-Autor Roberto Saviano dreht sich abermals alles um Kriminalität in der italienischen Stadt Neapel. Diesmal aber aus der Perspektive der Kinder. Saviano, der am Drehbuch mitgeschrieben hat und Regisseur Claudio Giovannesi erzählen den bedrückenden Abrutsch einer Gruppe Jugendlicher in den Mob Lebensstil, Tribalismus, Gewalt und in die Wechselbeziehung aus Tod und Rache. Der Film zeigt die zermürbenden wie berauschenden Episoden, bedient sich aber altbekannten Stilmitteln und Archetypen, um seine Geschichte zu erzählen.

    Die Gruppe Jugendlicher im Zentrum der Handlung werden von dem unerfahrenen aber arroganten Nicola (Francesco Di Napoli) angeführt. Mit seinen geschniegelten Klamotten and Haarstil, der so im Gegensatz zu dem simplen Lebensstil steht den er in der Sanità Nachbarschaft mit seiner Mutter und seinem Bruder führt, versuchen er und seine Band Fuß in der Welt des großen Geldes zu fassen. Das beginnt mit kleinen Marihuanadeals für lokale Gangs in der Nachbarschaft, geht über in organisierten Waffenhandel und endet mit dem Krieg gegen alle, die sich dem Rang der Gang in der Mobsterhierarchie in den Weg stellen würden.

    Für den Zuschauer vielleicht ein neues Konzept, sind solche Kindergangs in Neapel ein altbekanntes Bild. Gewalttätige Jugendliche aus den ärmeren Gegenden, die Auseinandersetzungen suchen und der Polizei Ärger machen da sie wissen sie sind zu jung, um eingesperrt zu werden. Aus ihnen werden oft „Paranza“, ein Slangwort für jene bewaffneten Gruppierungen, die in den Diensten der Camorra stehen. Giovannesi schafft ein realistisches Abbild dieser Welt, in dem er on location gedreht hat und einen Cast um sich versammelt hat, der aus lokalen Jugendlichen und nicht professionellen Schauspielern besteht. Doch diese Authentizität steht im Gegensatz zu der auf Hochglanz polierten Inszenierung und den Kanten geglätteten dramatischen Momenten.

    Der Film mag zwar die Schauplätze haben, bräuchte aber dringend eine eindrücklichere Inszenierung. Der Absturz der Teenagerbande ist vorhersehbar und folgt den üblichen Mustern, über die Mobster die sie treffen bis hin zu den Spielereien, die sie finanzieren wollen. Es kann sich auch keine Sympathie vorab für die Figuren aufbauen, da der Zuschauer Nicola und seine Bande unmittelbar zu dem Zeitpunkt trifft, in dem sie bereits beginnen in die organisierte Kriminalität abzugleiten. Es gibt keine jugendliche Unschuld, auf die der Zuschauer erinnerungstechnisch zurückgreifen kann wenn sich die Dinge im Finale zuspitzen.

    So wirken die Opfer, die die jungen Burschen bringen müssen, auch nur moderat tragisch. Dass Nicola mit seiner Freundin Schluss machen muss soll tragisch wirken, doch insgeheim applaudiert man dem Prozedere. Des Weiteren kann die „unsterbliche Liebe“ zweier Teenager nur bedingt episch wirken. Ebenso wird die Freundschaft zwischen Nicola und seinem Gangbruder Agostino auf den Prüfstand gestellt, aber sie wirklich verbunden haben wie beiden nie gewirkt. Das Drehbuch hat es nicht zugelassen.

    Ob es daran liegt dass er hier um Gewalt geht die von Jugendlichen ausgeübt wird oder nicht, aber der Film scheut sich die Praxis einer solchen Bande zu zeigen. Die meiste Gewalt findet offscreen statt. Wenn es doch einmal zu Delikten oder Auseinandersetzungen kommt, werden die Jungen eher als durchgeknallte dumme Kinder inszeniert als die Gefahr für ihre Umwelt, die sie sind.

    Der Film öffnet ein Fenster in einen sozialen Brennpunkt, den man als Außenstehender nicht unbedingt kennt, watet aber zu oft zwischen jugendfreundlicher TV-Ware und Möchtegernpaten hin und her um wirklich eine eigene Sprache und Aussage zu entwickeln.
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    17.08.2019
    23:53 Uhr