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76.7% Bewertung
  • Bewertung

    Freundliche Fremde

    Lone Scherfig ist wieder mal eine Filmperle gelungen. Sie behandelt ein ernstes Thema: Mutter Clara (Zoe Kazan) muss vor dem gewalttätigen Ehemann Richard (Esben Smet) mit ihren beiden Buben Antony und Jude nach New York fliehen. Beinahe mittellos kommt sie an die Grenze ihrer Existenz. Doch mit Mutterwitz und Mutterliebe schlägt sie sich durch die feindliche Metropole.
    Das erzählt Lone mit einer Portion Komik, die an echter Tragik immer wieder haarscharf vorbeischrammt und so entsteht eine menschlich dramatische Handlung, die echt unter die Haut geht. Und das ist bei einem Feel-Good Movie recht selten. Das Happy End ist nicht überzuckert, enthält wie gesagt nur einen Hauch von Romantik, der nach kurzer Zeit durch eine witzige Wendung ausgebremst wird. (Das Geschenk ist eine Badehose und die ist für später.)
    Clara profitiert echt von der Freundlichkeit der Fremden. Die Gejagte kennt niemanden und selbst Richards Vater lehnt es ab, ihr zu helfen. Sie taucht in ein Umfeld hilfsbereiter Mitmenschen und kann so den Kopf immer gerade noch über Wasser halten.
    Im Mittelpunkt er Hilfsoptionen steht der Hotelier Timofey (Bill Nighy). Aber auch untereinander lernen sich neue Freunde kennen und lieben: z.B. John (Jay Baruchel) und Mark (Tahar Raahm) im Stuhlkreis ‘Vergebung‘, den Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough) leitet. Besonders liebenswert ist Jeff (C.L. Jones), das linkische Faktotum, dem nichts gelingt außer das wohlwollende Mitgefühl des Publikums einzuheimsen. Der gewalttätige Richard ist für die Verbreitung von Furcht und Schrecken zuständig.
    Lones Drehbuch verheimlicht auch nicht, dass kleine Kinderseelen durch Verlust der Heimat Schaden nehmen können. Hier ist es vor allem der kleine Jude, dem es buchstäblich die Sprache verschlägt.
    Märchenhafte Entwicklungen wie die Tatsache, dass John zufällig Anwalt ist und Alice alleinstehend ist leiten mit leichter Hand das Happy End ein. Wenn der Abspann läuft, bekommt man Lust auf ein zweites Anschauen. Man hat mitgelitten und ist nur erleichtert.
    Schön, wenn es noch so liebe Leute gibt, die einem an sich fremd sind.
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    20.12.2019
    19:16 Uhr
  • Bewertung

    Compassion is the key to success

    Im diesjährigen Berlinale-Eröffnungsfilm widmet sich Regisseurin Lone Scherfig („An Education“) mehreren Personen, die allesamt mit persönlichen Problemen zu kämpfen haben und mithilfe von Mitgefühl und Nettigkeit aus ihrer Misere befreit werden. Eine großartig gespielte Tragikomödie, die jedoch zu plakativ daran versucht ist, ihre gut gemeinte Botschaft dem Zuschauer einzuhämmern. Weiters schafft es der Film nicht ganz alle Schicksale der Protagonisten in einem Film unterzubringen, weswegen einige narrative Entscheidungen willkürlich und zu erzwungen wirken. Ein insgesamt zwar zu simpel und klischeehaft geratenes Werk, das jedoch mit einer groß aufspielenden Schauspielriege und einem in heutigen Zeiten essentiellen Aufruf zu mehr Freundlichkeit und Verständnis in der Welt überzeugen kann.
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    07.02.2019
    20:48 Uhr
  • Bewertung

    Weichgespültes Moraldrama

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2019
    In ihrem neuesten Film, „The Kindness of Strangers“, beobachtet die dänische Regisseurin Lone Scherfig eine Reihe von vom Schicksal gebeutelten New Yorkern, die sich, obwohl einander völlig fremd, gegenseitig mit ein bisschen Mitgefühl bei ihren Problemen helfen. Scherfig, die bereits mit „An Education“ und „Zwei an einem Tag“ von sich reden machte, versucht sich an einem einfühlsamen Märchenstück, das aber aufgrund seiner seichten Aufarbeitung realer Probleme oft unfreiwillig zynisch und lachhaft wirkt.

    Im Zentrum dieses Hilfsbereitschaftsreigen steht Clara (Zoe Kazan), die mit ihren beiden Kindern vor dem gewalttätigen Ehemann nach New York City geflohen ist. Nachdem der von seinem Polizistensohn ehrfürchtige Schwiegervater ihr nicht helfen will, beginnt für die drei eine Odyssee durch New York, in der sie nachts in ihrem Auto schlafen und tagsüber aus Restaurants Hors d’Oeuvre klauen. In solch einem Restaurant arbeitet auch Marc (Tahar Rahim), ein Exsträfling als Manager. Er nimmt sich unter den verständnisvollen Augen seines Chefes Timofey (Bill Nighy) der Gruppe an. Gleichzeitig begleitet er seinen Freund und Anwalt John Peter (Jay Baruchel) regelmäßig zur Selbsthilfegruppe von Alice (Andrea Riseborough), einer mit ihrer Berufung hadernden Krankenschwester. Diese wiederum rettet nicht nur den beruflich ungeschicken Jeff (Caleb Landry Jones) von der Straße, sondern wird auch zur wichtigen Verbündeten für Clara, als ihr Ehemann nach ihr zu suchen beginnt.

    Die Bedeutung einer kleinen Geste und wie sie sich auf das Leben anderer auswirken kann ist die Grundthematik, die sich durch den Film zieht. Doch im Endeffekt sind die Wellen, die diese Handlungen schlagen um einiges größer als der Stein des Auslösers. Die Entwicklung der einzelnen Schicksale oszilliert somit in Sphären, die weder realistisch noch passend erscheinen. Die zufällige Verbundenheit der Figuren im Rahmen der Handlung ist eine Voraussetzung der Geschichte an sich, aber dass Obdachlosigkeit, Gewalt in der Familie oder die Berufstätigkeit nach der Haft dermaßen leicht vom Tisch gewischt werden wirkt etwas zynisch.

    Es hilft auch nicht, dass das Skript gelegentlich in überspitzte Klischees verfällt und zähneknirschende Dialoge feilbietet. Wenn Claras Sohn sie anfleht sie solle in einem Moment geistiger Ohnmacht ihre Augen nicht geschlossen lassen oder Marc attackiert er solle seine Mutter nicht anrühren, dann wirkt das weniger rührend, sondern eher als künstliches Dramatisierungsmittel in einem weichgespülten Sozialdrama. Die Darsteller wirken zudem alle etwas unterkühlt, emotionale Bindungen zu den Figuren funktioniert rein über den gelegentlichen Scherz.

    Optisch hingegen kann der Film mit schönen, satten Bildern punkten sowie mit dem Fokus auf einem New York, das nicht unbedingt regelmäßig auf den Bildschirmen auftaucht. Das Empire State Building ist nur aus der Ferne sichtbar, die Gassen und Häuser zeugen weniger von der üblichen Schickeria als Kulisse, sondern von einem geerdeten alltäglicheren New York.

    Der Film mag vielleicht jene vorübergehend abholen, die sich auf der Leinwand wiedererkennen, ist aber im Endeffekt zu illusionistisch und unfreiwillig banal, um wirklich ernst genommen werden zu können. Eine Moral der Geschichte, die weniger in Extremen hätte agieren sollen.
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    07.02.2019
    20:44 Uhr