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    Adrien lebt

    Die Wunden, die der Erste Weltkrieg geschlagen hat, heilen nur ganz langsam und verändern den, der sie davongetragen hat.
    Leutnant Adrien (Eric Caravaca) wird durch eine Bombe am Gesicht verletzt und grauenhaft entstellt. Die letzte Nacht bevor er an die Front musste, hatte er mit Clémence (Géraldine Pailhas) verbracht, einer Zufallsbekanntschaft.
    Jahre im Hospital folgen, in denen er physisch durch mehrere Operationen (André Dussollier) und psychisch durch seine Mitpatienten und vor allem durch die warmherzige fast mütterliche Schwester Anais (Sabine Azéma) auf ein Leben als Entstellter vorbereitet wird. Realistische Details machen den Plot immer wieder interessant. So z.B. wenn die Patienten in ein Bordell gehen oder Marguerite (Isabelle Renauld) auftaucht, die ihr Gehör verloren hat. Da denken selbst die Schwerverletzten nur an das Eine. Es gibt aber auch Suizidversuche.
    Regisseur Dupeyron ist eine feinfühlige und sehr komplexe Genesungsgeschichte gelungen, die auch die Personen des sozialen Umfeldes der Betroffenen miteinbezieht. Das reicht von totaler Ablehnung (Marguerites Familie) bis hin zu hilflosen Weinen (Andriens Mutter). Dabei erlebt der Zuschauer einen ähnlichen Gewöhnungsprozess wie Adriens Mitmenschen. Verständlich ist sein Wunsch nach einem Spiegel. Der folgende Schock sitzt tief. ‘Warum sind wir nicht tot?‘ Und damit wächst auch die Angst vor den Reaktionen der Mitmenschen draußen im Leben.
    Dupeyron, der auch das Drehbuch schrieb, findet einen genialen Schluss. Adrien begegnet Clémence zwar, aber sie erkennt ihn nicht. In der Bahn bringt er ein kleines Mädchen durch Grimassen dazu ihn zu konfrontieren. Sie hat den letzten Satz ‘Du bist kein Monster!‘ Die Spannung macht der Anteilnahme Platz. Und der nichtssagende Titel fällt dann auch nicht weiter ins Gewicht.
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    17.11.2018
    08:29 Uhr