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    Zuckerstangen für Zombies

    Wie sieht denn der Weltuntergang in einer schottischen Kleinstadt aus? Vielleicht genau so wie in diesem 2017 erschienenen Genremix, der sich gleich dreierlei Stilbrocken bedient, nämlich den Versatzstücken des Musicals, des Zombie- und zu guter Letzt des Weihnachtsfilms. Diese Zutaten fallen jedoch am schwächsten aus, und deswegen lässt sich Anna und die Apokalypse auch ganz bequem nach den Feiertagen genießen, wenn man auch schon ein bisschen genug hat von der ganzen Verwandtschaft, den Weihnachtsliedern und den vielen Keksen, die mittlerweile schon viel zu mürb geworden sind. Glockengeläut und Zimtstern-Folklore fehlt in diesem filmischen Wagnis so ziemlich ganz, dafür schneit es ab und an, aber der Schnee ist dann tags darauf, wenn alles den Bach runtergeht, sowieso schon wieder weg.

    Mit Musicals kann man mich schwer hinter dem Ofen hervorholen, doch wenn einer wie John McPhail es drauf anlegt, einige Klischees konterzukarieren und etwas Neues daraus zu machen, noch dazu mit Gesangseinlagen, die tatsächlich mitreißen, so schenke ich Anna und die Apokalypse nicht nur einen Blick, sondern leihe ihr auch ein Ohr. Wer überdies Stranger Things mochte und vielleicht gar nicht will, dass die schönste Zeit des Jahres bald vorbeigeht, der kann der Weihnachtsaufführung an einer High School in New Haven entgegenfiebern, die am Tag vor Heiligabend über die Bühne gehen wird. Was alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Hier bahnt sich womöglich das letzte Weihnachten im Rahmen einer zivilisierten Menschheit an, denn ein Virus greift um sich, das aus allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, zu Zombies macht. Wie diese Kreaturen ticken, wissen wir natürlich zu Genüge. Sie schlurfen und torkeln durch die Gegend, und die schiere Menge an gehirnhungrigen Kreaturen macht es aus, dass die Sache schnell zum Problem wird. Anna, ihr bester Freund John und ein paar schräge Nerds der Schule sowie der Obermacho schlechthin müssen sich zusammentun, um zumindest Annas Vater, der vom tyrannischen Direktor Mr. Savage festgehalten wird, zu befreien, um endlich dem Schlamassel entfliehen zu können. An Christbaumkauf und Weihnachtsgans ist sowieso nicht mehr zu denken. Dieses Fest fällt heuer ins Wasser, und da kommen selbst grinchgrüne Kerzenscheinbanausen schadenfroh grinsend voll auf ihre Kosten, wenn die Harmonie zu den Feiertagen einfach nicht halten will.

    Während das Escape-School-Szenario prinzipiell nichts Neues bietet, und auch die Charaktere mitunter etwas stereotyp erscheinen: die wirklichen Gewinner dieses blutigen Last Christmas-Spaßes im wahrsten Sinne des Wortes sind die ausgewogenen, enorm rhythmischen und daher auch eingängigen Gesangsnummern. Ella Hunt hat eine volle Stimme, und auch alle übrigen, bis hin zu Hunts Filmvaterfigur, entfachen die richtigen Vibes. Musikalisch dreht Anna und die Apokalypse geschickt am Regler. Was hier abgeht, hört man gern, und vielleicht auch immer wieder, wenn man den Soundtrack auf Spotify sucht. Die Nummern Hollywood Ending und Human Voice sind ganz besonders hier zu erwähnen, weil sie, verteilt auf diverse Rollen, Ensemblestücke abliefern, die mitreißende Dramatik besitzen. Dem Filmgott sei’s gedankt, dass die deutsche Snychro die Finger davon lässt, die Lyrics der einzelnen Lieder einzudeutschen, denn das ist stets ein No-Go, wie Socken zu Sandalen.

    In gutem britischem Englisch singen also all die jungen Leute, die vielleicht noch irgendwo den Highway entlang eine Zukunft haben, von Vorhersehbarkeiten und Sehnsüchten, menschlicher Nähe und Selbstreflexion. Anna und die Apokalypse ist ein Weihnachtsfilm, der gut und gern als feiermüder Digestif genossen werden kann, der die Wende schafft vom Kitsch zum kleinen Kult, ganz so wie die siebte Folge aus der sechsten Staffel von Buffy – The Vampire Slayer, in welcher Sarah Michelle Gellar, James Marsters und Co plötzlich alle ihre Stimmlagen proben. Da treffen Zyniker, Musical-Muffel und Bühnenromantiker aufeinander, und alle bringt der Film an einen Tisch. Man möchte fast meinen: eine Art Weihnachtswunder, während es draußen finster wird.

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    31.12.2022
    14:07 Uhr
  • Bewertung

    Bloody Christmas

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Blutrünstige Zombies, kitschige Weihnachtsdekoration und eingängige Popsongs. Was zunächst nach einem heillosen Genredurcheinander klingt, funktioniert in der Weihnachtsmusicalhorrortragödie „Anna and the Apocalypse“ nicht nur erstaunlich gut, sondern stellt sogar ob seines erfrischenden Humors und grandioser Musikeinlagen ein seltenes Novum an Originalität innerhalb des Genrekinos dar.

    Basierend auf dem Kurzfilm „Zombie Musical“, des mittlerweile verstorbenen Regisseurs Ryan McHenry, der 2010 für sein Werk einen BAFTA gewinnen konnte, realisierte John McPhail den Film „Anna and the Apocalypse“ als schrullig-schauriges Musical, das zwar schwer einer Kategorie zuzuordnen ist, dafür umso mehr ins Ohr geht, nicht umsonst wird das Werk als eine Mischung zwischen Edgar Wrights „Shaun of the Dead“ und dem letztjährigen Publikumsliebling „La La Land“ beschrieben. Der Film feierte seine Premiere am Fantastic Fest 2017 und soll Ende des Jahres, passend zur Weihnachtszeit, in den Kinos anlaufen.

    Der Film folgt der adoleszenten Protagonistin Anna (Ella Hunt) kurz vor Weihnachten, die nach dem Highschoolabschluss plant Australien zu bereisen, anstatt dem Wunsch ihres Vaters (Mark Benton) nachzugehen, der sie studieren sehen möchte. Nach einem heftigen Streit mit diesem trifft sie sich mit ihrem bestem Freund John (Malcolm Cunning) singend und tanzend am Weg zur Schule. Beide schaffen es dabei sämtliche Untote und das damit einhergehende Chaos, welches sich in der schottischen Kleinstadt bereits ausgebreitet hat, vollständig zu ignorieren. Umso mehr überrascht es die beiden, als sie plötzlich aus dem Nichts von einer Gestalt im Schneemannkostüm attackiert werden, die, selbst nachdem sie von einer Wippe geköpft wurde, immer noch in Beißlaune zu sein scheint. Nach einer anfänglichen Phase der Verleugnung, muss sich Anna recht schnell der Realität stellen und akzeptieren, dass sie sich inmitten einer waschechten Zombieapokalypse befinden. Als sie Schutz im lokalen Bowlingcenter finden, in dem Anna und John nebenbei arbeiten, werden sie mit den zwei Schulkollegen Steph und Chris wiedervereint, mit denen sie von da an gegen die hungrigen Wiedergänger kämpfen. Gemeinsam mit dem arroganten Nick, der sichtlich Spaß am Eliminieren der Zombies zu haben scheint, schmieden sie einen Plan, um unbeschadet zur Highschool zu gelangen, wo sie sich erhoffen wieder mit Freunden und Familie vereint zu werden. Eben noch von alltäglichen Teenagerproblemen geplagt, muss die Gruppe realisieren, dass es tatsächlich um Leben und Tod geht, und nicht jeder von ihnen den Untoten entkommen kann.

    „Anna and The Apocalypse“ bietet nicht nur Spaß und Spannung für hartgesottene Horrorfans, sondern hat auch für Nicht-Genrebegeisterte allerhand Sehenswertes. Der Film funktioniert auf emotionaler Ebene hervorragend, er vermittelt über Heiterkeit, Skurrilität, Trauer und Ekel eine ganze Bandbreite an Gefühlen, und dennoch gelingt es ihm nie in Richtung Kitsch abzudriften. Neben den gelungenen darstellerischen Leistungen, sind vor allem die musikalischen hervorzuheben, die nicht nur catchy und eingängig sind, sondern gleichzeitig eine wunderbare Symbiose mit der schräg-schaurigen Atmosphäre eingehen und diese zusätzlich untermalt. Auch wenn die einzelnen Charaktere stark überzeichnet sind und gängige Horrortropen bewusst etabliert werden, so bleibt dem Narrativ trotzdem etwas Einzigartiges haften.

    Dem Film gelingt es zusätzlich ein Ende zu schaffen, dass weder forciert noch konstruiert wirkt und dem Zuseher Raum gibt, sich selbst eine Bedeutung zu wählen, denn wie bereits im wohl wichtigsten Song des Films angekündigt wurde : „There’s no such things as a Hollywood ending!“

    Übrigens: Das Team des Slashfestivals hat sich zur Premiere des Films etwas ganz Besonderes überlegt und das Filmcasino im Rahmen von „Weihnachten im September“ in ein Weihnachtswunderland mit Keksen, Punsch und dazu passender Musik verwandelt.
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    26.09.2018
    16:55 Uhr