2 Einträge
2 Bewertungen
67.5% Bewertung
  • Bewertung

    Ein Gefühl, als wäre man tot

    Zombies sind längst keine Kreaturen mehr, die aufgrund des Willens unbekannter Mächte aus den Gräbern steigen, ihre halb verwesten Arme durch den Erdboden recken und dann, taumelnd und stolpernd, dem Geruch frischer, menschlicher Gehirne folgen. Untote sind mittlerweile meist bemitleidenswerte Opfer eines Virus oder anderer Organismen, ganz so, wie es The Last of Us mit einem Pilzgericht zuletzt auf den Tisch gebracht hat. Es mag daher wieder begrüßenswert sein, wenn sich Storyteller an die Essenz des Zombie-Daseins rückbesinnen und jeden auch nur ansatzweise wissenschaftlichen Unterbau, so trivial er auch sein mag, beiseiteschaffen. Das macht das Ganze nämlich noch interessanter. George A. Romero wusste das. Sein Klassiker The Night of the Living Dead hütet sich tunlichst davor, irgendwelche Ursachen zu ergründen.

    Warum also dieses Mädchen hier mehr tot als lebendig und wie ein Tier Besuchern eines Waldstückes auflauert, das sich Devils Den nennt, weiß niemand. Das Wesen bewohnt die Immobilie ihrer Mutter, welches mittlerweile auch schon so aussieht, als wäre Norman Bates schon jahrelang nicht mehr hier gewesen. Wie ein düsteres Hexenhaus, prädestiniert für dunklen Zauber, lädt es nicht gerade dazu ein, dort Zuflucht zu suchen. Einer tut es aber trotzdem: der Kidnapper und Mörder Josef, gespielt von Karl Markovics. Da die Untote auf Menschenfleisch steht, dauert es nicht lange, und der Flüchtige existiert nicht mehr. Was er hinterlässt, ist mehr als sonderbar, und lässt sogar eine verfluchte Kreatur wie das Mädchen Mina schier pass erstaunt sein: Im Wagen des Kriminellen kauert ein blinder Junge im Kofferraum – sein Peiniger hat ihn geblendet, er gilt landesweit als vermisst. Die beiden verunstalteten jungen Leute tun sich zusammen, und das funktioniert vielleicht deswegen so gut, weil Alex gar nicht weiß, womit er es mit Mina zu tun hat. Wer rechnet schon damit, einem Zombie zu folgen. Bald sind beide auf der Flucht, und währenddessen unterläuft das Mädchen eine Metamorphose, die sich ebenso niemand erklären kann wie die Grundmechanismen dieses Films.

    Finstere Wälder, finstere Orte, ein finsteres Mädchen mit entstelltem Gesicht, gierig nach Menschenfleisch. Ein Teenie ohne Augen, der sein Schicksal relativ gottgegeben hinnimmt, ohne den Verstand zu verlieren. Der von Justin P. Lange und Kameramann Clemens Hufnagl inszenierte Film schickt die Keller-Versionen von Hänsel & Gretel durch den Wald – wie sie wohl geworden wären, wenn die Hexe nebst eines stattlichen Hungers nach zarten Schenkeln noch über dunkle Magie verfügt hätte. Wäre diese nicht ins Feuer gestoßen worden und wären die beiden Kids auf andere Art entkommen, hätte die grantige Alte den beiden noch so einige Flüche an den Hals schicken können. Und genau da sind wir nun, in The Dark – einer Variation des Zombie-Films, die sich ganz gut mit Coming of Age versteht und ihren Schauplatz trotz österreichischen Ursprungs irritierend amerikanisch hält. In dieser Alternativwelt ist einiges Metaphysisches inhärent, und ja, man will und kann es ruhig glauben.

    So stilsicher die Finsternis in diesem Thriller auch umgesetzt wurde, so wenig berührt das Schicksal der beiden Protagonisten. Vielleicht, weil The Dark versucht, zumindest in den Biografien der beiden deren Geschichten von Missbrauch und Gewalt zu ergründen, und das auf eine Weise, die der geheimnisvollen Inszenierung aufgrund einer so routinierten wie beiläufigen Darstellung entgegenläuft. Somit ist der Plot zu verhalten geraten, und lieber hätte ich in diesem Film gar nichts erklärt bekommen, sondern hätte mit den wenigen Fakten leben können, dass zwei dem Schicksal überlassene Ausgestoßene einfach nur irgendwie die Kurve kriegen wollen.


    Mehr Reviews und Analysen gibt's auf filmgenuss.com!
    filmgenuss_logo_quadrat_2a3baf4bcc.jpg
    29.06.2023
    14:44 Uhr
  • Bewertung

    Wutbürger im Wald

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Der Mensch als Untersuchungsobjekt steht im Mittelpunkt des ersten abendfüllenden Spielfilms von Regisseur Justin P. Lange. Es ist ein österreichischer Horrorfilm, der sehr facettenreich und unterhaltsam ist und dabei wohl auch langfristig auf sein Publikum wirken wird. Angefangen von den schauspielerischen Leistungen bis zur spannenden sich langsam entfaltenden Handlung, die die österreichische wenig weit zurückliegende dunkle Geschichte ebenso porträtiert, wie die seelischen Abgründe der Menschheit überall auf der Welt.

    Im Fokus des Films steht also der Mensch und dieser wird nicht unbedingt positiv von den Filmemachern skizziert. Nur soviel sei verraten, zumindest drei der zehn Gebote aus der Bibel werden verletzt und es geschieht noch so einiges mehr. Die Handlung spielt bis auf eine kurze Anfangssequenz, die aber auch schon auf den teuflischen Wald namens „Devils Den“ referiert, in eben jenem. In diesem dunklen, seit Jahren unbewohnten Wald soll sich laut den Anwohnern der näheren Umgebung ein Monster herumtreiben, dass alles was sich in den Wald hinein begibt zerfetzt und verspeist. In eben jenem Wald treffen aus zwei verschiedenen unglücklichen Entwicklungen Alex und Mina aufeinander. Beide sind Jugendliche, die auf den Rest der Welt zurzeit nicht allzu gut zu sprechen und deswegen die Dunkelheit und Abgeschiedenheit des Waldes eher als anziehend als abschreckend empfinden.

    Den beiden Protagonisten wurde in ihrer kurzen Lebensspanne schon sehr schlimm mitgespielt und so hegen beide in ihrem Innern eine große Wut gegenüber der Außenwelt. Da sie aber nach und nach erfahren, dass sie ein ähnliches Schicksal teilen, entwickelt sich zwischen den zweien rasch eine starke Bindung. Genau diese Bindung heißt es im Laufe des Filmes aber zu schützen, da sie von Außen gekappt werden will. Wut eint die beiden. Eine Wut auf die vielfachen seelischen Abgründe der Menschheit, denen sie zum Teil zum Opfer gefallen sind und von denen sie versuchen Abstand zu halten. Aber dieser Abstand wird nicht toleriert und deshalb wird versucht die beiden im Laufe des Films in gewisser Weise wieder in das alltägliche Leben zu integrieren.

    „The Dark“ ist ein überaus kluger Film, der uns zeigt, nicht immer nur nach dem Äußeren zu gehen, sondern genauer auf das Innere und das Gesagte zu achten. Der Filmemacher hält uns dabei den Spiegel vor und zeigt, dass wir einer Gesellschaft angehören, die diesen Missstand verinnerlicht hat. Ein Werk das außerdem schildert, dass durch Ausgrenzung und Ungerechtigkeit nur mehr Hass, Wut und Gewalt entsteht.
    pramberger_4f425c45c7.jpg
    26.09.2018
    16:18 Uhr