2 Einträge
4 Bewertungen
82.5% Bewertung
  • Bewertung

    Feines Genrekino aus Österreich

    So schön es auch ist, dass so ein vielfältiges Festival wie die Diagonale direkt in meiner Heimatstadt stattfindet, so fehlt mir manchmal die Vorführung von mutigeren, gewagteren Genrefilmen, insbesondere im Horrorbereich. Kein Wunder, dass ich mich sehr gefreut habe, dass es dieses Jahr ein Film wie "Hagazussa" ins Programm geschafft hat. Der Film hat eine außerordentlich schöne Bildgestaltung, vor allem wenn man bedenkt, dass der Film (laut eigenen Aussagen des Regisseurs) mit einem sehr geringen Budget zu kämpfen hatte. Die langen, dialogarmen Sequenzen bauen die Stimmung gekonnt auf und tragen einen großen Anteil daran, Unbehagen und Grusel beim Zuseher auszulösen. Sehr zu empfehlen!
    img_20211124_211334_170_479b6b0698.jpg
    25.03.2018
    19:19 Uhr
  • Bewertung

    Eine atmosphärische und subtile Dekonstruktion der Hexenhysterie

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Filmfestivals sind immer so eine Sache; einerseits beinhalten sie die Chance ein verborgenes Juwel zu genießen bevor der Film der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, andererseits besteht die Gefahr wertvolle Lebenszeit mit etwas zu vergeuden, was einmal jemand irrenderweise für einen künstlerischen Einfall hielt. Passt ein Festivalfilm thematisch in meine Kolumne, so bin ich allerdings stets bereit dieses Risiko einzugehen, besonders wenn er sich dabei um das Thema Hexen handelt. Von „Black Sunday, über „Suspiria“ bis hin zu „The Witch“, Hexen gehören seit jeher zu meinen liebsten Wesen im Horrorgenre. Umso mehr freute ich mich mit „Hagazussa“ einen Hexenfilm aus heimischen Gefilden auf der „Diagonale“ bewundern zu dürfen. Der Filmtitel ist ein sehr reizender Etikettenschwindel, schließlich ist hagazussa ein althochdeutscher Ausdruck für Hexe, der Film selbst spielt jedoch im 15. Jahrhundert, also gut 400 Jahre nach dem Althochdeutsch gesprochen wurde. Was allerdings nicht weiter schlimm ist, denn immerhin handelt es sich hierbei um einen Horrorfilm und keine historische Dokumentation.

    Die junge Albrun lebt zusammen mit ihrer Mutter am Rande eines spärlich besiedelnden Dorfes in den österreichischen Alpen des Spätmittelalters. Bereits als Kind ist sie dem psychologischen Terror der Dorfbevölkerung ausgesetzt, denn ihre Mutter gilt als Hexe, ein Stigma das durch ihre Geburt auch Albrun anhaftet. Sie selbst beginnt an ihrer eigenen Identität sowie jener der Mutter zu zweifeln und fragt sich ob die Dorfbewohner recht haben und es sich bei ihnen tatsächlich um Hexen handelt. Sind es Vorurteile und Ausgrenzung die daran Schuld sind oder verbirgt sich in den alpinen Wäldern tatsächlich eine dunkle Kraft?

    Ich muss sagen … ein eindrucksvolles Spielfilmdebüt!

    Es ist kaum zu glauben, aber bei „Hagazussa“ handelt es sich um das akademische Abschlussprojekt des österreichischen Regisseurs Lukas Feigelfeld. Die Kameraarbeit ist beeindruckend, der Ton grandios, das Drehbuch spannend und das Schauspiel eine Augenweide. Kurzum, alles an diesem Film wirkt professionell und Feigelfelds Debütwerk wurde zurecht mit den Diagonale-Preisen für Sounddesign und Bildgestaltung bedacht. Historisch spielt dieser Film in einer Zeit nach der Veröffentlichungen des berühmt berüchtigten Werkes „Malleus Maleficarum“ (Hexenhammer) des Dominikanermönches Heinrich Kramer. Zwar wurde diese Schrift nie offiziell von der Kirche anerkannt, aber hatte dennoch einen entscheidenden Einfluss auf Hexenverfolgungen bis hin in die Frühe Neuzeit. Feigelfeld gelingt es diese Atmosphäre von Ausgrenzung und Verfolgung wunderbar darzustellen, denn es sind nicht die vermeintlichen Hexen, sondern vielmehr die Dorfbewohner, die als Antagonisten für das bedrohliche Klima verantwortlich sind. Trotz seiner historischen Rahmenhandlung, versprüht „Hagazussa“ eine gewisse Zeitlosigkeit und hätte genau so gut im Alpenraum des späten 19. Jahrhunderts spielen können. Nicht bloß, weil der im Film verwendete Dialekt nicht zeitgenössisch ist, sondern vielmehr weil der Aberglaube an Hexen und anderen Wesen der Folklore im Alpinen Raum sehr tiefe Wurzeln hat. Eine ebenso zeitlose Wirkung hat der ausgesprochen atmosphärische Score des Musikprojekts MMMD, der es vermag das schaurige und poetische Ambiente dieses Films einzufangen.

    Die Besetzung eines Independent-Films ist kein leichtes Unterfangen. In den meisten Fällen geht es hierbei weniger darum wen man gerne hätte, sondern vielmehr wen überhaupt man bekommen kann. Feigelfeld entpuppte sich als regelrechter Meister in diesem Spiel und ihm gelang es ein äußert talentiertes Ensemble anzustellen. Besonders bemerkenswert sind jene zwei Schauspielerinnen, die die Rolle der Protagonistin einnehmen. Die junge Albrun wird von Celina Peter, einer Verwandten des Regisseurs, auf eine beeindruckende Art und Weise gespielt und schafft es die Ängste und Sorgen eines jungen Menschen zu vermitteln. Für die erwachsene Albrun engagierte Feigelfeld Aleksandra Cwen, mit der er bereits in seinem Kurzfilm „Interferenz“ zusammenarbeite. Cwen überzeugt unter anderem durch ihre Körpersprache und lässt den eher wortkargen Charakter der Albrun dadurch nicht vollends schweigen.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Im Rahmen der Vorführung auf der Diagonale hatte ich die Möglichkeit dem Regisseur einige Fragen zu stellen. Als jemand der sich am 2015 erschienenen Werk „The Witch“ nicht satt sehen kann, gefiel mir vor allem die ähnlich wirkende Atmosphäre und ich fragte mich ob Robert Eggers Überraschungserfolg ein Vorbild für „Hagazussa“ gewesen ist. Im Gespräch ergab sich, dass Feigelfeld bereits an seinen Film arbeitete bevor „The Witch“ veröffentlicht wurde. Obwohl der Erfolg von „The Witch“ gerade international viele Türen öffnete, war Feigelfeld zunächst nicht allzu glücklich darüber, dass ihm jemand mit einem ähnlich wirkenden Werk zuvor gekommen ist, verwies aber auch darauf, dass sein Film einen realistischeren Zugang zum Thema Hexen hat, während „The Witch“ durch und durch fantastisch sei.

    Trotz dieses realistischen Zugangs bin ich der Meinung, dass man „Hagazussa“ gewisse fantastische Elemente nicht absprechen kann. Der Film bewegt sich ständig an der Grenze zwischen Realismus und Okkultismus und lässt das Publikum entscheiden welche Art von Film sie sehen wollen. Ein Zugang der mir als Freund des fantastischen Films sehr gefällt, denn ohne diese Zwiespältigkeit und seinem kryptischen Umgang mit Hexerei hätte mich dieses Werk, trotz seiner Qualität, wohl nicht angesprochen. Somit ist es gänzlich uns überlassen, ob wir diesen Film als ein realistisches Drama, das die Unterdrückung und Hilfelosigkeit von Randgruppen schildert oder als einen atmosphärischen Horrorfilm der mit Folklore spielt, betrachten. Fans beider Zugänge sollten an „Hagazussa“ gefallen finden, weswegen dieser Film klarerweise eines freitäglichen Filmabends würdig ist!

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
    https://goo.gl/oYL4qZ
    screenshot_20230313_084016_instagram_41406a0cb9.jpg
    23.03.2018
    22:54 Uhr