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4 Bewertungen
85% Bewertung
  • Bewertung

    Wer vergisst schneller der Verlassene oder der, der verlassen hat?

    ein wunderbarer Film mit einem offenen Ende, zwar ein bisschen in der Handlung stecken geblieben.. soll ich Marseille verlassen oder nicht?

    aber alles in allem würde ich sagen, der Film ist sehr gelungen!

    werde noch länger über diesen Film nachdenken..
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    06.05.2018
    23:34 Uhr
  • Bewertung

    On a road to nowhere

    Die deutsche Schriftstellerin Anna Seghers veröffentlichte unter dem Titel "Transit" im Jahre 1947 einen semi-autobiographischen Roman, den sie während ihrer Zeit im mexikanischen Exil Anfang der 40er-Jahre verfasste. In diesem erzählte sie von Exilanten, die während des Zweiten Weltkriegs in Marseilles auf nötige Visa oder Bescheinigungen warten müssen, die es ihnen erlauben würden, den Kontinenten zu verlassen. Unter diesen befindet sich auch der namenlose Protagonist, der mit den Papieren eines verstorbenen Mannes, schnellstmöglich aus Europa flüchten möchte. Während seiner elendigen Warterei trifft er auf die junge Marie, die sehnlichst auf die Ankunft ihres Mannes wartet. In ihrer Einsamkeit beginnen die beiden eine Affäre zueinander.

    Eben dieser Geschichte widmet sich Regisseur Christian Petzold (u.A.: Phoenix, Barbara) in seinem Film, der den gleichnamigen Titel trägt. Das Besondere: Petzold hat das ursprüngliche Setting des Romans in die Moderne verfrachtet und den namenlosen Protagonisten in Georg umgetauft. Obwohl der Film also narrativ trotzdem noch zur Zeit des Dritten Reiches angesiedelt ist, bewegen sich die Figuren optisch gesehen im 21. Jahrhundert fort. Eine stilistische Entscheidung, die einige Zuschauer vermutlich abschrecken wird und eventuell sehr schräg daherkommen könnte.

    Eben diese Entscheidung ist aber genau der Aspekt des Films, der das Drama in meinen Augen qualitativ aus der Vielzahl deutscher Kriegsfilme herausragen lässt. Durch die Verfrachtung des Settings lässt Petzold sein Werk nämlich nie zur klassischen Holocaust-Aufarbeitung verkommen, sondern wird zu einer zeitlosen Parabel über Menschen auf der Flucht. In einer Zeit, in der die Flüchtlingsthematik aktueller denn je ist, könnte dieser Film kaum zu einem besseren Zeitpunkt in die Kinos kommen.

    Durch die moderne Szenerie und den deutschsprachigen Protagonisten fällt es einem auch als sicherer Europäer besonders einfach in den Film einzutauchen und mit den Schicksalen der Charaktere mitzufiebern. Petzold verdeutlicht somit auf unbequeme Art und Weise wie auch heutzutage noch des Öfteren mit Flüchtlingen umgegangen wird.

    Georg (von einem unglaublich ausdrucksstarken Franz Rogowski verkörpert) wird gleich zu Beginn gesagt, dass er nur in Marseilles verweilen darf, wenn er denn nachweisen kann, dass er die Stadt auch wieder verlassen kann. Eben diese Objektifizierung von sich der Flucht befindenden Menschen, lässt große Parallelen zur Behandlung von Flüchtlingen im 21. Jahrhundert ziehen. Anstatt ihnen mit Empathie entgegen zu kommen, lassen wir Leute, die fast alles verloren haben, noch zusätzlich auf ihrer existenziellen Ungewissheit sitzen. Durch die Liebesgeschichte, die hier auf eine fast schon Film noir-esque Art und Weise kreiert wird, zeigt Petzold, dass Zuneigung und Liebe oft die größte Rettung für Menschen in der Not sein können.

    Wenn dann im Abspann auch noch "Road to Nowhere" von Talking Heads erklingt, wird die Botschaft des Films noch einmal deutlich gemacht: In der (auch heute) oft inhumanen Behandlung von Flüchtenden, werden diese ohne festen Bescheid zumeist einfach wie Objekte, von Land zu Land geschickt und müssen zudem häufig Spott und Hohn auf sich ziehen. Sie befinden sich somit auf einer Straße ins Nirgendwo. Der Ausweg? Empathie und Menschlichkeit.

    "Transit" ist ein filmisches Experiment, das in seiner schonungslosen Darstellung die Odysee einer Gruppe europäischer Flüchtlinge in einem zeitgemäßen Setting thematisiert. Sehr kraftvolles Kino aus Deutschland!
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    25.04.2018
    22:57 Uhr
  • Bewertung

    Flüchtlingsdrama mit Meta-Ebene

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Eigentlich mag Regisseur Christian Petzold keine Romanverfilmungen. Das Buch „Transit“ der Holocaust-Überlebenden Anna Seghers hattes es ihm dann doch angetan. Doch sein Film ist kein einfaches Abziehbild der literarischen Vorlage. Petzold erzählt die Geschichte der Flüchtlinge, die in der Hafenstadt Marseille festsitzen, vor einem kontemporären Backdrop. Eine interessante Entscheidung, die dem Zweiter Weltkrieg Drama einen interessanten Spin verleiht.

    Irgendwann im besetzten Frankreich. Der deutsche Flüchtling Georg (Franz Rogowski) entkommt den deutschen Truppen in letzter Minute und flieht aus Paris nach Marseille. Mit dabei die Hinterlassenschaft des Schriftstellers Weidel, der sich aus Angst vor seinen Verfolgern das Leben genommen hat. Darunter befindet sich auch ein Visum der mexikanischen Botschaft. In Marseille muss er beweisen, dass er nicht vor hat zu bleiben, also beginnt er sich als Weidel auszugeben um so eine Ausreise per Schiff zu organisieren. Er freundet sich mit dem jungen Driss an, dem illegitimen Kind seines Kameraden Heinz und begegnet auch dem deutschen Paar Richard (Godehard Giese) und Marie (Paula Beer). Er fühlt sich sofort zu Marie hingezogen und wie sich herausstellt, ist sie die unwissende Witwe Weidels, die noch immer auf ihn wartet. Mit den vorrückenden deutschen Truppen im Nacken muss Georg sich entscheiden, wie er weiter mit Marie verfahren wird.

    Die Entscheidung, die Handlung in der Jetztzeit spielen zu lassen, schafft klare Parallelen zur Gegenwart, erinnert den Zuschauer daran, dass die Situation für Flüchtlinge heutzutage nicht viel anders ist. „Mein Sohn, weil sich alle Länder fürchten, dass wir statt durchzuziehen, bleiben wollen. Ein Transit - das ist die Erlaubnis, ein Land zu durchfahren, wenn es feststeht, dass man nicht bleiben will“, schreibt Seghers in ihrem Roman. Eine Aussage, die sich 1:1 auf die moderne Flüchtlingskrise und die Reaktionen der EU-Länder umlegen lässt.

    Es ist auch dieser Zwischenraum, der Petzold besonders fasziniert. Fast transluzid, entfernt und in einem Nirgendwo verortet er seine Figuren. Ein Zwischenraum, eine Metaebene in der sie nur zum Existieren verdonnert sind, zum Warten auf das Unvermeidliche. Figuren werden charakterlich angerissen, aber nicht weitgehend ausgearbeitet um eine Bindung aufzubauen. Sie sind die unsichtbare Masse, die Fülle an Schicksalen, die nur peripher erahnt werden kann und zu oft der Verfolgung und der Verzweiflung zum Opfer fällt. Für Fans eines klassischen Weltkriegsdramas wird das vielleicht etwas zu bizarr sein. Für jene, die den künstlerischen Mut schätzen, eine sich lohnende Erfahrung.
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    28.03.2018
    15:19 Uhr