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    Übernatürliche Militäroper

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Die Fähigkeit der Geduld und des ausgeprägten Sitzfleisches sind zwei Standardvoraussetzungen für jeden Film des philippinischen Regisseurs Lav Diaz. Erst 2016 war er auf der Berlinale mit einem acht Stunden Werk vertreten gewesen. Mit seinem neuesten Film, „Ang Panahon ng Halimaw“, setzt er seine Zuschauer neuen Herausforderungen aus. Weniger wegen der Länge, die ist bei vier Stunden vergleichsweise kurz. Vielmehr ist es der experimentelle Zugang eine „Rock Oper“ über das Regime von Ferdinand Marcos in den 70ern zu drehen, der dem Zuschauer diesmal zu viel abverlangt.

    Die Handlung spielt sich großteils in der kleinen Stadt Ginto im Jahr 1979 ab. Ein weiblicher Soldat (Hazel Orencio) und ein Mann mit vernarbten Gesicht (Joel Saracho) besingen, wie sie mit ihrer paramilitärischen Truppe die Bevölkerung einschüchtern wollen. Lorena Haniway (Shaina Magdayao), eine junge idealistische Frau, zieht in das Dorf um eine Klinik einzurichten. Sie lässt ihren Mann, den Dichter Hugo (Piolo Pascual) zurück, der sich in ihrer Abwesenheit der Flasche zuwendet und die Avancen einer jungen gläubigen Frau, Angelita (Angel Aquino) abwehrt. Hugo erhält auch Gesellschaft von einer anderen Frau (Bituin Escalante), die ihm Film ohne Namen auskommen muss aber im Abspann als „Kwentista“ bezeichnet wird. Sie fungiert als Chorfigur zu Hugos Handlungsbogen. Schlussendlich folgt Hugo seiner Frau nach Ginto, wo Narciso (Noel Sto Domingo) mit eiserner Faust über die Bevölkerung herrscht.

    Ungleich anderer Filme von Diaz, die trotz seiner Tendenz lange ruhige Filme mit wenig aktiver Handlung zu drehen, einigermaßen massentauglich sind und auch weitgehend in der realen Welt verankert sind, wird „Season of the Devil“ weniger Fans finden. Musik und Träume sind nichts Neues im filmischen Diaz-Universum. In dieser Inkarnation fordert er aber die die Sehgewohnheiten der Zuschauer aggressiver heraus, pendelt auf einer Metaebene zwischen Realität und Fantasy und verdoppelt seine Charaktere und Handlungsstränge durch übernatürliche und phantastische Erweiterungen. Es wirkt teilweise experimentell, wenn Figuren mit Augenbinden im Hintergrund stehen, während im Vordergrund die Figuren statt Konversation zu betreiben sich in Duetten besingen, deren Inhalte durch konstante Wiederholung spiegeln und danach in einen „la la la“ Chorus ausbrechen.

    Die Wiederholung des Gesungenen wird durch Symbolik und traumhafte Elemente noch weiter ins Extreme verschoben. Narciso etwa hat ein zweites Gesicht am Hinterkopf im Stile Voldemorts, dämonenhafte Figuren manifestieren sich immer wieder gegenüber einen kleinen Jungen, der als junge Version Hugos interpretiert werden kann. Den größten Terror schaffen jedoch jene Szenen die in der Realität verankert sind und deren Gewalt durch die Absurdität des Gesangs noch weiter amplifiziert wird. Während die Truppe den „Talampunay Blues“ singt, wird Lorena unter Drogen gesetzt und vergewaltigt.

    Es ist klar, dass der historische Hintergrund des Films Diaz sehr am Herzen liegt. Egal wie poetisch die Filmsprache, der Grundtenor seiner Botschaft ist wütend und anklagend. Durch die kreative Umsetzung fällt es dem Zuseher aber schwer, zu dem Film eine Bindung aufzubauen. So wurde der Film ja zum ersten Berlinale-Wettbewerbsbeitrag, aus dem die Presse en masse hinausmarschiert ist.
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    03.04.2018
    23:50 Uhr