Forum zu Astrid

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    Herzenswärme und Verstand

    Bereits als Kind verschlang ich die Werke von Astrid Lindgren und konnte nicht genug bekommen von ihren Romanfiguren und deren Abenteuer.
    Erwachsen geworden verfolgte ich die Aktivitäten dieser wunderbaren Schriftstellerin für die Rechte der Kinder und für den Tierschutz:
    Im Jugendbuch "Meine Kuh will auch Spaß haben" bringt sie jungen Menschen nahe, dass auch Tiere Rechte haben. Jahrzehntelang setzte sie sich u.a. für bessere Haltungsbedingungen von Nutztieren ein und wurde für ihr Wirken 1994 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
    An ihrem achzigsten Geburtstag im Jahre 1987 erhielt Schweden mit der "Lex Astrid" bzw. "Lex Lindgren" das zur damaligen Zeit strengste Tierschutzgesetz der Welt.
    Im Biopic "Astrid" lernt man die Jugendliche Astrid Ericsson in Rückblenden kennen:
    Die schwedische Schauspielerin Alba August lässt uns einen Blick auf die Jugend der späteren großen Schriftstellerin werfen, die in einer kleinen schwedischen Gemeinde aufwächst. Obwohl sehr religiös erzogen, sehnt sich phantasievolle Astrid nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben. Sie schwimmt gegen den Strom und wählt nicht immer den einfachsten Weg. So weigert sie sich, den Vater ihres unehelich geborenen Sohnes (was für ein Skandal in der damaligen Zeit) zu heiraten und gibt ihr Kind zu einer Pflegemutter nach Dänemark, weil sie selbst nicht für das Kleine sorgen kann. Erst nach Jahren voller Ängste als Mutter zu versagen, kann sie ihren Sohn zu sich nehmen. Damals mit 23 Jahren lernt sie Sture Lindgren, ihren späteren Ehemann, kennen. Dieser erkennt ihre menschliche Größe und unterstützt sievon Anfang an.
    Sehr schön fand ich im Film etwa jene Szene, in der sie sich bei ihm mit dem einfachen Satz: "Sie sind ein feiner Mensch" bedankt.
    Eigentlich ist der gesamte Film ein Meisterwerk, der Einblick in die Jugendjahre eines großen einzigartigen Menschen gibt.
    14.12.2018
    17:32 Uhr
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    Rebellion in Bullerbü

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    In Österreich, heisst es, muß man erst sterben um berühmt zu werden. Auf Astrid Lindgren traf das nicht zu. Sie war schon zu Lebzeiten eine der bekanntesten Frauen des 20. Jahrhunderts. Der Mensch hinter der einflußreichsten Kinderbuchautorin wird allerdings wirklich erst posthum mehr und mehr entdeckt. Es ist als würden die erwachsenen gewordenen Kinder im Haus ihrer verstorbenen Geschichtenerzählerin aufräumen. So sind in den letzten Jahren etwa ihre hellsichtigen Tagebücher aus der Zeit des 2. Weltkrieges veröffentlicht worden („Die Menschheit hat den Verstand verloren“).

    „Unga Astrid“ portraitiert die spätere Schriftstellerin in einer ihrer wichtigsten Lebensphasen noch einmal zehn bis fünfzehn Jahre früher. Das familiäre Idyll am elterlichen Hof wird der Sechzehnjährigen langsam zu eng – oder besser: sie wird dafür zu groß. Unkonventionelles Denken, überbordende Fantasie und fröhliches Grenzen überschreiten wäre einem Kind durchaus noch zugestanden, aber von einer jungen Erwachsenen wird erwartet, dass sie sich den Konventionen fügt. Aber Astrids Eltern sind tolerant, versuchen ihren Willen nicht zu brechen, sondern sie ihren Talenten gemäß zu fördern. So ist es ihr Vater, der ihr einen ersten Job als Redaktionsassistentin beim Lokalblatt ans Herz legt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich allerdings auch bald eine Affäre mit dem deutlich älteren und auch noch verheirateten Herausgeber und das passt dann schon weniger in den Rahmen. Dass die junge ledige Mutter sich dann nicht für den naheliegendsten Weg entscheidet, den Vater ihres Sohnes auch zu heiraten, ist der letzte große Schritt auf ihrem Weg zur autonomen Persönlichkeit.

    Dieser Film ist europäisches Erzählkino nach allen Regeln der Kunst. Prall und doch nicht überladen, mit perfekter Arbeit aus allen Abteilungen: Musik, Ausstattung, Drehbuch, Kamera... und am wichtigsten: Schauspiel. Alba August brilliert in der Titelrolle und vollbringt das Kunststück die Entwicklung vom großen Kind, über die junge Frau zur selbstbewussten Alleinerzieherin glaubhaft darzustellen.

    Je mehr man auf das Werden der Astrid Lindgren blickt, desto klarer wird was ihre Größe im Leben und als Schriftstellerin ausmachte: sie hat sich und ihren Lesern nie die schwierigen und dunklen Seiten des Daseins erspart. Und gerade das machte sie so überzeugend und liebenswürdig.
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    23.02.2018
    20:46 Uhr