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85% Bewertung
  • Bewertung

    The Old House Bookshop

    Qualität muss nicht notwendigerweise an einen Wohlfühlfilm gebunden sein. Dieses Drama von Isabel Coixet hinterlässt einen tiefen Eindruck, denn es ist eine Kampfansage an das Buch als solches. Und entgegen unserer Sehgewohnheiten ist am Ende zwar nicht alles F.F.E., aber die reinigende Kraft des Feuers hat auch ihr Gutes.
    Die Titelfigur (Emily Mortimer) will auf dem Lande einen Buchladen eröffnen. Sie hat sich dafür The Old House ausgesucht, ein renovier bedürftiges Gebäude. Es gibt massive Opposition von Generalsgattin Gamart (Patricia Clarkson), die hier ein Kulturzentrum einrichten will. Unbeirrt macht Florence weiter: Christine (Honor Kneafsey) eine Schülerin aus der Nachbarschaft hilft ihr, Playboy Milo (James Lance) schlägt vor Nabokovs LOLITA zum Verkauf anzubieten, um die Dörfler in Aufruhr zu versetzen. Als auch der ältere Nachbar Mr. Brundish (Bill Nighy), eine Lesefreak, ihr zum Verkauf rät, stellt sie es aus und setzt eine katastrophale Entwicklung in Gang. Die Buschtommeln des Dorfes verbreiten jedes Detail im Sinne von Frau Gamart: Menschenauflauf vor dem Schaufenster bewirkt einen Verkehrsstau, Christines Freundschaftsdienst wird als Kinderarbeit deklariert. Ein Gesetzesparagraph wird bemüht, Behörden deklarieren das Haus als unbewohnbar, um Florence zum Aufgeben zu bewegen.
    Nebenher hat sich über die Bücher ein ganz zaghaftes, distanziertes Verhältnis zwischen Florence und Mr Brundish entwickelt. Ihr Zusammentreffen bei einer Tasse Tee, von der niemand einen Schluck nimmt, sowie am Strand sind die Highlights des Films: Emily und Bill bieten selten gesehene, stumme, fast körperlose Berührungen. Ein ganz verstohlen versuchter Handkuss ist bereits die reine Erfüllung.
    Mr. Brundish redet mit Mrs. Gamart. Die erfolglose Hilfe überlebt er nicht. Florence reist ab. Christine winkt zum Abschied. Sie hat das Heizöfchen im Old House angelassen. Rauch steigt auf…
    Wir sehen keine Sommerbilder, nur Aufnahmen eines nasskalten Winters. Bis auf Florence und Brundish sind alle Figuren hinterlistig, fast feindselig. Und bezüglich Christine hat Drehbuchautorin Coixet am Ende noch eine Überraschung parat.
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    07.11.2020
    12:28 Uhr
  • Bewertung

    Nicht nur für Bücherfreunde

    Bei dieser Literaturverfilmung von Isabel Coixet wird die Geschichte der jungen Witwe Florence Green (Emily Mortimer) erzählt, die in einem englischen Küstenstädtchen in den späten Fünfzigerjahren eine Buchhandlung eröffnet.
    Allerdings hat sie nicht mit der Macht der missgünstigen Societylady Violet (Patricia Clarson) gerechnet, die mit allen Mitteln versucht, dass der Buchladen wieder geschlossen wird. Nur wenige der unter Druck gesetzten Einheimischen stehen offen zu Florence, die sich nicht unterkriegen lassen will. Ihr zur Seite steht ein zurückgezogen lebender Bücherfreund, der wie sie "anders" ist und wie sie von Verlust und Trauer erfüllt ist. Dieser Mr. Brundish (Bill Nighy) unterstützt Florence bei ihrem Kampf gegen die Engstirnigkeit der Bevölkerung und ihre kunstaffine Widersacherin Violet.
    Dieses ruhig inszenierte Drama besticht besonders durch die Hauptdarsteller - zwei einsame Seelen, die anfangs nur die Liebe zur Literatur verbindet...
    Eine wunderbare Verfilmung, die man immer wieder sehen könnte.
    (FILMFRÜHSTÜCK)
    01.12.2018
    17:36 Uhr
  • Bewertung

    Romantisch, langsam, traurig

    Wäre die melodramatische Musik nicht, die mir zwischendurch zu aufdringlich war, wäre dies ein ruhiger, beschaulicher Film. Die Dialoge sind gewollt langsam und geschraubt, dafür sind die Bilder aber umso eindrucksvoller. Bill Nighy hat mir in seiner Rolle als schrulliger Einsiedler sehr gut gefallen und Emily Mortimer ist eine liebenswerte Florence Green. Wie Don Quijote kämpft sie leider gegen Windmühlen. Wer Bücher und eine romantische Landschaft liebt, ist hier richtig. Die Gehässigkeit der Mitmenschen erleben auch wir immer wieder in unserem Alltag, perfekt dargestelltes Mobbing, wobei vorhersehbar auch vermeintliche Freunde zu Feinden werden.
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    16.07.2018
    07:04 Uhr
  • Bewertung

    Hommage an die Buchwelt von gestern

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Großer Andrang herrscht bei der Premiere von „The Bookshop“ , der Regisseurin Isabel Coixet, dem ersten großen Film der heurigen Schiene „Berlinale Special Gala“ und ebenso hoch sind die Erwartungen. Hat sich doch die Katalanin an die Adaption eines weltweit bekannten Bestsellers gemacht, dem gleichnamigen Roman von Penelope Fitzgerald.

    Erzählt wird darin die Geschichte der Kriegswitwe Florence Green, die nach Jahren der Trauer den Traum von der eigenen Buchhandlung im verschlafenen Küstenort erfüllt und dabei auf Widerstand aus der lokalen Oberschicht stößt. Widerstand, der gar nicht einmal moralisch motiviert ist – Grund gäbe es: Florence kümmert sich um die Verbreitung der Aufregerbücher der Epoche, allen voran „Lolita“ von Vladimir Nabokov. Nein, sondern allein die Eitelkeit einer noblen Dame macht ihr das Leben schwer. Diese duldet partout nicht, dass Florence in jenem alten Haus einzieht, wo sie doch ihr Steckenpferd - ein "Kunstzentrum" - unterstellen wollte. So ist „The Bookshop“ gar nicht so sehr die Hommage an die Bibliophilie, die der Pressetext des Filmes verspricht, sondern auch die Geschichte ihrer Gegner und ihres Untergangs
    Der Hintergrund vor dem sich der Plot entwickelt bietet jede Menge Gelegenheit für pittoreske Details: hübsche Fischerboote, rotgelockte Kinder die unschuldig zum Schulhaus hopsen, neugierige Nachbarinnen, die die selbstbewusste Witwe scheinheilig und überhöflich von Weitem grüßen. So lieblich ist die Szenerie, fast erwartet man, dass Peter Rabbit aus einem der Bilderbücher von Beatrix Potter durchs Bild läuft. Aber nein, die meiste Zeit entgeht man der Kitschfalle und darf stattdessen zähneknirschend zusehen wie die rechtschaffene Buchhändlerin von ihrer übermächtigen Gegenspielerin systematisch und ausgesprochen subtil terrorisiert wird.
    Dass der Film gegen Ende dann doch sehr hart an die Schmalzgrenze kommt, ist wohl der Romanvorlage zu geschuldet: die ausgesprochen melodramatischen Wendungen gegen Ende ließen sich offenbar nicht herausschreiben.

    Dass „The Bookshop“ dennoch gestandenes Entertainment ist, liegt an der makellosen Besetzung, dem herrlichen, höchst britischen Konversationston der Dialoge und nicht zuletzt an der dezent kammermusikalisch gehaltenen Tonspur.

    Und wenn man will, dann kann man den Film auch als eine Parabel auf den tatsächlichen, leider zu oft aussichtslosen Kampf vieler kleiner inhabergeführter Buchhandlungen gegen den allgegenwärtigen Onlinehandel sehen. Ob die im Jahr 2000 verstorbene Penelope Fitzgerald diese Entwicklung wohl schon vorausgesehen hat?
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    17.02.2018
    12:18 Uhr