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    Halbschelm in weiß

    Ja, so ein Filou der Doktor Knock! Die verschmitztesten Dreistigkeiten erlaubt er sich gegenüber seinen Schützlingen im französischen Bergdörflein und die fressen ihm dankbar aus der Hand. Weil er halt so ein Charmeur ist. Nur wir im Kino dürfen manchmal zuschauen, wenn er sich vermeintlich unbeobachtet die Hände reibt.
    Aber das kommt später. Erst einmal, im köstlichen Prolog des Filmes, ist er kein Doktor sondern ein mäßig erfolgreicher Kleinkrimineller der Hafenwelt im Marseille der frühen 50er. Durch Spielschulden zur überstürzten Flucht gezwungen, entdeckt er als falscher Schiffsarzt auf einem den Trick, der sein Erfolgsrezept werden wird: Menschen sind am glücklichsten, wenn man ihnen sagt was sie hören wollen und nicht was zu sagen wäre.
    Mit desem Stein der Weisen in der Rocktasche beschließt er nach den Regeln der Gesellschaft zu spielen, absolviert ruckzuck zwischen Prolog & Hauptteil des Filmes ein Medizinstudium, begibt sich als Nachfolger eines verschnarchten Vorgängers in ein postkartenidyllisches Gebirgsnest um sich an dessen Eroberung zu machen. Der fesche Anzugsträger hat mit den Hinterwäldlern leichtes Spiel: Vom versoffenen Postler bis zur verliebten Apothekersgattin, er nimmt sie alle im Sturm, hat für jeden den richtigen Satz, die passende Therapie. Besonders für jene, die gar nicht wussten, dass ihnen etwas fehlt Und obwohl das Wartezimmer des Dorfarztes nun erstmals in Jahrzehnten brechend voll ist, sind die Bewohner glücklich wie lange nicht (bis auf den Pfarrer, der sein Seelsorgermonopol abgegraben sieht).

    Ja und trotzdem bekommt nach einer ungemein unterhaltenden Stunde aus „Doktor Knock“ einen etwas faden Nebengeschmack. Nebenfiguren drängen sich ungefragt ins Zentrum & verschwinden wieder ohne viel beigetragen zu haben, Handlungsstränge baumeln lose im Raum und obwohl der Film fast zwei Stunden dauert hat man den Eindruck, dass vieles nur halb angedeutet ist. Bei den meisten Autorenfilmen wär das ok, aber bei einer Komüdie, noch dazu wenn sie sich im ersten Teil für die Dinge reichlich Zeit genommen hat, passt das gar nicht. Es fühlt sich an wie wenn die Köchin während des Festmahls bemerkt, dass sie doch zuviele Gänge geplant hatte & den Gästen husch-husch vom Rest nur jeweils einen Bissen lässt.

    Interessant ist übrigens, dass „Docteur Knock“ in Frankreich offenbar ein sehr bekanntes, nicht zum ersten Mal verfilmtes, Theaterstück ist. Nur daß im Original der Held ein durch & durch Böser ist. Lorraine Levy hatte sich offenbar vorgenommen dies ins Gegenteil zu verkehren. Vielleicht liegt hier der Hund begraben. Ich befürchte nämlich, dass sie dem Dr. Knock damit seine Einzigartigkeit genommen hat.
    Daß Manches an der Handlung sehr Drehbuchlehrhaft wirkt – etwa daß den Doktor seine Vergangeheit kurz einholt -, trägt sein übriges bei. Aber immerhin: grandiose Schauspieler, sensationelle Kulisse und eine Vielzahl herrlicher Momente lassen unterm Strich noch einen lohnenden Sonntagnachmittag-Film übrig.
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    30.01.2018
    22:11 Uhr