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    Gelungene De-Mystifizierung der Geburt

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Es gibt Dinge, die wirken so magisch auf den Menschen, dass sie auch heute noch gern verklärt werden. Trotz moderner Medizin und trotz all des theoretischen Wissens, dass wir über die Jahrhunderte angesammelt haben. Die Geburt eines neuen Lebens ist so ein Erlebnis. Der Gedanke, dieses zu kreieren und auf die Welt zu bringen ist sogar vielen noch so heilig, dass regelrechte „Glaubenskriege“ darum herrschen, welche Verpflichtung dazu herrscht, wie es von statten gehen soll und was danach mit den Beteiligten passiert.

    Diese Rolle der Frau ist ein Thema, dass der Film immer wieder peripher streift, wenn es etwa um die moderne Rolle der Mutter oder des Vaters geht. Aber zuallererst ist es ein Film der zeigt, dass eine Geburt auch traumatisch sein kann, die Mütter in Depressionen verfallen und die Babys verhaltensauffällig werden. Es ist somit mehr als nur eine reine Dokumentation. Es ist schon fast ein Lehrfilm, ein Plädoyer dafür, die Beteiligten zu verstehen. Ein Film in einer Zeit die immer noch diktiert, wer sein Kind und sich selbst nicht im Griff hat, sei eine schlechte Mutter.

    Die Bandbreite seiner Aussage entfaltet der Film jedoch aus einem kleinen Raum heraus. Ein Großteil der Handlung findet in der Praxis des Psychologen Thomas Harms statt. Auf rund 20 Quadratmeter weitet er mit seinen Klienten ein Universum aus Schuldgefühlen, Abscheu, Unsicherheit und Verlorenheit aus. Zwischen dem Schreien der Kinder, dem Weinen der Mütter und den spielhaften glücklichen Momenten der Zweisamkeit entwickelt sich ein roter Faden der Genesung. Svoboda und seine Crew waren aufgrund des engen Raums gezwungen, mit möglichst wenig und leichtem Equipment zu filmen. Das verleiht dem Film nicht nur weitere Authentizität, sondern lässt die Leinwand viel leichter vor den Augen des Zuschauers verschwimmen. Es fühlt sich an, als sei man mit diesen Menschen im Raum und senkt verlegen die Augen, wenn sie ihr chaotisches Seelenleben offenbaren. Es muss alle Beteiligten viel Vertrauen gekostet haben, so offen und ehrlich zu reden.

    Svoboda zeigt, wie man Eltern und Kinder wieder seelisch zusammenführen kann. Immer wieder schneidet er auf Interviews mit Experten um, die alltägliche Kleinigkeiten aus dem Alltag mit Kindern herausnehmen, aufschlüsseln und das Ganze mit Bedeutung versehen. Babys schreien, weil dies ihr Ausdruck von Erlebtem ist. Somit ist der Film nicht nur ein sicherer Hafen für jene, die ähnliches erlebt haben, sondern ein wertvoller Einblick für jene, die ihre Kinder noch besser verstehen wollen.
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    26.10.2017
    09:36 Uhr