Forum zu Milla

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    Eine Stimme für die Abgehängten

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Fast hat man das Gefühl, bei Valérie Massadians Film durch ein Schlüsselloch zu schauen. So unverblümt, so real wirkt ihr erst zweiter Spielfilm. In „Nana“ erzählte sie 2011 die Geschichte eines vierjährigen Mädchens, das eines Tages in sein abgeschiedenes Zuhause im Wald zurückkehrt und niemanden dort vorfindet. Nun konzentriert sich Massadian auf die Geschichte einer 17-Jährigen, die ebenfalls nirgends dazugehört, die sich mit ihrem Freund ein Refugium baut und über die letztendlich doch das reale Leben überschwappt. Ein Leben, das sie bravourös zu meistern versucht.

    Milla und ihr Freund Leo wohnen in einer abgehängten Region der französischen Bretagne. Jobs gibt es hier keine, die Leute müssen mit dem wenigsten zurechtkommen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten aus dieser Trostlosigkeit zu entkommen. Die Bewohner dieser Welt müssen lernen, in der Perspektivenlosigkeit die sich ihnen bietet eine Existenz aufzubauen. Massadian präsentiert die Welt wenig pompös. So ausgestorben wie das gesellschaftliche Leben sind auch die Räume. Milla wandert durch leere Fabrikareale, vereinsamte Hotelflure und malerisch ruhige und wilde Küstengebiete. Auch die Wohnung die sie mit Leo teilt ist spartanisch eingerichtet und verfallen, mit jeder Einstellung werden die Löcher in den Fensterscheiben größer.

    Der Zuschauer taucht in diese reell wirkende Welt ein wie ein Eindringling. Eine Kamera, die im dokumentarischen Stil einfach draufhaltet. Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr. Der Film arbeitet abseits von Luc Chessel rein mit Laiendarstellern. Milla wird von Newcomerin Séverine Jonckeere gespielt, einem Mädchen aus der Gegend. Die Realität des Films spiegelt ihre eigene, das Kind im Film ist ebenfalls ihrs. Auch die Regisseurin selber übernimmt eine kurze Rolle in ihrer Geschichte. Wenn ihr Charakter und der Millas enger zusammen wachsen, dann ist das kein Skript, sondern eine Annäherung, gebannt auf Zelluloid für die Ewigkeit. Jonckeere entdeckt ihren Charakter immer wieder neu in jeder Szene, jede Lernprozess ihrer Milla ist auch ihr eigener.

    Das Leben kann ein Disaster sein, aber Massadian zeigt wie der Mensch sich damit arrangieren kann. Ihr gelingt das ohne ausgefeilte Dialoge oder lange Erklärungen. Sie lässt ihren Charakteren die Luft zu atmen. Nach den Dreharbeiten habe Jonckeere mehr Vertrauen in sich selbst entwickelt. So Massadian. Allein dafür hat sich dieser Film gelohnt.
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    26.10.2017
    08:56 Uhr