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    Film als Jungenssport betrachtet

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Weil ich so vergesslich bin, weiß ich jedes Jahr aufs Neue nicht, warum ich die Filme von Klaus Lemke auf der Viennale buche. Ich hab' ihn irgendwann einmal mit einem anderen – nicht ganz so einfallsreichen – Dirty Old Man des deutschen Kinos verwechselt und seither schwimmt mir immer diese falsche Erinnerungswurst auf der Hirnsuppe herum. Du Namensgedächtnis, du vermaledeites! Aber glücklicherweise ist mein Unterbewusstes immer laut genug um mich alljährlich zu erinnern: „Da musst du hin!“. Dem Himmel sei's gedankt!

    Denn Klaus Lemke ist anders als die meisten seiner Generation. Hinter der Fassade des abgebrühten oberlässigen alten Sacks lauert einer der authentischsten & feinfühligsten Filmemacher deutscher Zunge. Hartnäckig gießt er tagein, tagaus sein Freidenkertum in Filme. Und zwar seit circa gefühlten 50 Jahren. Wieviele Filme er in all den Jahren gedreht und wieviele davon er weggeschmissen hat, weiß er vermutlich selber nicht mehr. Ist aber auch nicht so wichtig.

    Wichtig ist: es gibt einen neuen Film von ihm, nicht zu verwechseln mit dem anderen Film, der schon fertig ist, jenem an dem er gerade dreht und dann das nächste schon heranschwellende Projekt. Geld hat er übrigens keines dafür, aber das war noch nie sein Hindernis.

    „Making Judith“, heißt das nun bei der Viennale präsentierte Werk und der Vorname in dem Titel ist bitteschön deutsch auszusprechen. Es handelt sich nämlich um einen Film-Film, in dem sich Hauptdarstellerin Judith Paus und ihr Regisseur Klaus Lemke (der damit elegant ein Schauspielerhonorar einspart) selbst spielen.
    Also zumindest im Wesentlichen. Es geht auch um einige andere Dinge: so ist man anfangs noch im vorigen Filmprojekt auf Fuerteventura unterwegs, inklusive anderer Hauptdarstellerin und man erlebt quasi erste Reihe fußfrei, wie das Unternehmen aus Geldmangel stecken bleibt. Macht nix, zurück nach München und da dann mit Judith und noch ein paar anderen Figuren aus dem Lemkeversum ans nächste Projekt. Da fliegen die Fetzen zwischen Lemke & Paus, in der der alte Macho seine Meisterin gefunden hat (blanken Busen z.B. kann er sich dieses Mal aufzeichnen). Dazu absurde kleine Nebenhandlungen hier, anarchische Einsprengsel da und dass der Herr Lemke noch nie sein Klo geputzt hat, erfährt man auch so nebenbei. Wozu auch, er ist eh nie daheim.
    Aber so wirklich sagen kann man nicht, worum es in dem Film geht, Regisseur & Hauptdarstellerin geben im anschließenden Publikumsgespräch zu, dass sie es selbst nicht so genau wissen. Darum geht’s aber glücklicherweise auch nicht. Was zählt ist, die Spontanität und das „anything goes“. Gerade dass man streckenweise den Eindruck hat, herumliegendes Material wurde einfach irgendwie zusammengestöpselt, macht den Reiz der Sache aus.

    Helge Schneider & Russ Meyer fallen mir immer ein: Klaus Lemke vereint die positivsten Eigenschaften beider. Das Talent zu anarchisch grandioser Improvisation und die Erkenntnis, dass Leben auf dieser Erde immer irgendwie sexy sein sollte. Alles andere ist verschenkte Lebenszeit.
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    30.10.2017
    17:39 Uhr