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    Jeder Soldat ist jemandes Sohn

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Jahrzehnten ist es her, dass sich Larry „Doc“ Shepherd (Steve Carell), Sal Nealon (Bryan Cranston) und Mueller (Laurence Fishburn) gesehen haben. Die drei haben eines gemeinsam: sie haben Vietnam überlebt. Als Larry seinen Sohn an den Afghanistankrieg verliert, besucht er seine alten Kriegskameraden um sie zu bitten, ihn zu begleiten, wenn er den Leichnam entgegennimmt. Vor Ort entschließt sich Larry dazu seinen Sohn nicht als Marine auf dem Soldatenfriedhof von Arlington zu begraben, sondern als seinen Sohn, zuhause zu Ruhe zu betten. Sal und Mueller begleiten Larry und erinnern sich an die wenig Schönen und die vielen schmerzhaften Momente die die drei geteilt haben. Begleitet werden sie außerdem von dem jungen Soldaten Washington (J. Quinton Johnson), dem besten Freund des Verstorbenen. Die drei erkennen ihre eigene Vergangenheit in dem jungen Marine, während er in ihnen eine potenzielle Zukunft für sich selbst sieht. Gemeinsam diskutieren sie über die Armee, den Krieg, das Land, die Regierung und über die Entscheidungen, die sie getroffen haben.

    Richard Linklater, der mit „Boyhood“ endgültig als Regisseur Berühmtheit erlangte, inszeniert mit „Last Flag Flying“ eine stille und berührenden Tragikomödie. Die Kamera ist still, ruhig und fangt die Charaktere unaufgeregt ein. Linklater weiß es jedoch geschickt, mit der Kamera und einem guten Schnitt, eine subtile Inszenierung zu präsentieren. Die Kamera isoliert und trennt unsere tragischen Helden um sie dann wieder zusammenzuführen. Alleine gefangen in einem sonst leeren Bild, präsentieren sie ihr Leid. Die anderen versuchen einzudringen, zu helfen und zu unterstützen.

    Dieses Vertrauen in seine Bilder und Szenen hat Linklater vollkommen zu Recht, denn er hat sich einen atemberaubenden Cast geholt. Spätestens seit „Foxcatcher“ ist es allgemein bekannt, dass Steve Carell ein begnadeter Schauspieler ist, der nicht nur Komödien überzeugend rüberbringt. Selbiges gilt natürlich auch für Bryan Cranston, der mit „Malcolm mittendrin“ und „Breaking Bad“ gezeigt hat, dass er ein unglaublich wandelbarer Mime ist. Carell und Cranston, beweisen in „Last Flag Flying“, dass Komödie und Tragödie nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Besonders Cranston ist charismatisch und ungeheuer lustig um zwei Wortwechsel später, tief berührend zu sein. Wenn Sal Nealon mit dem zu Gott gefundenem Mueller über Himmel und Hölle diskutiert, ist es zum Schreien komisch, mit einem konstanten tragischen Unterton. Lawrence Fishburn spielt ohne Zweifel unglaublich gut, geht jedoch in manchen Szenen ein wenig unter. Carell sagt zwar nicht viel, ist aber trotzdem immer präsent. Wie sehr die Drei überzeugen merkt man, wenn sie in einer Szene hysterisch lachen und wir als Zuschauer nicht lachen, weil es so lustig ist, sondern einfach nur weil wir so froh sind, dass diese Charaktere einmal herzhaft lachen können.

    Durch seine recht simple und unaufgeregte Kamera, wirkt der Film jedoch an einige Stellen repetitiv und einige Rhythmusprobleme lassen ihn leider teils länger wirken als er ist. Verzeihbahre Fehler jedoch in Anbetracht des restlichen Filmes.

    Linklater präsentiert uns ein ehrliches, authentisches und berührendes Drama über Menschen die mit unmenschlichen Sachen fertig werden müssen. Er kritisiert zwar die Armee, ihre Struktur, die Lügen die sie erzählt und hinterfragt die Motive für die sie steht, verliert jedoch nie den Respekt vor den Frauen und Männern, die sich für das Leben als Soldat entscheiden und verfällt auch nie in ein oberflächliches Armeebashing. „Last Flag Flying“ hat einen zutiefst menschlichen Zugang und stellt auch den Menschen immer in den Vordergrund. Wenn Traditionen und militärische Formalitäten, wie das Soldatenbegräbnis, von einem heroisch anmutenden Prozess, in eine Lagerhalle verfrachtet werden, oder entlang eines Bahnsteiges stattfinden, offenbart sich die Absurdität dieser Riten und ihrer Ideologie. Es trifft es auf den Kopf, wenn Larry sagt: „I don´t want to bury a marine, i want to bury my son.“
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    24.10.2017
    23:02 Uhr