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    Selbstreflexion als Schlüssel zur Zufriedenheit

    Exklusiv für Uncut
    Mike White hat insbesondere für seine Arbeiten als Drehbuchautor und Schauspieler Bekanntheit erlangt. Unter anderem zeichnete sich White für das Drehbuch hinter Richard Linklaters famoser Erfolgskomödie „School of Rock“ (2003) verantwortlich, war aber auch als Skriptschreiber an populären Serien wie „Freaks & Geeks“ oder „Dawson’s Creek“ beteiligt. Im Jahre 2007 wagte sich der gebürtige Kalifornier dann an sein Regiedebüt. Die Tragikomödie „Year of the Dog“ rund um eine Büroassistentin, die sich nach dem Tod ihres Hundes dem Tierschutz widmet, erfreute sich besonders in Independent-Kreisen großer Beliebtheit und durfte gar am berühmten Sundance Festival seine Weltpremiere feiern. Nachdem er sich in den letzten Jahren wieder hauptsächlich auf das Skriptschreiben konzentrierte (u.a. mitverantwortlich für die Drehbücher von „Beatriz at Dinner“ und dem weltweit verschmähten „The Emoji Movie“), meldet sich White nach jahrelanger Abstinenz nun mit seiner zweiten Regiearbeit „Im Zweifel glücklich“ (OT: „Brads’s Status“).

    Ähnlich wie bereits in seinem Erstlingswerk, offenbart White auch in seinem Folgefilm ein sehr präzises Feingefühl dafür, die Sorgen und Ängste US-Amerikaner mittleren Alters authentisch und unbeschönigt wiederzugeben.

    Die Tragikomödie dreht sich dabei um den 50-jährigen Brad Sloan (Ben Stiller), der eine Non-Profit-Organisation besitzt und mit seiner Frau sowie seinem Teenager-Sohn Troy ein prinzipiell wohlhabendes Leben führt. Als Brad sich mit Troy auf eine Tour begibt, um mit seinem Sohn potentielle Universitäten an der Ostküste zu besichtigen, beginnt Brad Erinnerungen seiner eigenen College-Zeit Revue zu passieren. Dabei realisiert er, dass seine besten Freunde aus Uni-Zeiten groß Karriere gemacht haben und im Gegensatz zu ihm über die Jahre hinweg stinkreich geworden sind. Somit beginnt sich Brad in Folge darüber Gedanken zu machen, was er denn aus sich gemacht hat.

    Beim Durchlesen der Prämisse mag das Ganze natürlich klingen, als hätte man sich hierfür beim „White priviliged men having problems“-Prototyp bedient, der besonders häufig Filmen von Woody Allen vorgeworfen wird. Auch wenn der Film zu Beginn noch sehr stark auf die unbegründeten Sorgen des Protagonisten eingeht, hält White diesem Prototypen ab einem gewissen Punkt den Spiegel vor. White ist somit eine überraschend bodenständige Charakterstudie gelungen, die tief in die Gedankenwelt des Protagonisten eintaucht und dabei materielle Ängste einer Karriere-geilen Gesellschaft mit herrlich satirischen Spitzen hinterfragt.

    Neben den fein geschrieben Dialogen, bezieht die Tragikomödie sein authentisches Flair aus dem ehrwürdigen Schauspiel Ben Stillers, der nach seinen Auftritten in Noah Baumbachs „Greenberg“ (2010) und „The Meyerowitz Stories“ (2017) einmal mehr sein Potential als Charakterdarsteller unter Beweis stellt. Stiller gelang es auf subtile Art und Weise, dem Charakter des Brad genügend Ecken und Kanten zu verleihen, ohne seine Figur dabei zur Karikatur verkommen zu lassen. Aufgrund des egozentrischen und weinerlichen Gemüts des Protagonisten wird es zugegebenermaßen vermutlich einigen Zuschauern schwer fallen, Brad als Identifikationsfigur wahrzunehmen. Ich für meinen Teil empfand jedoch eben diese eher apathische Herangehensweise für besonders lobenswert, da uns White so auf unbequeme Weise unsere eigene selbstgefällige Ader reflektieren lässt.

    Ohne seine Probleme kommt der Film aber auch nicht aus. Im letzten Drittel hätte es zahlreiche Anhaltspunkte gegeben, an denen man das Ganze in ein knackiges Ende verpacken hätte können, jedoch wurde die Reise des Protagonisten nach dessen ursprünglicher Erkenntnis meines Erachtens noch zu stark in die Länge gezogen und plätschert ein wenig vor sich hin. Ebenfalls lässt sich die Botschaft der Dramödie nicht immer wirklich greifen, da sich White vor allem in der ersten Hälfte streckenweise in der Gedankenwelt des Hauptcharakters verirrt. In meinen Augen wollte White uns mit seiner Charakterstudie sagen, dass wir in der ersten Welt unsere eigenen Probleme nicht stets in den Vordergrund rücken sollten und, dass es falsch sei, sich an rein kapitalorientieren Erfolgszielen fest zu machen. Denn schlussendlich findet selbst Brad noch zu der Erkenntnis, dass das eigene Glück kein käuflicher Zustand ist, sondern eher auf gesunde Einschätzung und Reflexion des eigenen Daseins zurückzuführen ist.

    Fazit: Mike White hat mit „Im Zweifel Glücklich“ eine tiefgehende Charakterstudie mit gesellschaftskritischen Zügen geschaffen, die besonders mit feingeschliffenen Dialogen und einem wunderbaren Ben Stiller zu bestechen weiß. Sehenswert!
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    12.04.2018
    23:10 Uhr