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    Nachbarschaftshilfe zu Krisenzeiten

    Schon wieder ist es passiert. Die Welt geht abermals vor die Hunde, und mittlerweile kann ich die Fülle an Postapokalypsen, Pandemien und Zivilisationsuntergänge gar nicht mehr alle zählen, so wütet das Subgenre des phantastischen Films durch die Unterhaltungskultur. Diesmal haben wir es aber mit einer astreinen Pandemie zu tun, die niemanden zu ominösen Kreaturen mutieren lässt, die das Blut der Gesunden wollen, sondern seine Opfer ähnlich der Pest und ohne viel Federlesens unter die Erde bringt. Natürlich nicht, ohne vorher einen Steckbrief mit allerhand Symptomen zu hinterlassen. Dafür sind Viren schließlich eitel genug.

    It Comes at Night katapultiert den Zuseher mitten ins Geschehen, ohne wirklich viel zu erklären. Zugegeben, es ist herzlich wenig, aber viel mehr muss man auch nicht wissen, nur eben, dass die Krankheit dermaßen ansteckend ist, dass sich Gesunde den Kranken nur mit Sauerstoffmasken nähern können. Dazu Gummihandschuhe und auf keinen Fall berühren! So blickt die Familie rund um Joel Edgerton auf den dahinsiechenden Großvater, der kurz davor steht, dahingerafft zu werden. Er wird also halbtot vor die Tür gebracht, von dort mit der Schubkarre in den Wald, erschossen, angezündet und eingegraben. Contact Tracing hin, Quarantäne her – diese Prozedere wünscht man sich wirklich nicht durchzuziehen, wenn’s die eigenen Reihen trifft. Doch was bleibt Paul und seiner Familie, bestehend aus Frau und Teenager, auch anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen, um nicht selbst draufzugehen. Bislang scheint das Überleben durchgetaktet genug, um auch weiterhin durchzuatmen – dazu gehört: Kein Kontakt mit Fremden, des Nächtens Verdunklung und so wenig wie möglich aus dem Haus gehen. Doch trotz Apokalypse lebt man nicht allein auf der Welt, und wie der Titel schon sagt, passiert es vorzugsweise zu nachtschlafener Zeit, wenn sich Unbekannte Zugang in die verbunkerte Villa verschaffen, die verzweifelt auf der Suche nach Essbarem sind.

    So fängt es also immer an. Das Nachbarschaftsgen wird aktiv, Solidarität für andere zeichnet den Menschen erst für seine Menschlichkeit aus. Und auch nachdem es zuerst den Anschein hat, besagter Eindringling führe Böses im Schilde: dieser ist noch ärmer dran als die Verbunkerten selbst, hat Familie und bittet um Zuflucht in einem Haus, das Platz genug gewährt für weitaus mehr Sippschaften als nur die eine. Die Sache mit der Nächstenliebe sollte man sich natürlich nicht zweimal überlegen, da sei ein Quantum an Selbstlosigkeit schon lobenswert. Bei Trey Edwards Shults (Waves) nihilistischem Kommunen-Horror zur Endzeit ist das oberste Gebot jedoch, sich selbst der Nächste zu sein, ein tunlichst nicht zu Brechendes.

    Angereichert mit Albtraumszenarien im fahlen Licht von Taschenlampen, die Kelvin Harrison Jr. als Teenager Travis mit dem Publikum teilt, ist It Comes At Night ein zutiefst misstrauisches Werk, dass keine Kompromisse kennt und kennen will. Nur wer sich streng an die Regeln hält, kann überleben – der andere, der diese Regeln verbiegt, eher nicht. So unterzieht sich die Menschheit in dieser beklemmenden und zutiefst freudlosen Zukunft, die sogar jenen Funken der tröstenden Zweisamkeit vermissen lässt, den immerhin The Road noch aufweisen konnte, der Radikalkur einer gnadenlosen Evolutionsstrategie, die zu vernichten hat, was sich nicht anpassen kann. Doch es ist weniger das Subjekt einer wandelbaren Natur, sondern das strenge Gerüst eines teils fanatischen Dogmas, das alle in Gefahr bringt. Nach dem Herdentrieb des Menschen liegt die Zukunft nun in der Vereinzelung. Nächstenliebe und Altruismus sitzen da genauso am absterbenden Ast wie die Spezies selbst, die durch das Gemeinsame erst so viel errungen hat.

    Lange vor Corona nahm dieses finstere Schreckgespenst einer Pandemie die Angst vor Ansteckung vorweg. Gut also, bei Betrachtung des Streifens bereits zu wissen, dass jener Virus, der uns nun schon drei Jahre lang quält, uns nicht zu solchen Maßnahmen hat greifen lassen wie Joel Edgerton es als seine Pflicht ansieht.


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    01.03.2023
    15:21 Uhr
  • Bewertung

    Das Monster im Menschen

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Es kommt immer wieder vor, dass Filme durch irreführendes Marketing nicht ihr richtiges Zielpublikum erreichen. Ein prominentes Beispiel hierfür aus den letzten Jahren dürfte wohl Harmony Korines „Spring Breakers“ sein. Obwohl es sich beim Film um eine artistische Dekonstruktion des amerikanischen Traums handelte, erwarteten sich zahlreiche Leute ob der Schauspielerriege rund um ehemalige Disney-Sternchen wie Selena Gomez oder Vanessa Hudgens und einem unpassend geschnittenen Trailer eine Mainstream-fähige Party-Komödie. Dementsprechend waren Zuschauer vom fertigen Produkt eher verstört als angetan und trotz positiver Kritiken verbreitete sich schon bald negative Mund-zu-Mund-Propaganda innerhalb der eigentlich vermarkteten Zielgruppe.

    Ein ähnliches Schicksal musste Filmemacher Trey Edward Shults („Krisha“) bei der US-Kinoveröffentlichung seines Endzeit-Horror-Dramas „It Comes At Night“ erleiden. Wurde der Streifen nach ersten Screenings bei zahlreichen Festivals noch von Kritikern mit Lobeshymnen versehen, nahmen ihn Zuschauer beim US-Wide-Release im Sommer letzten Jahres sehr verhalten und konfus auf. Der Grund dafür: Mit dem Trailer wurde versucht, „It Comes At Night“ als handelsübliches „Creature feature“ zu verkaufen, obwohl das eigentliche „Monster“ im Film ein komplett anderes ist.

    Aber zunächst: Worum geht es überhaupt?

    Shults erzählt in seinem erst zweiten Spielfilm von einer postapokalyptischen Zukunft, in der eine bestialische Seuche bereits zahlreiche Personen auf den Gewissen hat und das Dasein der übriggebliebenen Menschen bedroht. Unter den wenigen Überlebenden befindet sich unter anderem der Familienvater Paul (Joel Edgerton), der sich gemeinsam mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) und deren Teenager-Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) in ein abgelegenes Haus inmitten eines Waldes eingenistet hat, um jegliche Gefahren der Außenwelt zu vermeiden. Als eines Tages der junge Vater Will (Christopher Abbott) mit seiner Freundin Kim (Riley Keough) deren Haus entdeckt, gewährt ihnen Paul nach langem Hin und Her Schutz und Unterschlupf. Doch schon bald dringt durch die neuen Mitbewohner Paranoia ins Eigenheim ein und es verbreitet unter ihnen nach für nach großes Misstrauen.

    Anders wie das Marketing suggerieren möchte, geht die Gefahr und der Horror in „It Comes At Night“ nicht in erster Linie von irgendwelchen Kreaturen aus, die außerhalb des Waldhauses lauern, sondern tatsächlich von den menschlichen Protagonisten selbst. Für diese Herangehensweise orientierte sich Shults offensichtlich stark an George A. Romeros Genre-Meilenstein „Night of the Living Dead“. Wie in Romeros Zombie-Klassiker verschanzen sich auch hier während einer paranormalen Endzeit-Katastrophe in der Außenwelt mehrere sich unbekannte Leute in ein Gebäude und misstrauen einander von Minute zu Minute mehr. Shults hat hier ein Abbild des narzisstischen Monsters in uns selbst kreiert und zeigt wie die Spezies Mensch sogar in den extremsten Situationen nicht mit, sondern gegeneinander arbeitet. Im Gegensatz zu „Night of the Living Dead“, der vom Anfang bis zum Ende ein auch aus heutiger Sicht rasantes Tempo an den Tag legt, baut sich die Paranoia hier recht langsam auf.

    Um ein sich anschleichendes Gefühl von Beklemmung zu kreieren, hat sich Shults einer tristen Farbgebung, fantastisch einengenden Bildern und einem bedrückenden Sounddesign bedient. Die inszenatorische Raffinesse gepaart mit fantastischen Schauspielleistungen vom gesamten Cast (Joel Edgerton und Kelvin Harrison Jr. können insbesondere brillieren) zeichnet sich für die herrlich paranoide Atmosphäre verantwortlich, die Szene für Szene kreiert wird. Das gemächliche Tempo wird zugegebenermaßen die Geduld einiger Zuschauer auf die Probe stellen, wenn man sich jedoch auf die beschleichende Paranoia im Film einlassen kann, wird man besonders gegen Ende mit nervenzerreißendem psychologischen Horror belohnt.

    Nun kann man das innermenschliche Drama im Film natürlich auch als aktuelles gesellschaftspolitisches Kommentar auf Angst und Misstrauen gegenüber Flüchtlingen lesen, die Interpretation sei hierfür aber natürlich jedermann selbst überlassen. Zwischen dem sich anbahnenden menschlichen Drama spielen auch Traumsequenzen eine zentrale Rolle. Diese wirken aber einerseits bedeutungsschwanger und lassen sich nicht wirklich in das Geschehen einreihen. Andererseits ist jedoch oft genau die Angst vor dem Unbekannten die, die wir am meisten fürchten, weswegen diese Sequenzen auch gleichzeitig als Sinnbild für die Konflikte außerhalb der Traumszenen stehen können.

    Insgesamt lässt sich also sagen, dass „It Comes At Night“ definitiv nicht alle Zuschauer abholen wird und besonders jene, die sich klassischen rasant erzählten Jump-Scare-Horror erwarten, enttäuschen wird. Wer jedoch genügend Sitzfleisch besitzt und sich auf manch metaphorische Abschweifungen einlassen kann, wird letztendlich mit einem wundervoll in Szene gesetzten und herrlich beklemmenden psychologischen Horrordrama belohnt, in dem der Mensch selbst in die Rolle des Monsters schlüpft.
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    08.05.2018
    20:38 Uhr
  • Bewertung

    Endzeitdrama

    ... das ein wenig etwas von Walking Dead hat. Auch hier sind die Menschen die, denen man misstrauen muss. Sehr gut gespielt, angenehm dass der Cast nicht nur weiß ist, und zwischendurch ein wenig verwirrend vom Plot - Sohnemann des Filmes ist nicht immer ein verlässlicher Erzähler.
    Allerdings viel mehr Drama als Horror /Thriller etc.
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    12.09.2017
    22:43 Uhr