1 Eintrag
2 Bewertungen
80% Bewertung
  • Bewertung

    Auf der Suche zwischen zwei Seiten

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der Anfang des Films „Western“ gibt schon viel über den Verlauf des Filmes und seiner Charaktere preis. Meinhard, ein ruhiger und verschlossener Typ mit ausgezehrtem Gesicht arbeitet in einem Bautrupp, der in Bulgarien in einem Flussbett arbeitet, um die dortige Infrastruktur zu verbessern. Gleich zu Beginn muss er Bäume, die auf einer Straße liegen aus dem Weg räumen, damit sie mit ihren Baumaschinen weiter vorankommen. Dabei wird er am Ende der Arbeit von seinem Vorgesetzten gefragt, ob er ein Schlitzohr sei. Seine Antwort lautet dann schlicht, er wäre nur hier um Geld zu verdienen. Zwischen den beiden baut sich dann während der Geschichte immer mehr Konfliktpotenzial auf, was beim Zuschauer das Gefühl aufkommen lässt, dass es hier noch zum Showdown kommen muss.

    An einem Feierabend entspannen sich dann alle vom Bautrupp am Fluss, trinken Bier und blödeln rum. Als dann drei Frauen am anderen Ufer erscheinen geht das Testosteron mit einigen der Männer durch und Vincent, Meinhards Vorgesetzter, verhält sich äußerst unangebracht gegenüber einer der Frauen. Dies ist der Beginn eines aufkommenden Zwists zwischen den deutschen Bauarbeitern und der einheimischen Bevölkerung. Einzig Meinhard versucht in Folge mit den Bewohnern in Kontakt zu treten und über Sprachbarrieren hinweg Zugang zu ihnen zu finden, um von ihnen zu lernen. Er begegnet den Bewohnern dabei auf Augenhöhe.

    Die Filmemacherin schafft es, die Arbeiten eines deutschen Bautrupps an einem bulgarischen Fluss, also etwas das ständig in Bewegung ist und in natürlicher Weise geformt sich seinen Weg über Jahrtausende hinweg gesucht hat, als moderne Landeinnahme zu inszenieren. Wie damals die Siedler, die das Land der Indianer einfach unrechtmäßig in Besitz genommen haben. Gleichzeitig webt sie über die Sprachbarrieren, die zwischen den Akteuren vorherrschen, eine aktuelle Komponente der Fremdenfeindlichkeit ein, indem der Großteil des Bautrupps in keiner Weise versucht sich mit den Einheimischen zu verständigen, oder deren Anliegen zu berücksichtigen. Sie sehen sich selbst als die großen Retter, da sie eine Infrastruktur für die Ansässigen herstellen, und übersehen dabei, welchen anderen Schaden sie eigentlich anrichten bzw. wie unpassend sie sich gegenüber den Bewohnern verhalten.

    Grisebach versucht das maskuline Genre des Westerns zu nutzen, um darin grundlegende und aktuelle europäische Themen aufzuarbeiten. Deshalb lässt sie ihren Film in Bulgarien spielen, dem ärmsten Land Europas. Die Kluft zwischen arm und reich wird so deutlich. Wichtig ist ihr dabei zu verdeutlichen, dass es zwischen Leuten, die nicht dieselbe Sprache sprechen trotzdem immer Möglichkeiten gibt sich zu verständigen. Dies zeigt sie anhand von Meinhard, der hierfür die Brücke schlägt zwischen den beiden Parteien. Aber gerade dies macht ihn scheinbar zu einem Außenseiter. So ist er, wie ein Cowboy, auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft, sei es bei seinen Kollegen am Bau, oder bei den Einheimischen des Dorfes.
    pramberger_4f425c45c7.jpg
    03.11.2017
    14:03 Uhr