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    Von Monstern und Menschen

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Der neue Film des spanischen Regisseurs Nacho Vigalondo, „Colossal“, ist eine ungewöhnliche Mischung aus einer Anne Hathaway-Komödie und Godzilla. Die Idee klingt bereits richtig schräg, die Umsetzung ist noch viel schräger und birgt mehr als nur eine Überraschung.

    Anna Hathaway spielt die junge New Yorker Autorin Gloria, die gerade mitten in ihrer Quarter-Life-Crisis steckt, nachdem sie gefeuert wurde. Ihre Krise ertränkt sie jeden Abend erneut in Bier, um tagsüber verkatert durchs Leben zu taumeln und sich nicht ihren Problemen stellen zu müssen. Ihr ambitionierter Freund Joel (gespielt von Dan Stevens, den man zu hassen liebt) findet ihre Bewältigungsstrategien nicht sehr zielführend und verlässt sie. Aus der gemeinsamen Wohnung geworfen und völlig pleite (abgesehen von Geld für mehr Bier), sieht sie sich gezwungen in ihr leerstehendes Elternhaus in ihrer alten Heimatstadt zu ziehen. Dort trifft sie auf ihren alten Schulkollegen Oscar (Jason Sudeikis, den man zu lieben hasst), der die alte Bar seines Vaters betreibt und es nie aus der Heimat rausgeschafft hat. Mit genug Gründen, um zu trinken, entsteht zwischen den beiden eine Sauf-Freundschaft.

    Bis zu diesem Punkt ist „Colossal“ eine der besseren (oder die beste) Anne Hathaway-Komödien. Sowohl das aberwitzige Drehbuch als auch die Performances von Hathaway, Stevens und Sudeikis sorgen für herzhaftes Gelächter. Erwartungen an eine süße Coming-Of-Age-Story gepaart mit einer Romanze zwischen Gloria und Oscar werden erzeugt. Doch dann kommt ein Godzilla-ähnliches Monster ins Spiel und sorgt für die erste Überraschung.

    Aus dem Nichts materialisiert sich in Seoul jede Nacht ein gigantisches Monster und stapft durch die Straßen. Alles, was sich in seinen Weg stellt (oder eher im Weg steht), wird zerstört. Minuten später verschwindet das Monster wieder. Weltweit sorgt dieses Phänomen für Schlagzeilen. Nacht für Nacht sucht das Monster Seoul heim, Tag für Tag erwacht Gloria aus ihrem Bierrausch und sieht die erschreckenden Bilder der Monster-Attacken in den Nachrichten. Bei genauerem Hinsehen macht sie jedoch eine furchtbare Entdeckung. Das Monster macht Handbewegungen, die Gloria von sich sich selbst nur zu gut kennt. Sie vermutet eine Verbindung zwischen ihr und dem Monster und stellt Recherchen und Versuche an, die ihre Theorie bestätigen. Mit Schrecken muss Gloria realisieren, dass das Monster, das in Seoul wütet, sie selbst ist. Jede Nacht, wenn sie sich ins Blackout säuft, taucht das Monster am anderen Ende der Welt auf. Die zweite Überraschung folgt als eines Nachts nicht nur ein Monster Seoul attackiert, sondern gleich zwei. Denn: auch Oscar hat ein monströses Alter Ego.

    Während Gloria frei nach dem Motto „with great power comes great responsibility“ versucht dem bösen Bier abzuschwören und nüchtern zu bleiben, um nicht weiter Schrecken zu verbreiten, findet Oscar nicht nur gefallen am Bier-, sondern auch am Machtrausch. So wird aus ihrer Sauf-Freundschaft eine Sauf-Feindschaft, die ihre Monster in Seoul austragen müssen.

    Von der unbeschwerten Comedy ist auf einmal keine Spur mehr. Es wird düster und bedrückend. Es ist kein Film über Monster mehr, sondern über menschliche Abgründe. Innere Dämonen werden sichtbar gemacht, die sich am Ende des Films einen fulminanten Showdown liefern.

    Inhaltlich fesselnd und bewegend, besticht der Film auch optisch. Die Szenen in Seoul verstehen sich als gelungene Hommage an Godzilla. Besonders amüsant waren die Collagen von Hathaway und dem Monster. Einzig Anne Hathaway in der Hauptrolle habe ich ein wenig zu bemängeln. Zugegeben, ich mag sie einfach nicht. Und zugegeben, das macht ihre Performance auch nicht schlechter. Sie kann lustig und ernst sein. Aber das Party Girl kaufe ich ihr dennoch nicht ab. Jason Sudeikis hingegen hat in dieser Rolle nachhaltig beeindruckt. Er hatte zwei Gesichter und beide waren teilweise fast unangenehm authentisch.

    Ganz klare Filmempfehlung und wirklich großes (Heim-)Kino, denn der Film erscheint am 1. Dezember auf Blu-Ray und DVD.
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    19.10.2017
    13:32 Uhr