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    „What we do here is pointless and impossible“

    Die Hollywood-Größe mit italienischen Wurzeln Stanley Tucci hat sich zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder in den Regie-Sessel gesetzt – und zwar für eine britische Produktion. „Final Portrait“ erzählt die Geschichte des Schweizer Malers und Bildhauers Alberto Giacometti. Jedoch hat sich Tucci dagegen entschieden, ein typisches Biopic zu machen, sondern James Lords Erinnerungen an seinen Freund Giacometti adaptiert. James Lord war ein amerikanischer Autor und Kunstliebhaber, der in den 60ern in Paris die Ehre hatte, sein Portrait von Giacometti malen zu lassen und genau davon handelt der Film. Lord sitzt an seinem letzten Tag in Paris Modell für den Maler. Doch das Portrait gestaltet sich schwieriger als gedacht. Aus Lords letztem Tag werden gefühlte tausend letzte Tage für ein Portrait, das niemals seinen Abschluss findet.

    Armie Hammer spielt eben diesen Autor, er spielt aber auch die typische Rolle des Amerikaners in Paris. Als er eingeladen wird in Giacomettis Atelier (das an sein Haus grenzt), bekommt er nicht nur Einblicke in seine Kunst, sondern auch in sein Privatleben. Er lernt seine Frau kennen, aber auch seine Geliebte. Vor allem aber lernt er einen exotisch-französischen Lebensstil kennen, den ein prüder Amerikaner so nicht pflegen würde. Lord ist neugierig und fasziniert auf der einen Seite, distanziert und höflich auf der anderen.

    Geoffrey Rush spielt den besagten Maler – und tut dies mit Bravour. Als kettenrauchender Künstler, der sich seines Namens bewusst ist, aber an seinem Können zweifelt, sieht er in dem Portrait von Lord eine Hürde, der er nicht überwinden kann. Denn seiner Meinung nach ist Kunst „pointless und impossible“ (also sinnlos und unmöglich). Da er weiß, dass er sein Portrait niemals vollenden kann, prokrastiniert er vor sich hin und geht lieber essen oder spazieren mit seinem Freund Lord. So verschiebt er die Arbeit am Portrait Tag für Tag und wenn er einmal Fortschritte am Portrait macht, übermalt er dieses wieder, weil er nicht zufrieden ist. Es ist eine wahre Sisyphusarbeit aus der es kein Entkommen gibt, die aber den zwei Männern viel Zeit gibt, über Gott und die Welt und vor allem über die Kunst zu philosophieren.

    Auch der Film selbst reflektiert diese Haltung Giacomettis. Tucci macht den kreativen Prozess zu einem Vergnügen, jedoch weiß er, dass er niemals ein zufriedenstellendes Ende finden kann. Erst als Lord selbst ungeduldig wird in dieser Endlosschleife des kreativen Schaffens, bricht er aus und lässt somit den Film etwas abrupt, aber dennoch adäquat enden.

    „Final Portrait“ macht intellektuell Spaß, ist aber auch sehr schön anzuschauen. Die etwas verwackelten Aufnahmen der Handkamera sind sehr charmant. Die Farben sind entsättigt, dennoch bringen die zwei Frauen im Film mit ihren Lippenstiften und Kleidern aufregende Farbakzente ins Bild und beleben den Film optisch. Alles in allem ist der Film ein wahres Vergnügen, wenn man sich darauf einlässt, nicht an der Endlosschleife wie Giacometti zu verzweifeln.
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    07.03.2017
    20:53 Uhr
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    Ein malerischer Reigen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Mit konzentriertem Blick schaut James Lord aus seinem Korbsessel auf die Palette in Alberto Giacomettis Hand. Farbkleckse in Ocker, Grau, Schwarz und Weiß scheinen darauf entgegen, in die der Künstler immer wieder seine Pinsel taucht, um sie anschließend über das weiße Canvas vor ihm tanzen zu lassen. Lords Portrait soll darauf entstehen. Irgendwann einmal zumindest. Denn wie der amerikanische Autor geknickt feststellen muss, greift Giacometti wieder einmal zu seinem dicksten Pinsel, den er in die graue Farbe tunkt. Graue Farbe bedeutet Negativarbeit am Bild, Giacometti ist wieder einmal unzufrieden und fängt von vorne an.

    „Kunst ist ein nie endender Prozess“ stellt Geoffrey Rush, der hier in Topform agiert, in der Rolle des Giacometti fest. Wenn er ein Werk erschafft, zerstört er es immer wieder aufs Neue, rekonstruiert es und zerlegt es anschließend wieder. „Ich muss ihn dazu bringen, das Portrait zu beenden“, erklärt Armie Hammers James Lord Giacomettis Bruder Diego. Die Durchsetzung dieses Vorhabens ist problematisch. Lord ist fasziniert von dem Künstler, lässt seinen Flug immer wieder umbuchen. Mitten im Malprozess haut man schließlich nicht ab. Der Film dreht sich dementsprechend im Kreis, verweilt an den verschiedenen Schauorten wie Giacomettis Atelier, Lords Hotelzimmer und den verschiedenen Winkeln von Paris, bevor er diesen Zyklus wieder aufs Neue beginnt. Nie endend wollend, immer bei Punkt Null.

    Biographien interessieren ihn normalerweise nicht, erklärte Regisseur Stanley Tucci bei der Pressekonferenz bezüglich seiner Motivation, diesen Film zu drehen. Jedoch seien manche Abschnitte im Leben von Menschen besonders interessant. Lords Memoiren über seine Zeit mit Giacometti waren faszinierend genug für den US-Schauspieler und Regisseur, dass er zehn Jahre damit verbrachte, Gelder und Mittel zu sammeln, um diesen Film umzusetzen. Das Ergebnis ist dramaturgisch unterhaltsam, inhaltlich jedoch durchwachsen. Als würde Tucci dem künstlerischen Prozess Giacomettis einen Spiegel vorhalten, entstehen im Austausch zwischen seinen Protagonisten Situationen und Entwicklungen, die kurze Zeit später wieder in ihren Ursprungzustand zurückgeführt werden. Das Gemälde entwickelt sich nicht weiter, sowie die Charaktere keinem klassischen Handlungsbogen folgen.

    Das Portraits Lords, dessen Fertigstellung er durch einen Trick erreicht, wird somit immer ein Kompromiss sein, den die beteiligten Parteien getroffen haben. Ebenso verhält es sich mit dem Film. Ob der Zuschauer etwas daraus mitnimmt sei dahingestellt. Was er bewirkt ist, einen wichtigen Künstler des 20. Jahrhunderts wieder ins Rampenlicht zu rücken und ihn seinen philosophischen Gedanken nachhängen zu lassen. Sei es auch nur deswegen um zu erfahren, warum Picasso kein ernst zu nehmender Künstler sei und seine Kollegen nur kopierte.
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    15.02.2017
    01:22 Uhr