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84% Bewertung
  • Bewertung

    Vergangenheitsbewältigung

    Volker Schlöndorff hat das uralte Thema, das hier von Max Frisch vorgelegt wurde, über die verpassten Gelegenheiten des Lebens wieder aufgegriffen.
    Erfolgsautor Max (Stellan Skarsgard) reist zur Lesung seines jüngsten Romans ‘Jäger und Gejagte‘ nach New York. Hier erwartet ihn seine Lebensgefährtin Clara (Susanne Wolf), die hier lebt. Max trifft aber auch seine Jugendliebe Rebecca (Nina Hoss) inzwischen eine renommierte Anwältin und verbringt eine Nacht mit ihr in ihrem alten Domizil, was er Clara verheimlicht.
    Ein philosophischer Aphorismus steht am Anfang des Films, wenn Max sagt ‘Ich bereue, was ich getan habe und ich bereue auch, was ich nicht getan habe.‘
    Alles in seinem Leben vor allem seine literarischen Tätigkeiten haben sich eigentlich im Grunde immer nur um Rebecca gedreht. Sie war seine Muse. Das erkennt er jetzt.
    Nina Hoss spielt diese Rebecca großartig: reserviert, abweisend, doch nicht ganz verschlossen. Die Liebesnacht erreicht die Intensität von der in ‘Jenseits von Afrika‘. Max wittert eine zweite Chance, Rebecca lehnt ab und hält ihm vor ein Träumer zu sein. Aber auch sie ist nicht ganz frei: vor Jahren hatte sie die große Liebe ihres Lebens getroffen. Der Kollege verstarb leider. ‘Ich war in ihm. Ich starb, als er starb!‘ bekennt sie. Man trennt sich und alle drei trauern den verpassten Gelegenheiten nach. So etwas wie eine zweite Chance gibt es nicht. Als Max Clara seinen Seitensprung gesteht, Rebecca aber als ‘Geist‘ bezeichnet, kontert die Stammfrau ‘Macht ja nix. Geister kann man ja nicht ficken.‘
    Die grandiosen Darsteller überbrücken die langen Dialoge und fordern vom Zuschauer
    eine intensive Konzentration, was dann ein beklemmendes Eintauchen in eine Vergangenheit sein kann, die die eigene ist. Literatur aus dem Leben, Leben in der Literatur.
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    02.05.2019
    12:04 Uhr
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    Wohin, wenn nicht nach New York?

    Die Hauptfigur dieses Films ist eigentlich keine Person sondern New York, die tollste Stadt der Welt, die Frage ist nur: für wen? Die Normalbürger werden von ihr verschluckt und bezahlen einen horrenden Preis für ein schäbiges Loch einer Wohnung, nur um in New York City zu leben. Die Reichen werden von ihr auf Händen getragen und wenn sie einmal ein bisschen Urlaub von der hektischen Metropole brauchen, fahren sie einfach für einen Kurzurlaub nach Montauk, auf die kleine Landzunge nordöstlich des Big Apples.
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    16.09.2017
    23:33 Uhr
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    Hadern mit dem Schicksal

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    „Es gibt nur zwei Dinge, die im Leben zählen: die Dinge, die wir bereuen, getan zu haben, und die Dinge, die wir bereuen, nicht getan zu haben“, zitiert der Schriftsteller Max Zorn seinen Vater zu Beginn des Films. Ein Mantra, der nicht nur der Auftakt, sondern auch das zentrale Thema des Films ist. Ein in die Jahre gekommener Schriftsteller kehrt an den Ort seiner frühen Schaffensjahre, New York, zurück, und versucht wieder bei seiner alten großen Liebe Anschluss zu finden. Jene Liebe, die er hatte ziehen lassen, und von der er noch immer glaubt, sie wäre das wahre Glück in seinem Leben gewesen.

    Schlöndorff ist kein unbeschriebenes Blatt, was die Adaption von Max Frisch betrifft. Bereits Anfang der 90er adaptierte er den Roman „Homo Faber“ des Schweizer Autors. Das Buch „Montauk“ nimmt jedoch eine Sonderstellung in seinem literarischen Werk ein. Die Geschichte handelt vom Autor selbst, und wie er 1974 mit einer jungen Frau ein paar Tage an der amerikanischen Ostküste verbrachte. Schlöndorff adaptierte das Ausgangsmaterial zu einer fiktiven Geschichte rund um die Figur des Max Zorn, mit viel Melancholie dargestellt von Stellan Skarsgard. Die Entwicklungen, die Max durchläuft, beruhen aber nicht nur auf Frischs Ideen. Auch Schlöndorffs Biographie hat dem Film seinen Stempel aufgedrückt. In seinem Leben gab es auch jene Frau, mit der es ihm nicht vergönnt war zusammen zu sein.

    Schlöndorff nutzt den Film aber klugerweise nicht, um die Wunschvorstellungen von Max einem Hollywoodtreatment zu unterziehen. Was vorbei ist ist vorbei, vielmehr konzentriert sich der Fokuspunkt auf die Reflexion über Gewesenes und Zukünftiges. Max lebt zu Beginn in einer Traumwelt, in der er noch über das „was wäre wenn“ sinniert. Sein Festhalten an seiner alten Liebe Rebecca und die Lügen, die er seiner aktuellen Frau Clara auftischt und in die er seine Presseagentin hineinzieht, lassen ihn zuerst sehr unsympathisch wirken. Erst in der letzten Viertelstunde des Films erkennt der Zuschauer, welche innere Verzweiflung und Einsamkeit Max durchlebt und versteht seine Motive besser, warum er sich so verbissen an einen vergangenen Glücksmoment klammert.

    Bis diese Fronten überwunden und die emotionalen Mauern endlich eingerissen werden, bleiben die Motive der Charaktere ein Mysterium. Vor allem Nina Hoss‘ Figur der Rebecca bleibt bis auf die Tatsache, dass sie Max nie wirklich vergeben konnte, ein unbeschriebenes Blatt. Die Tatsache, dass er für sie derjenige ist, über den sie nie hinwegkam, steht sogar im starken Kontrast zu der später erwähnten Tatsache, dass anscheinend nicht er derjenige war, der sie für immer unempfänglich für Liebe machte. Nebenfiguren, wie der unkonventionelle Kunstsammler Walter und die quirlige beste Freundin Rachel, bieten Potenzial als interessante Charaktere, über die man als Zuschauer gerne mehr erfahren würde, die aber nicht den nötigen Raum im Film bekommen.

    Die Stärke des Films ist, dass er sein Drama über die Dialoge der Charaktere entfalten lässt. Schlöndorff verzichtet darauf, die Spannung zwischen Max und Rebecca rein über die Bildebene zu transportieren. Die Figuren diskutieren, lügen, attackieren und reden um das Thema herum, bis es schließlich in den Dünen von Montauk zum Showdown kommt. Die Erkenntnis, die Max aus dieser Erfahrung mitnimmt, und die auch in den letzten Minuten nochmals für einen Twist in der Handlung sorgt, ist das stärkste Element im Film.
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    20.02.2017
    08:59 Uhr