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77.4% Bewertung
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    Vom Jungsein und vom Älterwerden.

    Georg (Josef Hader) hat's nicht leicht: Erst verliert er seinen Job als Musikkritiker bei einer renommierten Wiener Zeitung. Für ihn nicht nachvollziehbar, vor allem da sein Ersatz - die jüngere und kostengünstigere Kollegin Fink (Nora von Waldstätten) - nicht mal den Unterschied zwischen Singspiel und Oper zu kennen scheint. Dann sorgt auch noch der Kinderwunsch seiner Frau Johanna (Pia Hierzegger) für so manchen Streit in der Beziehung. Zusätzlich verschweigt Georg dieser seine Entlassung, die allerdings aufgedeckt zu werden droht, als Georgs ehemaliger Vorgesetzter Waller (Jörg Hartmann) Johanna in ihrer Funktion als Therapeutin aufsucht. Georg flüchtet daraufhin in den Wiener Prater und trifft dort auf seinen ehemaligen Mitschüler Erich (Georg Friedrich). Nachdem dieser ebenfalls seine Arbeitsstelle verliert, hilft ihm Georg bei der Wiederinbetriebnahme der "Wilden Maus", dem traditionsreichen Fahrgeschäft. Doch damit gerät alles erst so recht ins Rollen: Ein Machtkampf aus Geheimnissen und Überlegenheitsdemonstrationen zwischen Georg und Waller beginnt. Und als wäre das alles nicht schon genug, sieht sich Georg außerdem mit einem bedeutsamen Veränderungsprozess konfrontiert: dem Älterwerden.

    Josef Hader gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Schauspielern Österreichs. Kein Wunder, wenn man sich seine Filmografie näher ansieht: Er verkörperte in der Vergangenheit nicht nur Kultcharaktere (z.B. in „Aufschneider“ oder in den Verfilmungen der Brenner-Krimis), sondern bewies u.a. anhand von „Vor der Morgenröte“ - einer Verfilmung über das Leben Stefan Zweigs - das ihm auch ernstere Rollen liegen. Nur Regie führte er bislang noch nie. Sein Talent dafür konnte er nun anhand der „Wilden Maus“ unter Beweis stellen: Hier war er neben seiner Regisseurtätigkeit auch als Hauptdarsteller und Drehbuchautor tätig.

    Oft an seiner Seite, beruflich wie auch privat, befindet sich Pia Hierzegger. So auch in der „Wilden Maus“. Die beiden ergänzen sich gut - er in seiner typischen Darstellung des grantigen, zynischen Mannes, sie die frustrierte Alkoholikerin. Aber nicht nur die beiden tragen zu so manch skurriler Szene bei: Auch Georg Friedrich, der unlängst auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, ist im österreichischen Kino kein Unbekannter. Er verkörpert den Fahrgeschäft-Neubetreiber Erich, dessen Leben sowohl witzig als auch tragisch anmutet.

    Die „Wilde Maus“ ist aber trotz aller "Älter werden"-Thematik trotzdem auch eines: ein Film für die jüngere Generation. Ob nun Wiener Schauplätze genommen wurden, die bei jüngeren Leuten beliebt sind, wie das Oben oder die Grelle Forelle oder der Student, der am liebsten Bilderbuch hört. Apropos Bilderbuch: Hader meinte, er wollte eine "Gruppe" nehmen, die ein typischer österreichischer Student hören würde. Was liegt da näher als Bilderbuch? Die Konzertklänge Bachs komplementieren den Soundtrack, die in direktem Kontrast zur Musik der österreichischen Band stehen. Auch die ausgewählten Titel - "Kopf ab" und "Unsere Jugend" - wurden nicht zufällig ausgewählt, verweisen sie doch direkt auf die psychologischen Vorgänge, die sich auf der Kinoleinwand abspielen.

    "Wilde Maus" ist ein typischer Hader-Film, wenngleich er auch kunstvoller wirken will als seine Vorgänger. Die grelle gelbe Schrift der Titeleinblendungen erinnert in diesem Sinne eher an Filme von Wes Anderson als an das österreichische Kino. Und auch die zuvor erwähnte Musik trägt dazu ihren Teil bei. Wenn Hader nackt in einer Schneelandschaft sitzt, mit zerbrochener Brille und verloren wirkend, ist dies ein Bild, das man so schnell nicht mehr vergisst.

    Neben der ernsten Grundthematik darf natürlich auch die humorvolle Komponente nicht fehlen, die in altgewohnter Manier recht bissig ausfällt - schwarzer Humor lässt grüßen! Die "Wilde Maus" ist ein aktueller, österreichischer Film, der sich gekonnt an den heutigen Zeitgeist anpasst. Sehr schön inszeniert stellt er eine nette Unterhaltung mit einer tiefergehenden Thematik dar.
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    01.10.2018
    11:26 Uhr
  • Bewertung

    tragisch-komisch

    Georg könnte einem wirklich leid tun. Wäre es nicht so ein Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich in Selbstmitleid, Zorn und Rachegedanken verrennt. Mit trockenem Humor und tollen Schauspielern bietet der Film gute (böse) Unterhaltung, die Hader's Handschrift trägt.
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    26.02.2017
    20:57 Uhr
  • Bewertung

    Wilde Maus

    Ein typisch österr. Film, satirische Dialoge, schwarzer Humor. Die Rachegelüste stehen im Vordergrund, führen zum Teil zu sehr vandalistischen Handlungen. Immer wieder überraschende Verknüpfungen der im Film mitspielenden Personen.
    Leichter, empfehlenswerter Unterhaltungswert, nur der Schluss fühlt sich nicht gut an, hätte vielleicht auch anders gestaltet werden können.
    Dieser Film trägt sichtbar Haders Schrift.
    26.02.2017
    10:44 Uhr
  • Bewertung

    Achterbahnfahrt des Selbstmitleids

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    „Das wird Leserproteste geben“, versucht Musikkritiker Georg seinen Job bei einer Wiener Qualitätszeitung zu retten. „Die meisten Ihrer Leser sind schon tot“, lautet die nüchterne Antwort seines Chefs. Diese Kündigung ist der Auftakt zu einem wilden Trip, in dem Georg arbeitslos, verwirrt und sich mit angeknackstem Ego immer mehr ins Selbstmitleid hineinsteigert, seiner Frau Johanna die Tatsache verschweigt, dass er keinen Job mehr hat und Tag um Tag im Prater herumstreunert. Dort fährt er um gutes Trinkgeld mit der Liliputbahn und trifft so auf seinen alten Schulkollegen Erich, ebenfalls ein gesellschaftlicher Versager. Mit ihm rächt er sich durch eine Sachbeschädigung an seinem Ex-Chef und beginnt die Achterbahn „Wilde Maus“ wieder in Betrieb zu nehmen.

    Ganz gemäß des Themas „Achterbahn“ schlägt der Film auch inhaltlich immer wieder inhaltliche und charakterliche Haken. Gibt es zu Beginn noch einen sehr linearen Verlauf, der in Georgs Kündigung und Emotionsausbruch endet, so verstreut sich die Handlung im zweiten Akt immer mehr. Georg wandelt zwischen Selbstzerstörung, Rache aber auch Hilfsbereitschaft gegenüber Erichs rumänischer Freundin, die versucht sich eine Zukunft aufzubauen. Es ist schwer Georg wirklich sympathisch zu finden, andererseits fühlt man mit diesem Mann, der nichts Besseres mit sich anzufangen weiß als am Prater herumzusitzen und seinem Chef das Auto und die Wohnung zu zerstören. Ähnliches gilt für den Handlungsbogen seiner Frau Johanna. Zu Beginn noch vom Kinderwunsch besessen, durchlebt sie ihren eigenen Wandel, nachdem sie sich von Georg vernachlässigt und belogen fühlt. Wohin diese Reise sie führt, bleibt jedoch unklarer als Georgs Entwicklung. Sie freundet sich mit einem schwulen Patienten an und geht auf Studentenpartys im Stockwerk über ihrer Wohnung. Wer sie am Ende ist und ob sie zu sich findet, bleibt unbeantwortet.

    Haders Drehbuch hält sich in guten und schwächeren Ideen die Waage. Mit bissigen Kommentaren zeigt er etwa auf, wie die Justiz ein Auge zudrückt, wenn der Polizist ein Fan des Angeklagten ist. Im Gegenzug dazu werden andere interessante Ideen nicht weiterverfolgt. Der Sushi-Koch in dem Restaurant, zu dem Georg und Erich regelmäßig gehen, übt ebenfalls an Georg Rache, da dieser anscheinend mit einer Kritik seine musikalische Karriere ruiniert hat. Haders Figur wird somit ein Spiegel vorgehalten, aber er verfolgt diese Idee nicht weiter und lässt sie im Raum stehen. Ein bisschen mehr Fokus hätte dem Film gutgetan, sowie ein weniger versöhnliches Ende. Wer den österreichischen Film und einen satirischen Blick auf die österreichische Mittelschicht schätzt, ist hier dennoch gut bedient.
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    17.02.2017
    15:42 Uhr