Forum zu Neruda

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    Nerudas Flucht

    Viele kennen den Dichter Pablo Neruda vom Hören Sagen, wissen vielleicht auch, dass er Lyrik geschrieben hat, haben aber nichts davon gelesen. Jenseits der Insiderkreise wurde er erst durch den Film ‘Il Postino‘ bekannt.
    Jetzt hat sich Pablo Larrain des Dichterfürsten angenommen und einen Film über seine Flucht aus Chile gemacht. Die politischen Hintergründe des Landes bleiben etwas vage, außer dass man ihm vorwirft Kommunist zu sein. Larrain konzentriert sich allein auf Nerudas (Luis Gnecco) Flucht und betont dieses Katz- und Mausspiel mit einem ehrgeizigen Polizisten Oscar (G.G. Bernal).
    Ohne auf Vollständigkeit zu beharren, werden in die Handlung recht freizügige Szenen aus Bordellen eingeschoben sowie fiktive Dialoge zwischen Nerudas Ehefrau Delia (Mercedes Moran) und Oscar, in denen die Idee verbalisiert wird, dass sowohl er als auch sie selbst nur gedachte Figuren des Lyrikers und eigentlich unsterblich seien. Das tut der Action keinen Abbruch. Wenig ist von Nerudas Lyrik zu hören (‘ich jagte den Adler, doch ich konnte nicht fliegen‘). Manche Passagen wie die aus der Ode an das Leben klingen wie Aphorismen die sich als Gebrauchsanweisung für den Alltag eignen ‘Langsam stirbt, wer Sklave der Gewohnheit wird.‘ oder voller lyrischen Sonnenscheins ‘Emotionen, die ein Gähnen in ein Lächeln verwandeln.‘
    Der Film betont die ungeheure Beliebtheit des Dichters bei seinen Landsleuten vor allem bei den Genossen der KPC und in Europa (z.B. Picasso) und macht Lust auf Nerudas Gedichte. Anspruchsvolle Unterhaltung.
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    24.09.2018
    13:20 Uhr
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    Poesie durch Film

    Pablo Larrain dürfte, nach dem mehr als gelungenem Biopic über Jackie Kennedy, vielen Leuten ein Begriff sein. Das im selben Jahr erschienene weitere Biopic jedoch über Pablo Neruda jedoch blieb trauriger Weise unbekannt.

    Neruda war ein chilenischer Politiker und Poet, der in einer hitzigen und bewegenden Rede im chilenischen Senat die Antikommunistischen Machenschaften des Präsidenten Gabriel González Videla verurteilte. Darauf folgte die Haftstrafe und die gezwungene Flucht Nerudas.
    Er weigerte sich jedoch ein Leben lang als Flüchtling zu leben und provozierte, indem er in der sich in derÖffentlichkeit zeigte und für das Volk spürbar präsent war.
    Larrain fokussiert sich in dem Film auf diesen Lebensabschnitt dieser Person.

    Mit Eleganz, Schönheit und Kühnheit inszeniert Larrain die wichtigen Erreignis in einer surreal anmutenden Welt. Die Farben, der Bilder, haben einen leichten Hang in das pastellene und betten den Zuschauer in eine unwirkliche, schöne Ästhetik ein. Selbst in den dunkelsten Szenen gibt es ein helles Licht und überbelichtete Fenster oder Ähnliches sind hier ein konstantes Stilmittel.
    Am meisten hat mich jedoch die ungewohnt und ohne Zweifel mutige Schnittführung beindruckt. Oft fehlt zwischen den Szenen ein zeitlicher und räumlicher Kontext, denn Larrain und sein Editor Hervé Schneid entschieden sich, in den Szenen selbst, die Raum und Zeit Kontinuität zu verletzten. Die 180° Regel existiert für Larrain nicht. Wie in einem Gedicht werden diese Schranken aufgehoben. Die Texte und Szenen verweisen auf sich selbst, spielen miteinander, werden Metaphern und Analogien für jede Strophe (Szene) und das ganze Gedicht (Film).

    Neruda ist ein umwerfend schöner und ohne Frage poetischer Film, der nie überheblich oder arrogant wird. Am Ende des Filmes verspürt man eine gewisse unsicherheit, in bezug auf das Verständnis des Werkes aber auch ein Verlangen nach mehr. Ähnlich wie nach einem Gedicht.
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    12.09.2017
    13:57 Uhr