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    Fehler und Reue

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Gespenster gehen um in der Wiener Innenstadt. Man kann sich nur nicht entscheiden was der größere Spuk ist – die Ereignisse, die an der Adresse Schottenring 7 geschehen sind, oder die Tatsache, dass diese, mit Ausnahme einer Gedenktafel, fast gänzlich vergessen wurden.

    Am heutigen Sitz der Landespolizeidirektion Wien befand sich zuerst von 1874 bis 1881 das Ringtheater, dass als leichteres Gegenpol zu den höfischen Institutionen der darstellenden Künste konzipiert wurde. Da man maximalen Profit aus den Geldbeuteln aller Klassen erzielen wollte, wurde auf engstem Raum eine größere Zuschauerkapazität geschaffen als sie sie noch heute das Burgtheater vorweist. Die kapitalistische Architektur wurde zur Falle als am 8. Dezember 1881 ein Feuer ausbrach, das das Gebäude vollkommen zerstörte und durch weitere fatale technische, bürokratische und moralische Fehler mindestens 384 Todesopfer forderte. Nach dem Brand wurden nicht nur die Sicherheitsvorkehrungen für Theater geändert und die Wiener Rettung gegründet. Aus Betroffenheit ließ der Kaiser an selber Stelle ein sogenanntes Sühnhaus errichten, ein zwischen 1886 und dem Zweiten Weltkrieg bestehendes Mietshaus. Auch in diesem Haus waren hinsichtlich der Lage der einzelnen Wohnungen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die spätestens 1848 strikt definiert wurden, klar.

    Die Regisseurin Maya McKechneay nähert sich dem Objekt ihrer Recherchen aus drei unterschiedlichen Strängen – als Geschichte über Geister, einen Brand und die Klassenverhältnisse. Und gibt auch einer zentralen Nebenfigur der Geschehnisse genug Platz, nämlich Sigmund Freud. Durch den sehr dichten und facettenreichen Inhalt ergibt sich eine Form, die größtenteils auf die so übliche Methode der „talking heads“ verzichtet. Die Aufnahmen entsprechen den einzelnen Strängen, einige Details werden durch Animationen ergänzend erklärt, der Großteil der Erzählung wird jedoch im essayistischen Stil umgesetzt.

    Das Gesehene kann man gut mit einer im Film geäußerten, unumstößlichen Wahrheit zusammenfassen: wenn jemand über etwas spricht, sagt das Gesprochene mehr über den Sprecher als über das Besprochene aus. Was für eine Gesellschaft sind wir also, wenn wir weniges huldigen und vieles verschweigen?
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    29.10.2016
    23:25 Uhr