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    Ein Un-Film

    Man sollte das Ende dieses Zitates nicht vergessen: ‘sind nun vorbei‘. In diesem Film sind die schönen Tage wirklich vorbei. Eine statische Kamera dokumentiert die völlige Abwesenheit einer Handlung. Neben einer imaginären Figur eines Dichters von nebenan aus dem Elfenbeinturm, der den Text, den man hört, in seine Schreibmaschine hämmert, sind noch der Wind und ein Mops die weiteren tatenlosen Statisten, dieses Sprechgebildes. Ein optisches und ein akustisches Bonbon hat Wenders dann noch den angestrengt folgenden Zuschauern hingeworfen: eine Jukebox und Nick Cave am Klavier. Beides passt zum Gesehenen wie der sprichwörtliche ‘Arsch auf den Eimer‘.
    Wim Wenders hat sich mit seiner manieristischen Selbstverliebtheit hier ins Knie geschossen. Der Text, den die beiden Figuren (Sophie Semin und Reda Kateb) im Wechselspiel zitieren und der von Handke als Dialog über die Liebe und das Leben angelegt ist, strapaziert das Interesse der Zuschauer auf das Heftigste. Nicht nur wegen der intellektuellen Abgehobenheit – sie diskutieren in geschwurbelten Satzkonstruktionen der Wolkenkuckucksheime - sondern wegen der häufigen Verneinung des im Vorsatz gerade Erwähnten – z.B. es ist das Erkennen, das ich habe, dass nichts erkannt wird oder eine gemachte Zusage, die nicht gemacht wird…etc. - beides sind typische stilistische Handke Merkmale und das nervt auf die Dauer.
    Weil ich auf der Leinwand nichts verpasse, denn da passiert ja nichts, habe ich für längere Zeit die Augen geschlossen…und nur zugehört. Da konnte ich die beiden überflüssigen Figuren vergessen und mir in meiner Fantasie das Gesprochene ausmalen. Das war besser als die großformatigen Gesichter der Akteure ohne jegliche Regung anstarren zu müssen. Das störte nur. Also, es ist kein Film, sondern ein bebilderter Dialog. Einen Titel gibt’s noch: ‘Der laaangweiligste Film aller Zeiten.‘ K.V.
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    23.02.2017
    12:54 Uhr
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    Es gibt keine glückliche Liebe, doch es gibt schöne Sommertage

    Exklusiv für Uncut
    Wie in einem Faltbuch eröffnen sich die besten Seiten und Dimensionen von Paris im makellosen Anfang. Doch scheint es wie eine Nachahmung von Woody Allens Eröffnungssequenz von „Midnight in Paris“, nur menschenleer und ohne Bezug zum darauffolgenden Film.

    Ich trete ein in eine konstruierte Welt, die mich erst leicht aufnimmt, doch in der ich bis zum Ende des Films vergeblich versuche anzukommen.

    Die Kamera dreht sich auf einer überaus idyllischen Terrasse, umgeben von Grün, wieder und wieder um zwei Gesprächspartner. Diese scheinen gefangen in einem Frage-Antwort-Spiel zu den Liebeserfahrungen der geheimnisvollen Frau, abschweifend zu den Eindrücken der umliegenden Natur und dadurch ausgelösten Kindheitserinnerungen.

    Unter dem Aspekt, dass es sich um eine Theaterverfilmung handelt, lässt sich gut nachvollziehen, warum Wenders hier zum wiederholten Male 3D-Technik einsetzt: Es führt tatsächlich zu einer gewissen Bühnen-Ästhetik, durch die ich mich den Figuren näher fühle - doch auch nah genug, um gerade die Zweidimensionalität ihres Agierens zu erkennen. Der Freiraum gebührt hier der Sprache als Hauptfigur des Films. Aktionen sind in den Regeln des Spiels nicht vorgesehen.

    Die Worte stammen aus einem Theaterstück von Peter Handke, der schon immer gegen die visuelle, gegen die unmittelbar sinnliche Welt geschrieben hat, und somit bestimmt schwierig zu verfilmendes Ausgangsmaterial lieferte. Die ästhetischen Mittel der Ausstattung fand ich eher irritierend, eine geschmacklose Glasvase im IKEA-Stil überbrückt die Unschärfe, wenn die Kamera wiederholt um den Tisch kreist, um die beiden Gesprächspartner gleichermaßen abzudecken. Verbindungsfunktion kann auch der kleine Hund, der ab und zu überraschend um die Beine der beiden herum scharrt, oder ein genüsslich verspeister Apfel haben.

    Die Frau, gespielt von Sophie Semin (Handkes Frau), sitzt gegenüber dem arroganten und verführerischen Fragesteller, Reza Kadeb, einem angemessenen, vielleicht sogar überlegenen Spielpartner. Mit ihrer mädchenhaften Unsicherheit fordert sie seine Art des Fragens geradezu heraus, und umgekehrt kommt auch sie durch seine Fragen zur Sprache. Was die beiden Intellektuellen zusammenführt, und aus welchem Grund sie das höfliche, ritualhafte Gespräch mit den vielen Regeln führen bleibt offen. Erfunden sind sie nämlich von einem Schriftsteller, der ihnen aus dem Inneren der Landvilla die Worte in den Mund, und die Schallplatten in die neongrün leuchtende Jukebox legt, die den gut gewählten Soundtrack mit Lou Reed, Gus Black und Verwandten als Kommentar zum Gespräch bis in den Garten trägt. Entgegen Nick Cave’s positiven Worten „…and I believe in love“ resümieren die beiden Akteure: „es gibt keine glückliche Liebe“.

    „Die schönen Tage von Aranjuez“ ist kein Film, der einen zufrieden aus dem Kino gehen lässt, sondern vielmehr anspruchsvolle Kost für Menschen, die mit offen bleibenden Fragen weitergehen können.
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    25.01.2017
    23:11 Uhr