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80% Bewertung
  • Bewertung

    Anna & der Franzmann

    Frantz mit Te Zet ist ein unheimlich leiser Film. Dabei ist er unsagbar traurig und hat aber ein Ende, das durchaus Mut macht.
    Es wird das deutsch-französische Verhältnis nach dem Ersten Weltkrieg thematisiert, unser Erzfeind, wie seit Bismarcks Zeiten viele glaubten. Der Titelheld ist gefallen, Anna (Paula Beer) seine Verlobte pflegt sein Scheingrab auf dem heimischen Friedhof. Hier trifft sie Adrien (Pierre Niney), einen Franzosen, der Frantz gut kannte. In stringenten s/w Bildern erzählt Francois Ozon diese Geschichte, die jedes Mal, wenn eine gefühlvolle Retro ins Bild kommt, farbig wird. Im Verlauf des Films erfahren wir weitere Details über Frantz und Adrien, z.B. dass sie Kunst und Musik liebten, Bilder von Monet z.B. Adrien ist nun nach Deutschland gekommen, um sich als Franzose für den Tod seines Freundes zu entschuldigen und von seinen Eltern (Ernst Stötzner, Marie Gruber) Vergebung zu erlangen. Das bietet Gelegenheit deutschen Nationalismus und Patriotismus gepaart mit Revanchismus in Szene zu setzen. Im kleinen Ort ist ein gewisser Herr Kreutz (Johann von Bülow) der Wortführer dieser Ideen. Beim Vater von Frantz setzt ein Gesinnungswandel ein, aber nur weil ihm Anna Details über den Tod seines Sohnes verheimlicht. Beide trafen nämlich im Schützengraben auf einander… Aber auch Anna löst sich etwas vom unabdingbaren Andenken an ihren Geliebten. Adrien ist nach Hause zurückgekehrt und hat den Kontakt abgebrochen. Anna reist nach Paris und sucht Adrien. Diese wohldosierten Enthüllungen über die beiden Freunde halten das Interesse am Fall hoch. Es fällt sogar ein homoerotischer Schatten auf ihre Beziehung. Und auch in Frankreich erleben wir Nationalismus und Patriotismus gleichermaßen. Anna findet Adriens Familie und seine Verlobte. Ein Melodram kündigt sich an. Am Ende bewundert Anna ein Gemälde von Monet ‘Der Selbstmörder‘, neben einem jungen Mann. Zuvor hatten sowohl Anna als auch Adrien versucht sich das Leben zu nehmen. Ein wichtiger Film, der einen bei allem Ernst der Situation nicht runterzieht.
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    03.10.2016
    18:14 Uhr
  • Bewertung

    Eine zweisprachige Romeo-und-Julia-Geschichte

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    1919, nach dem ersten Weltkrieg: In einem kleinen deutschen Dorf voller Kriegsheimkehrer betrauert die junge Anna (Paula Beer) den Tod ihres Verlobten Frantz (Anton von Lucke). Bei seiner Familie ist sie gut aufgehoben, doch es gibt auch schon einen neuen Anwärter, der an die Stelle von Frantz treten will. Als ob das nicht schon genug Gefühlsverwirrung wäre - kommt wie aus dem Nichts ein Franzose (Pierre Niney), und wagt es, beim Vater, der, wie die meisten im Dorf, voller Hass gegen die Franzosen ist, vorzusprechen. „Du könntest meinen Sohn umgebracht haben!“ wirft dieser ihm an den Kopf, und jagt ihn aus dem Haus, ohne herauszufinden, warum er überhaupt den weiten Weg kam. Die Verbitterung wirkt noch stärker durch die monochromen Bilder, kalt und freudlos ist das Leben dargestellt. Doch Anna hat ein Auge auf den geheimnisvollen Mann geworfen und ahnt, dass er ein Freund von ihrem Geliebten sein könnte, der vor dem Krieg eine Zeit lang in Paris gelebt hatte.

    Die Erinnerungen an Frantz bringen wieder Farbe in das Leben der Familie, die Adrien deshalb mehr und mehr willkommen heißen. Den Hass zwischen zwei Ländern, die beide ihre Söhne in den Tod geschickt hatten, bricht dieser Film Stück für Stück auf, und öffnet so die Herzen für ein höheres Mitgefühl - ein Verzeihen, was auch das stärkste Grundthema des Films ist.

    Die kreative Entscheidung, Schwarz-weiß-Bilder mit farbigen zu mischen ist fantastisch umgesetzt, und die Übergänge sind so fließend, dass es einem immer erst etwas später auffällt.

    Die Geschichte ist sehr einfach aufgebaut, was sich hier aber auch in Vorhersehbarkeit auswirkt. Dass Anna sich einfach so in Adrien verliebt, war etwas zu unvermittelt. Andererseits hat es sich jedoch auch durch die Frankophilie schon aufgebaut: Mit Frantz hatte sie regelmäßig Briefe und Gedichte auf französisch ausgetauscht und so entstand direkt eine besondere Verbindung zu Adrien.

    Eine seelische Verbindung, die sogar so weit führt, dass sie ihm nach Paris folgt. Ein Paris voller Klischees und Kitsch: Begonnen bei einem dampfenden Bahnhof voller Händler, weiter zum ärgsten Hurenviertel, wo sich Anna dann tatsächlich in einer eher zwielichtigen Pension einmietet (nur weil Frantz dort genächtigt hatte…), über die bombastische Pariser Oper, in der sie hofft, Adrien zu finden, bis hin zum nebligen weitläufigen Friedhof und schließlich im Schloss-ähnlichen Herrenhaus von Adriens Familie, wo sich schließlich alles ändern soll.

    Die Musik von Alexandre Desplat hat etwas von einer laufend wiederholten fragmentarischen europäischen Hymne und überträgt ein gewisses Gefühl, das man von französischen Romanzen einfach zu gut kennt. Und so wird man diesen Film lieben, wenn man von französischen Dramen nie genug bekommen kann.

    Die Mischung aus deutscher und französischer Sprache bringt ein sehr schönes poetisches Element in den Film. Doch vor allem die deutschen Dialoge machten eine sehr naive und einfach gestrickten Eindruck der Familie - was aber wahrscheinlich auch angebracht war.

    Ich habe schon durchdachtere Ozon-Filme gesehen, und hatte daher vielleicht zu hohe Erwartungen, so muss ich im Endeffekt gestehen, dass der Film trotz der wunderschönen Szenen und sehr talentierten Schauspieler (Paula Beer hat in Venedig den Preis „Beste Debüt-Schauspielerin“ bekommen) zu sehr aufs Auge gedrückt ist - oder besser gesagt, auf die Tränendrüse gedrückt.
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    20.09.2016
    20:24 Uhr