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4 Bewertungen
70% Bewertung
  • Bewertung

    Schön & Gut

    Fast alle Romane von Jane Austen sind verfilmt worden. Dieser: ‘Lady Susan‘ bisher noch nicht. Und das hat wohl auch seinen Grund. ‘Lady Susan‘ ist eine recht kurze Novelle, in Briefform. Dann muss man, wie es Regisseur Whit Stillman getan hat, sein besonderes Augenmerk auf das Ambiente und die Kostüme richten. Der Film ist nicht nur dialoglastig, er besteht nur aus Dialogen. Ausschließlich! Und wurde von manchem Kritiker dafür gelobt. Dank eines durchaus überzeugend auftretenden Ensembles wird das Wegdämmern verhindert. Hier glänzt vor allen Kate Beckinsale in der Titelrolle. Sie schwirrt durch die Räume des Landsitzes, ficht verbal mit dem Florett und lässt die Herrn der Schöpfung ähnlich tumb erscheinen wie die Damen. Sie ist blitzgescheit, eine scharfzüngige Frau und Mutter, flirtet, entscheidet für sich und andere (ihre Tochter) und bestimmt so den Lebensrhythmus ihrer Umgebung.
    Wie stets in Jane Austens Romanen dreht sich alles um das Thema Nummer eins. Sie war damals gerade mal 19 Jahre, als sie dieses Lesedrama schrieb. Für die Neunzehnjährige, sind die beiden Substantive des Titels reine Science Fiction. So werden echte menschliche Gefühle zerredet, hysterische Gefühlsaubrüche wirken exaltiert. Jane Austen schien aber die Allmacht der Autorin zu genießen. Sie konnte Beziehungen aus dem Nichts wie aus einem Zylinder hervorzaubern. Am Ende gibt es wider Erwarten zwei Hochzeiten und einen überglücklichen Ehemann, der stolz verkündet schon nach zwei Tagen Ehe Vater geworden zu sein. Tempo ist nicht gleich Schwung. Das gesprochene Wort auf die Leinwand zu projizieren reicht nicht als Regieeinfall. Trotz der schönen Bilder ist der Film anstrengend, weil man sich auf die Namen konzentrieren muss, was einem nicht immer gelingt. Aber schön war’s schon.
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    30.12.2016
    18:26 Uhr
  • Bewertung

    Love and Friendship

    Love & Friendship" ist eine heitere witzige Kostümkomödie. Dialoge schneiden durch die behagliche Häuslichkeit wohlhabender Familien. Als Schauplätze dienen beschauliche Landsitze.
    Die schöne und intelligente Witwe Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale) zieht sich Ende des 18. Jahrhunderts auf das Anwesen ihrer Verwandten zurück, als in der gehobenen Gesellschaft Gerüchte über angebliche Affären von ihr zirkulieren. Hier fasst sie den Entschluss, auf die Suche nach einem neuen Ehemann für sich zu gehen, um im Leben endlich wieder voranzukommen. Der adrette Reginald DeCourcy (Xavier Samuel), der jüngere Bruder von Susans Schwägerin Catherine (Emma Greenwall), ist das Objekt der Begierde von Susan. Doch als eines Tages ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) auf dem Anwesen aufkreuzt, geraten die Pläne der egozentrischen Lady in Gefahr. Denn schließlich will sie Frederica mit dem reichen, aber auch recht einfältigen Sir James Martin (Tom Bennett) verheiraten, was der Kleinen aber gar nicht schmeckt. In einem Gespräch mit Reginald verrät Frederica ihm von Susans Absichten – und darüber empört, droht er das Anwesen und damit Lady Susan zu verlassen
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    30.12.2016
    17:06 Uhr
  • Bewertung

    Auf der Suche nach Mr. Reich

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    „This is not a love story“ meinten schon die Macher des Indie-Films „500 Days of Summer“, als sie das Scheitern von Beziehungen in unserer modernen Gesellschaft und den Mythos Liebe genauer unter die Lupe nahmen. Diesen Satz auf Jane Austen zu beziehen, jener Frau, von der so manche moderne Chick Lit Autorin sich noch eine Scheibe abschneiden kann, und die Millionen von Frauen auf die Suche nach ihrem persönlichen Mr. Darcy geschickt hat, wirkt bizarr. Aber eigentlich passt er perfekt in die Welt Austens. In „Love & Friendship“, der Filmadaption ihres Werks „Lady Susan“, ist einfach alles eine Spur ehrlicher.

    Austen schrieb Zeit ihres Lebens über Frauen, die ihren Mr. Right suchen und finden. Was oft bei den romantischen Wirrungen untergeht, ist die blanke Notwendigkeit des 18. Und 19. Jahrhunderts eine Ehe einzugehen, der Zwang der damaligen Frauen eine gute Partie zu finden, da ihnen sonst Armut oder das Amt der Lehrerin drohten. Lady Susans Geschichte ist ebenfalls jene einer Witwe, die sich um das Wohl und die finanzielle Sicherheit ihrer selbst und ihrer Tochter Frederica kümmern muss. „Wir leben nicht, wir besuchen“, fasst sie die Situation nach dem Tod ihres Mannes zusammen. Susan ist sich ihrer Lage schmerzlich bewusst. Sie lässt daher nichts unversucht, eine gute Partie für ihre Tochter zu landen und noch eine bessere für sich.

    Doch ungleich einer klassischen Austen-Heldin hat Lady Susan kein Interesse, Gefühle zu einer Bedingung in dieser Mission zu machen. Wie sie gegenüber ihrer amerikanischen Freundin Alicia Johnson im Geheimen immer wieder betont, geht es ihr rein um das Einkommen. Das Wasser reichen kann der eloquenten, kalkulierten und intellektuell bewanderten Susan sowieso kein Mann. Generell nehmen die Männer in dieser Geschichte eine eher simple und gutmütige Rolle ein. Die Intrigen und Machtkämpfe um ihr Herz und ihren Geldbeutel werden von den Frauen ausgetragen.

    Regisseur Whit Stillmann hat sich über die Jahre eine Filmkarriere mit pointierten Gesellschaftsstücken aufgebaut. Wie in seinem Film „The Last Days of Disco“ aus dem Jahre 1998, vereint er seine damaligen Hauptdarstellerinnen Kate Beckinsale, die eine oscarreife Performance abliefert, und Chloë Sevigny, die die ebenfalls manipulative Vertraute der Protagonistin, oder vielmehr der Antiheldin gibt. Das Kräftemessen von Lady Susan und ihrer Schwägerin Catherine, die verhindern will dass Susan ihren leichtgläubigen Bruder Reginald heiratet und Frederica in die Ehe mit dem dümmlichen James Martin zwingt, gleicht einem militärischen Manöver, einem Schachspiel von hoher Dramatik. So passt es durchaus, dass Stillmann die ungewöhnliche kreative Entscheidung getroffen hat, jeden Charakter in einem nicht der Diegese entsprungenen Profilshot kurz mit Namen und der Verbindung zu anderen Charakteren zu betiteln. Die Figuren werden in Stellung gebracht, die Manipulationen können beginnen. Das wiederholte Einblenden der Namen der Handlungsorte vermittelt das Gefühl in einem Actiondrama zu sein, und nicht in einer Austen-Adaption.

    Der Reiz an dem Film entsteht über die besondere Gabe Susans, Geschehnisse zu ihren Gunsten zu manipulieren. Ihre Sprachgewandtheit und ihr umfangreiches Allgemeinwissen lassen sie ihre Mitmenschen und deren Absichten beeinflussen. Egal in welche Situation Susan gerät, am Ende steht sie immer als die Siegerin da. Selbst ihre Schwägerin erkennt das Genie an, mit dem Susan die Männer um ihren Finger wickelt. Der versierteste Flirt des Landes ist sie laut Reginald DeCourcy. Sein letztes nüchternes Statement bevor er ihr selber heillos verfällt und jedes Anzeichen ihrer wahren Intentionen geflissentlich ignoriert.

    Erwähnenswert ist auch die Leistung Tom Bennetts als James Martin, der dümmliche Verehrers Fredericas, den Susan am Ende selbst ehelicht. Bennett spielt ihn mit viel physischer Komik. James redet langsam, bewegt sich unbeholfen und setzt fast immer ein dümmliches Grinsen auf. In gewisser Weise macht ihn das fast zum sympathischsten Charakter der Geschichte. Er hat keine persönliche Agenda, außer zu heiraten.

    Whit Stillmann hat mit „Love & Friendship“ eine außergewöhnliche Austen-Adaption geschaffen. Mit pointierten Dialogen und Humor schafft er einen kritischen und doch unterhaltsamen Kommentar zur romantischen Idealisierung des 18. Jahrhunderts. Susan ist kein Antagonist. Sie möchte sich ihre Optionen offen halten und beim besten Angebot zuschlagen. In der modernen Welt eigentlich schon altbekannt.
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    24.10.2016
    22:14 Uhr