Forum zu Elle

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9 Bewertungen
71.1% Bewertung
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    Tough Business.

    Eigentlich wollte sie nur schnell die Katze ins Haus lassen. Doch dann wird sie von einer maskierten Gestalt überrascht und zu Boden geworfen. Eine Vergewaltigung findet statt. Danach ist für Michèle (Isabelle Huppert) nichts mehr wie zuvor. Sie, die ihr Leben fest im Griff hatte, sieht sich in einer ihr unbekannten Situation gefangen: Scheinbar das erste Mal im Leben nimmt sie die Rolle der Unterlegenen ein. Und um dies zu ändern, dreht sie das perfide Katz-und-Maus-Spiel um: Der Jäger wird allerdings nicht zum Gejagten, sondern vielmehr zum Kumpanen.

    Die bitterböse Handlung von „Elle“ basiert auf dem 2012 erschienenen Roman „Oh…“ von Philippe Djian. Es ist der erste französischsprachige Film des Niederländers Paul Verhoeven, einem vor allem innerhalb Hollywoods gern gesehenen Filmemacher, der in der Vergangenheit Erfolge mit Blockbustern wie „RoboCop“ oder „Basic Instinct“ feierte. Verhoeven, oftmals Provokateur, schuf mit „Elle“ nun ein Werk, in dem gängige Moralvorstellungen über Bord geworfen werden. Dies manifestiert sich vor allem anhand der Protagonistin: Michèle führt ein skrupelloses Leben, privat wie auch beruflich. Als Leiterin eines Videospielunternehmens haben ihre Angestellten gleichermaßen Respekt wie Angst vor ihr. Ihre Nobelvilla bewohnt sie alleine, ihr Sohn (Jonas Bloquet) ist längst ausgezogen, dessen Vater (Charles Berling) ebenso - vor einiger Zeit, nach der Scheidung. Sie ist jedoch keineswegs einsam, hat sie doch mit dem Mann ihrer besten Freundin (Anne Consigny) eine Affäre, von der natürlich niemand etwas ahnt. Als sie überfallen wird, gibt es keine Zeugen. Nur ihr Kater wird zum stillen Beobachter des Horrorszenarios.

    Michèle informiert nicht die Polizei, erwähnt ihrem Sohn gegenüber lediglich einen Fahrradunfall, als dieser sie auf ihr blaues Auge anspricht. Ihren Freunden erzählt sie während eines gemeinsamen Essens beiläufig vom Vorfall. Als der Täter sie immer wieder heimsucht, macht Michèle es sich zur Aufgabe, dessen Identität herauszufinden. Als ihr dies letztendlich gelingt, führt sie ihr Weg abermals nicht direkt zur Polizei, sondern sie wird zur Komplizin in einem sadistischen Spiel: Einer Vollkommenheit zwischen Macht und Unterwerfung. 1971 sorgte Sam Peckinpah für Aufsehen, als er in „Straw Dogs“ eine Vergewaltigungsszene zeigte, in der das Opfer Gefallen an der Tat zu haben schien. 2016 führte Verhoeven diesen Gedanken weiter und entwickelte daraus das grundlegende Motiv von „Elle“.

    Die Premiere des Films fand während der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2016 statt, wo „Elle“ auch im Wettbewerb um die Goldene Palme nominiert war, letztendlich allerdings dem britischen Milieudrama „I, Daniel Blake“ unterlegen ist.

    “She’s what I would call almost like a post-feminist character, building her own behavior and space.” meint Huppert während dem New York Film Festival über ihre Rolle. “She doesn’t want to be a victim, that’s for sure, but she doesn’t even fall into the caricature of the revenge avenger. She’s somewhere else.” Und genau da liegt auch die Besonderheit von „Elle“: Michèle wird nicht einfach nur als Opfer dargestellt - eine "der Frau" typisch zugeschriebenen Rolle. Ihre Charakteristik ist viel komplexer, sie wirkt geradezu omnipotent. Ihre Beweggründe zugleich undurchschaubar wie auch konsequent.

    Die Figur der Michèle vereint auch noch zwei Attribute miteinander, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen: Tragik und Komik. Schwarze Komödie meets amüsantes Drama. Die Handlung ist zwar durchzogen von ernsten Thematiken - im Hinblick darauf sticht neben der Vergewaltigung vor allem die Serienmörder-Vergangenheit von Michèles Vater ins Auge - das Skript ist allerdings pointiert witzig verfasst, was gerade die Besonderheit dessen ausmacht.

    Nicht nur die expliziten Szenen des Überfalls erinnern uns an unsere voyeuristische Position im Kinosaal, sondern man wird als Zuseher scheinbar hautnah Zeuge von absurden Familienzusammenkünften, harten Konkurrenzkämpfen und gewinnt einen Einblick in das Leben einer scheinbar grotesk anmutenden Frau - erzkatholisches Nachbarehepaar (Virginie Eifre & Laurent Lafitte) inklusive. Verhoeven ist mit „Elle“ die Synthese zwischen Psychothriller, Schwarzer Komödie und Vergewaltigungsdrama gelungen, die vor allem durch die starke Darstellung seitens Huppert ins Auge sticht.
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    01.10.2018
    00:22 Uhr
  • Bewertung

    Licht und Schatten/rape and revenge

    30 Minuten sitze ich jetzt schon vor einem weißen Blatt Papier und versuche meine Gedanken zu diesem Film einzuordnen...
    Ohne den Trailer gesehen zu haben, ohne mir dem breiten Spektrum an Meinung zu diesem Film bewusst gewesen zu sein, habe ich mich in das Wagnis "Elle" gestürtzt. Klar, Paul Verhoeven ist natürlich mit diversesten Klassikern vorbehaftet, Isabelle Huppert dafür von vielen geliebt, von manchen gehasst. Genauso schwierig ist dieser Film einzuordnen.
    An der Skrupellosigkeit von Michele verschluckt man sich das eine oder andere Mal ordentlich am Kinogetränk, das Bild, das so über die erfolgreiche Managerin gezeichnet wird, lässt sich wohl nur als politisch inkorrekt beschreiben. "Elle", also "sie", steht im Zentrum einer Patchwork-Gemeinschaft, die von der durchgeknallten Freundin ihres Sohnes über den Mann ihrer Freundin und Geschäftspartnerin Ana, mit dem sie Sex hat, bis er ihr zu dumm wird, bis hin zu den leicht schnöseligen, katholischen Nachbarn. Verhoeven setzt dieses Sammelsurium an Personen, die jede für sich noch viel skuriler erscheint, in eine Szenerie, die von Ironie durchsetzt zu sein scheint. Eine spontane Weihnachtsfeier, bei der Iggy Pop aus der Heimanlage dudelt, die Weihnachtsmette im Fernsehen läuft und nach einem klärenden Gespräch zwischen Mutter und Tochter, erstere mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird steht symptomatisch für den Wirrwarr im Leben der Beteiligten. Vorhersehbarkeit gleich null. Trotzdem gelingt es, dass jede einzelne Persönlichkeit für sich und die Geschichte im relevanten Maße herausgearbeitet wird.

    Ein Gesellschaftsdrama, das auf jeder Ebene noch einmal um eine Facette reicher wird, bei dem es aber jedem selbst überlassen sein muss, ob die Egozentrik der Hauptcharakterin bereits ein Schritt zu weit war.
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    26.02.2017
    17:54 Uhr
  • Bewertung

    Elle

    Isabelle Huppert liefert eine sensationelle schauspielerische Arbeit. Aber dies ist auch schon meine einzige positive Bewertung zu diesem Film. Von Kindheit an schwer traumatisiert, ist sie nicht wirklich bindungsfähig, Ehe gescheitert, als Mutter zum Sohn keine richtige, liebevolle Beziehung, Schnellsexaktionen mit dem Mann ihrer besten Freundin, dies teilt sie ihr unnötigerweise dann auch noch mit, hat keine Skrupel anderen Seelenleid zuzufügen. Zeigt sich nach außen hin, beherrscht, bestimmend, über allen Dingen stehend. Die Vergewaltigung im eigenen Haus, verarbeitet sie sachlich, irrational. Und als sie den Vergewaltiger entlarvt, zu dem sie sich im Alltagsleben sogar hingezogen fühlt, lässt sie weitere brutale Vergewaltigungen zu. Jeder normale Mensch ruft bei einem Unfall die Rettung, sie nicht, ruft den Peiniger zu Hilfe. Es fällt einem wirklich schwer, dieser selbst sich zerstörenden Art der Michele beizuwohnen. Sie verkörpert damit einen Frauentyp, der Vergewaltigungen, Brutalitäten nicht allzu viel auszumachen scheinen, überhaupt sexuelle Erniedrigungen, denn wenn ihr Liebhaber nach ihr pfeift, steht sie ihm unter absurdesten Umständen zur Verfügung.Es fällt einem schwer, mir ist das unmöglich, Mitleid mit ihr zu haben. Ich kann daher den Inhalt des Filmes nicht empfehlen, denn er widerspricht dem realen Handeln eines Opfers, stellt das Bild der Frau in einem schlechten Licht dar.
    26.02.2017
    10:32 Uhr
  • Bewertung

    Thriller mit schwarzem Humor

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Über „Elle“ zu schreiben fühlt sich an wie ein Minenfeld. Nicht nur, weil die Meinungen, die mir bisher über diesen Film zu Ohren gekommen sind, ein sehr weites Spektrum abdecken. Unabhängig davon denke ich, dass dieser Film, mehr noch als andere Filme, auf Grund seiner Thematik sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Unterschiedlich verstörend und unterschiedlich intensiv. Einigen kann man sich sicherlich darauf, dass eine hypnotisierende Isabelle Huppert diesen Film ausmacht. Wahrscheinlich kann man sich auch noch auf die Ästhetik von Paul Verhoevens Film einigen. Meiner Meinung nach hört dann der Konsens aber auch schon auf: Für mich ist die Kombination aus schwarzem Humor, Vergewaltigungs-Thriller und Drama weitest gehend gut geglückt (man kann diesen Satz eigentlich kaum stehen lassen, aber das passt wirklich zu diesem Film!). Aber ich denke, das kann man auch ganz anders sehen.

    Es hätte dem Film gut getan, die eine oder andere Wiederholung auszulassen. Die für mich leider oft vorhersehbaren Überraschungsmomente, haben bei mir eher die Spannung von einem „Tatort“ erzeugt.

    Sehenswert ist dieser Film alleine auf Grund der großartigen Protagonistin – ansonsten denke ich, dass es möglich ist diesen Film zu hassen oder vollkommen hinein zu kippen. Deshalb kann ich nur empfehlen sich selbst dazu eine Meinung zu bilden.
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    08.11.2016
    20:26 Uhr