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    laut, lauter, Familie

    Nach dem hochgelobten "Mommy", knüpft Xavier Dolan an seinen eigenen Erfolg an. Gestern wurde sein neuer Film mit 3 César Awards ausgezeichnet, unter anderem für die beste Regie.

    Der kanadische Jungregisseur mit dem Mutter-Komplex ist längst kein Unbekannter mehr in der queeren Filmszene. "Juste la fin du monde" glänzt erstmals mit einem hochkarätigem Cast, der aus allem besteht, was gerade angesagt ist und französisch spricht. Gaspard Ulliel, der den César als bester Schauspieler gewann, spielt den jungen, sterbenskranken Autor Louis, der einst seine Heimat und seine Familie verlassen hat (die Gründe hierfür werden nie wirklich aufgedeckt) und jetzt zurückkehrt, um seiner längst entfremdeten Familie zu sagen, dass er sterben wird.

    Seine Rückkehr wird mit gemischten Gefühlen aufgenommen, noch bevor er überhaupt sagt, wofür er gekommen ist. Seine Mutter freut sich und versucht den perfekten Empfang zu gestalten. Seine kleine Schwester (Léa Seydoux) ist gespannt, ihn kennenzulernen, war sie doch zu klein, als Louis wegging, um sich an ihn zu erinnern. Sein großer Bruder (Vincent Cassel) ist enttäuscht und weiß das nicht anders als in Wut auszudrücken und seine Schwägerin (Marion Cotillard) versucht das Familiendrama so angenehm wie nur möglich für alle zu gestalten.

    Xavier Dolan erfindet das Familiendrama nicht neu, aber er gestaltet es noch emotionaler als gewohnt. Besonders berührend gefilmt sind die zwei Szenen, in denen Louis das Haus betritt und wieder verlässt. Zwischen diesen Szenen gibt es viele gut geschriebene und toll gespielte Streitereien. Besonders toll ist das Gespräch unter vier Augen zwischen Louis und seiner Mutter. Mütter ins Xavier Dolans Filmen sind oftmals schwierige Frauen und zentrale Figuren in seinen Filmen. So auch in diesem Film, ihr Charakter hat als einziger keinen Namen, sondern wird nur le mére, also Mutter, genannt. Doch diese Mutter ist wesentlich unproblematischer als wir es sonst von Dolans Filmen gewohnt sind, wird sie hier nicht als diejenige dargestellt, die Schuld daran ist, dass ihr Sohn sie verlassen hat. Sie ist in der Tat sogar das allerbeste am Film.

    Doch so gut geschrieben die Roller der Mutter ist, die des Sohnes Louis ist es nicht. Er ist wortkarg und man erfährt nicht so viel über ihn, auch nicht wieso er die Familie verlassen hat. Sein Charakter wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr mysteriös, sondern unvollständig. Auch wenn es Spaß macht, Gaspard Ulliel bei seinem Spiel zuzusehen, wird es nicht gerade leicht gemacht, sich in den Protagonisten hineinzuversetzen.

    Ein großes Plus ist aber der Soundtrack. Dolan hat eine eigene, unverwechselbare Art, Musik in seine Filme einzubauen. Trashige Pop-Klänge, die jeder kennt und längst niemand mehr hören kann, bekommen einen neuen Kontext und werden zum Soundtrack wunderschöner, melancholischer Bilder.

    Auch wenn "Juste la fin du monde" hier und da ein paar Schwächen aufweist, ist es trotzdem ein rührend in Szene gesetztes, sehenswertes Familiendrama.
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    25.02.2017
    21:13 Uhr