2 Einträge
3 Bewertungen
75% Bewertung
  • Bewertung

    Ästhetik der Leere

    In Nikolaus Geyrhalters neuester Dokumentation 'Homo Sapiens' stellt man sich folgende Fragen: Wie sähe die Welt ohne Menschen aus? Was bleibt? Ist der Mensch nur ein kleiner Teil dieser Welt, die sich nur von diesem erholen und regenerieren muss?

    Eine Antwort, die man für sich selbst finden muss. Umso klarer die Bilder sind, die uns vermittelt werden, desto zurücknehmender der Ton. Mit einer nahezu gespenstischen Stille wirken die Bilder zunehmend stärker und erwecken den Anschein, als könnte es sich hierbei tatsächlich um eine Welt ganz ohne Menschheit handeln, als würde sich die Natur zurückholen wollen, was ihr gehört. Mit viel Fantasie könnte man meinen, die Bilder seien nicht der Realität entsprungen, sondern direkt aus einem postapokalyptischen Sci-Fi-Film .
    Nikolaus Geyrhalter zeigt vom Menschen geschaffene Konstrukte und Bauwerke, und auf ebendiese Weise wird dessen Abwesenheit thematisiert. Leere Fabriksgebäude, eine halb verfallene Diskothek, ein verlassener Vergnügungspark, der ebenso Schauplatz eines Horrorfilms sein könnte.

    So monumental auch die Ästhetik der gezeigten Orte sein mag, ist hier dennoch Kritik angebracht. Der Film, der mit immer gleichem Muster beinahe "Stillleben" der Landschaften anlegt, hätte meiner Meinung nach ebenso Wirkung, wären es nur Fotografien in einer Ausstellung. Das 94-minütige Werk wirkt daher sehr langatmig und streckenweise bemüht in die Länge gezogen, die Stille beinahe einschläfernd.
    Nichtsdestotrotz ist dem Regisseur hiermit etwas gelungen, was das Ziel eines jeden Dokumentarfilmers sein sollte: Seine Zuseher zum Reflektieren über die Wichtigkeit der Dinge und des Lebens zu bewegen.
    img_20211124_211334_170_479b6b0698.jpg
    04.04.2017
    09:54 Uhr
  • Bewertung

    Stillleben oder lauter Tod

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    Eine Meditation über die menschliche Rasse und ihren Rücklass im Wettstreit mit der Natur präsentierte uns der österreichische Dokumentarfilmemacher Nikolaus Geyrhalter.

    Es ist ein Genuss in jedem Bild versinken zu können und wie in einer Fotoausstellung auch jedes davon richtig auf sich wirken lassen zu können. Nur dass die Fotos einen leicht bewegten Inhalt haben und ein nicht zu verachtendes Sounddesign. Mit „Dolby Atmos“ umringen einen die komplett nachvertonten Geräusche und der Klang unterstützt so die gehaltvollen Bilder in beeindruckender Weise. Das wirkt besonders bei den Naturgewalten: Viel Wind, Schneestürme, Sandstürme, Regen und Meereswellen machen mich als Mensch ehrfürchtig vor dieser höheren Macht, die das Menschliche doch langsam verschwinden lassen kann.

    Die Langsamkeit der Schnitte ist definitiv nicht jedermanns Sache und auch Nikolaus Geyrhalter merkte an, dass sein Film zwar ein Dokumentarfilm sei, aber im weniger klassischen Sinne. Ohne wirkliche Handlung kann der Film auch nie besondere Spannung erzeugen, was mich eben in dieses meditative Gefühl gleiten ließ. Dramaturgisch lässt sich höchstens interpretieren, dass sich die Orte immer mehr von klar erkennbaren Funktionen distanzieren, bis nur noch schiefe Stäbe aus der Erde stehen ohne Hinweis auf eine Verwendung.

    Eine der Anforderungen, nach denen der Locationscout Simon Graf recherchierte, war es, Orte zu finden die sich selbst erklären. 220 Shots in ca. 70 verschiedenen Locations rundum die Welt besuchte das dreiköpfige Kernteam für den Film und die Mühe hat sich gelohnt. Eine riesige verfallene Kuppel, ein Raum voller Vogelkäfige, kaum erkennbare Autos in der Natur, von Bäumen überwachsen, eine alte Kirche mit im Wind quietschenden Lampen. Die detailreichen Bilder, akribisch kadriert von Geyrhalter selbst lassen einen durch Raum und Zeit reisen und selbst die Geschichte erfinden. Zwischendurch markieren Schwarzbilder den Übergang zu einer neuen „Epoche“, aber welchen Zusammenhang diese Abschnitte wirklich haben bleibt bleibt für den Zuschauer herauszufinden. Ein Film, der zum Nachdenken über uns Menschen anregt und das auf höchst ästhetische Weise.
    lucyvontrier_f4cd20cca7.jpg
    14.02.2016
    10:03 Uhr