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    Ein Muss für Literaturliebhaber!

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    „Genius“ ist das Filmdebut vom Londoner Theaterregisseur Michael Grandage, der mit der Adaption von Scott Bergs Biografie „Max Perkins: Editor of Genius“ einen fantastischen Auftakt in der Filmwelt bringt.

    Was macht Literatur aus? Strenge Formen oder unbändige Fantasie? Dieser Frage müssen sich Lektor Maxwell Perkins (Colin Firth) und Amateurautor Thomas Wolfe (Jude Law) stellen, als sie im New York der 1920er Jahre das erste Mal aufeinandertreffen. Maxwell verliebt sich sofort in die schönen Worte des jungen Wolfe und erkennt ein gewaltiges Potenzial in ihm. Es entsteht eine wunderbare Freundschaft zwischen Lektor und Autor, die zwar einen beruflichen Aufschwung bedeutet, wodurch aber das private Leben beider Männer sehr leidet.

    Dieser Film ist ein Liebesbrief an alle Literaturliebhaber. Man bekommt Einblick in die Welt des Editierens und Publizierens von Büchern in den 1920ern und lernt zwei fabelhafte und äußerst interessante Charaktere der Literaturwelt kennen: Lektor Maxwell Perkins und Autor Thomas Wolfe. Maxwell Perkins, wunderbar gespielt von Colin Firth, ist eine sehr sympathische Figur, die der Kinozuschauer sofort ins Herz schließt. Er liebt seine Arbeit, seine Familie, seine Bücher. Als er dann auf den jungen Thomas Wolfe (großartig dargestellt von Jude Law) trifft, bekommt sein Leben einen Schwall an Aufregung. Wolfe ist ein sehr exzentrischer Charakter, der impulsive Entscheidungen trifft ohne viel nachzudenken, und im „hier“ und „jetzt“ lebt, anstatt zu viele Gedanken an die Zukunft zu vergeuden. Noch dazu ist er ein Genie der Worte: Maxwell wird vom tausendseitigen Manuskript „O Lost“ sofort in den Bann gezogen und verliebt sich in jedes einzelne Wort von Wolfe. Auch dem Kinozuschauer geht es ähnlich wie Max, Wolfe beherrscht die Kunst des Schreibens einfach fantastisch. Sobald durch ein Voice-Over von Jude Law einzelne Passagen von „O Lost“ vorgelesen werden, verliert man sich in dieser Welt und lässt sich davon tragen von diesen bezaubernden Worten.

    Die zwei Protagonisten sind dem Drehbuchautor John Logan (Drehbuch für „Gladiator“, „Aviator“, „James Bond 007 – Skyfall“) wieder einmal wunderbar gelungen. Während man mit Maxwell sofort sympathisiert, weiß man als Zuschauer nicht, wie man sich Thomas gegenüber fühlen soll. Er ist zwar lebensfroh und leidenschaftlich, aber auch extrem egoistisch und erfolgsfixiert. Ich glaube, mit dieser Figur zeigt sich Faszination, die der Mensch mit dem exzentrischen Genie hat: Obwohl er kein wirklich sympathischer Mensch ist, ist er interessant genug, dass man unbedingt wissen will, wie es mit dem Charakter weitergeht. Das Casting dieser zwei Figuren hätte auch nicht besser sein können, Firth und Law sind fabelhaft!

    Auch die Darstellung der zwei Frauenfiguren fand ich durchaus überzeugend, sie haben nämlich beide etwas, das der jeweils anderen fehlt. Wolfes Geliebte Aline ist erfolgreiche Theaterkostümbildnerin und macht in diesem Bereich ganz groß Karriere: ein Leben, das sich Perkins’ Ehefrau Louise als Theaterliebhaberin sehnlichst wünscht. Andersrum führt Louise eine glückliche Ehe, einen funktionierenden Haushalt und hat liebenswürdige Kinder, etwas, das Aline wahnsinnig gerne hätte. Anhand nur einer Interaktion zwischen diesen zwei Frauen wird dem Zuschauer klar, dass sie sich insgeheim einander beneiden.

    Das Einzige, was ich jedoch wirklich schade an „Genius“ fand, war, dass man sich so sehr auf Maxwell und Thomas konzentriert hat und somit die anderen Autoren F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway komplett außer Acht gelassen wurden. Über diese Charaktere hätte ich auch gerne mehr erfahren, aber leider kommen sie höchstens nur zwei Mal im Film vor.

    Alles in allem, fand ich „Genius“ sehr gelungen und als Bücherwurm und Liebhaber von klassischer Literatur hat er mich sehr angesprochen und zufrieden gestellt.
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    19.02.2016
    09:38 Uhr