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    die Zukunft

    Ein kleiner Film über den Alltag einer vierköpfigen Familie. Dabei dreht sich alles um Nathalie (Isabelle Huppert), die ein gutbürgerliches Leben führt. Die Schicksalsschläge wirken auf sie wie eine Befreiung: Ehemann Heinz (André Marcon) geht fremd, Oma Yvette (Edith Scop, Leinwandikone aus den 50er Jahren) muss ins Heim und stirbt bald darauf, sie selbst ist Lehrerin und veröffentlicht philosophische Abhandlungen, die plötzlich nicht mehr verlegt werden.

    Unbeirrt schippert sie ihren persönlichen Kahn durch bewegte See und behält den Kopf dennoch über Wasser. Selbst ein sexloses Verhältnis mit ihrem Lieblingsschüler Fabien (Roman Kolinka) gestaltet sie nach ihren Vorstellungen. Die Huppert trägt den Film, der keinen Höhepunkt und kein Highlight hat und uns auch keine neuen Erkenntnisse bietet. Nachwuchsregisseurin Hansen-Love hat einen Mädels Film gemacht, der heute keinen mehr vom Hocker haut, versteht ihn aber wohl als Mutmacher. Ist heute nicht mehr nötig, obwohl der Originaltitel Die Zukunft lautet. Ja welche denn oder wessen Zukunft meint die Gute. Der deutsche Titel erinnert an Verkaufsslogans wie ‘Alles muss raus!‘ Damit kann man auch nichts anfangen. Nichts Neues an der Familienfront also. K.V.
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    26.02.2021
    19:03 Uhr
  • Bewertung

    Die Wiederentdeckung der Freiheit.

    Für Nathalie Chazeaux (Isabelle Huppert) stellt die Philosophie einen wichtigen Bezugspunkt in ihrem Leben dar: Sie unterrichtet besagte Wissenschaft, genauso wie ihr Ehemann Heinz (André Marcon), und verfasst nebenbei philosophische Essays und Schulbücher. Als ihr Mann sie nach 25 gemeinsamen Ehejahren für eine andere Frau verlässt, ihre Mutter (Édith Scob) in ein Altersheim übersiedelt und auch die beiden Kinder Flüge werden, weiß Nathalie im ersten Moment nicht, mit ihrer neugewonnen Freiheit umzugehen. So besucht sie einen ehemaligen Schüler (Roman Kolinka), dessen minimalistischer Lebensstil so ganz konträr zu ihrem eigenen erscheint. Oder entdeckt sie dadurch längst vergessene Ambitionen wieder, die sie im Laufe ihres Lebens verloren zu haben glaubte?

    Isabelle Huppert ist mit sechs Filmen alleine im Jahr 2016 eine der zurzeit meistbeschäftigsten Schauspielerinnen Frankreichs. Neben der in Paul Verhoevens "Elle" sticht vor allem ihre Darstellung in "Alles was kommt" hervor – obwohl die zwei Figuren sich an Gegensätzlichkeit nicht überbieten könnten, gibt es doch eine Gemeinsamkeit: beide Frauen beweisen eine Stärke, die sie trotz aller Umstände nicht in eine Opferrolle abgleiten lässt.

    Es ist die erste Zusammenarbeit zwischen ihr und der französischen Regisseurin Mia Hansen-Løve, welche mit dem Filmemacher Olivier Assayas verheiratet ist und deren Eltern ebenfalls Philosophieprofessoren waren. Hansen-Løve zeigt in ihren Filmen gerne Menschen, die an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt stehen und nicht so recht wissen, damit umzugehen. In dem 2011 erschienen Werk "Un amour de jeunesse" ging es noch um die erste Liebe und den Übergang von der Adoleszenz ins Erwachsenenalter. In "Alles was kommt" hat Nathalie dieses längst erreicht bzw. durchlebt und sieht sich nun vor die Aufgabe gestellt, ihre verschiedenen Rollen – jene als „Mutter“, als „Ehefrau“, als „Tochter“ – hinter sich zu lassen.

    Huppert verkörpert Nathalie als Frau, die ihre Orientierung verloren hat. Darauf reagiert sie allerdings nicht mit Verzweiflung, sondern viel eher geht eine anfängliche Unsicherheit über in neu gewonnenen Mut.
    „Ich wollte, dass Nathalie ironisch sein kann, aber nie verbittert wirkt.“ meint Mia Hansen-Love im Gespräch mit dem Standard. Und weiters: „Meine Figuren haben ihre Schwächen, ihre Melancholie. Aber sie haben auch einen Glauben, der sie weiterschreiten lässt.“ Die Ambiguität, die Nathalie umgibt – ihre Orientierungslosigkeit und ihre Stärke – kommt vor allem in den stillen Momenten zum Ausdruck: Wenn sie weint, macht sie dies nie vor den anderen Charakteren. Nur vor dem Zuschauer.

    Philosophische Fragen ergeben sich genauso wie sozialpolitische. Theodor W. Adorno, Hans-Magnus Enzensberger und Günther Anders sind Namen, die im Laufe des Films fallen. Genauso Schlüsselbegriffe wie die Frankfurter Schule, Anarchismus oder Radikalität. Ein Hintergrundwissen dazu wäre für den Subtext des Filmes zwar von Vorteil, für das Verständnis dessen Grundaussagen allerdings nicht unbedingt unabdingbar.
    "Alles was kommt" bewegt sich vom melancholischen Blick in die Vergangenheit Richtung erwartungsvollen Blick in die Zukunft. Wie diese jedoch für Nathalie aussieht, lässt der Film offen. Wichtig ist ohnehin nur, dass ihr nichts mehr im Wege steht.
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    24.08.2018
    16:55 Uhr
  • Bewertung

    Isabelle Huppert spielt fantastisch!

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    „L’avenir“ war einer dieser Filme, auf den ich mich persönlich schon wahnsinnig gefreut habe, da bisher jeder Film von der Regisseurin Mia Hansen-Løve überzeugen konnte. Glücklicherweise kann man das auch von diesem Film behaupten.

    Der Mittelpunkt des Films ist Nathalie, großartig gespielt von Isabelle Huppert. Eigentlich führt sie ein relativ erfülltest Leben: Sie liebt ihre Arbeit als Philosophielehrerin, veröffentlicht philosophische Texte in einem kleinen Verlag und hat einen Ehemann plus zwei Kinder an ihrer Seite. Sie ist beliebt bei ihren Schülern und auch ihr ehemaliger Schüler Fabian (Roman Kolinka), der für Natalies Verlag ebenfalls Texte schreibt, hegt noch tiefen Respekt und Bewunderung für sie. All das gerät jedoch aus den Fugen, als ihr Ehemann Heinz (André Marcon) beschließt mit einer anderen Frau zusammenzuziehen. Natalie steht nun eine Freiheit bevor, die sie gar nicht kennt und mit der sie erst lernen muss umzugehen.

    „L’avenir“ kreiert mit Natalies Figur ein sehr selbstbewusstes Frauenbild, mit dem man sich gerne identifizieren möchte. Die Nachricht über die Affäre ihres Ehemanns nimmt die Protagonistin überraschend gelassen auf: Sie macht kein Theater oder unnötiges Drama, sie findet sich mit der Tatsache ab und versucht nach einem Weg zu finden mit ihrem Leben fortzufahren. Als Philosophielehrerin hat sie durchaus kritische Ansichten über die Welt, die sie den Menschen in ihrer Umgebung mitteilt. Dieser Charakter hat derart intellektuelle Weltanschauungen, dass man ihn auch als Kinozuschauer sehr bewundert. Zu ihrer possessiven Mutter (Edith Scob) pflegt sie ebenfalls eine gute Beziehung, obwohl diese Frau wirklich nicht einfach zu ertragen ist.

    Die Tatsache, dass Natalie wegen der Trennung von ihrem Mann weder in Depression noch in Selbstmitleid versinkt, macht sie als Charakter nur noch stärker. Sie verbleibt in einer respektvollen Beziehung zu Heinz, ist ihren Kindern eine gute Mutter und ihren Schülern ein tolles Vorbild. Doch Gott sei Dank hat diese scheinbar perfekte Figur ebenfalls ihre Ecken und Kanten, ansonsten würde sie ja gar nicht glaubhaft wirken. In Momenten, wo sie sich unbeobachtet fühlt, gibt sie sich ihren Gefühlen hin und weint sich in den Schlaf. Die Wahrheit ist nämlich, dass sie sich manchmal überfordert fühlt und auch sehr einsam ist. Diese Momente der Schwäche erleichtern es dem Kinozuschauer jedoch umso mehr, mit Natalie zu sympathisieren.

    Besonders schön fand ich die Geschichte um Natalie und Fabian herum. Es war eine wunderbare Freundschaft, die mitzuerleben richtig Freude machte. Fabian ist ebenfalls ein sehr sympathischer Charakter, den man gleich ins Herz schließt. Manchmal fragt man sich jedoch, ob sich Natalie und Fabian eigentlich nicht zueinander hingezogen fühlen, aber die Antwort auf diese Frage muss sich der Zuschauer selber geben, denn im Film passiert nichts Intimeres zwischen den beiden.

    Alles in allem handelt es sich bei „L’avenir“ um ein gelungenes Drama mit einer fantastischen schauspielerischen Leistung von Isabelle Huppert. Könnte die „Queen of Cannes“ heuer einen silbernen Bären bekommen? Keine Schauspielerin war nämlich öfter in Cannes Filmen vertreten und hat mehr Preise bekommen. Man darf gespannt sein!
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    15.02.2016
    21:40 Uhr