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    Opfer einer Impulshandlung.

    Andreas (Philipp Hochmair) und Stefan (Lukas Turtur) leben gemeinsam mit ihrem Kater Moses (gespielt von Händls Kater Toni und bezeichnend für das Findelkind) in einem Haus am Rande von Wien. Sie kochen gerne Marmelade ein, arbeiten beide im selben Orchester und verbringen ihre Abende häufig in geselliger Runde unter Freunden. Das Paar wirkt glücklich und harmonisiert vor allem auch auf sexueller Ebene. Das Glück scheint perfekt, der Alltag gefüllt von Liebe, Musik und Leidenschaft.

    Für ihn war es am schwersten, eben jenen gewöhnlichen Alltag darzustellen, meint Klaus Händl, der Regisseur des Films, im Zuge der Viennale - bedenke man nur, was noch folgen sollte. Denn die Gewohnheit des Alltagslebens nimmt ein jähes Ende als Stefan, einem plötzlichen Impuls folgend, eine unvorstellbare Tat begeht.

    Plötzlich ist nichts mehr wie zuvor: Es gibt von nun an nur noch eine Zeit vor und eine Zeit nach dem Unfall. Oder handelte es sich überhaupt um einen Unfall? Andreas ist verunsichert. Was hat seinen Partner, den er so gut zu kennen glaubte, zu so einer Tat bewogen? Er sieht darin zwischenzeitlich sogar einen unterdrückten Hilfeschrei Stefans, um mit dem gemeinsamen Lebensstil zu brechen. Die Nähe zwischen den beiden wird in der Folge immer mehr zum Problem. Erst durch eine zweite Tragödie kann die erste etwas in den Hintergrund rücken. Was allerdings noch lange nicht bedeutet, dass im Leben von Stefan und Andreas je wieder alles so sein wird wie zuvor.

    Untermalt wird diese, ja man könnte schon regelrecht meinen, Tour-de-Force, mit Musik: sei es die klassische Musik, die täglich das Haus durchströmt oder die Musik, die an ihrem Arbeitsplatz entsteht. Hierfür hat das ORF-Radiosymphonie Orchester einen Gastauftritt, Kabarettisten wir Gerald Votava oder Thomas Stipsits nehmen Nebenrollen ein. Wenn letztgenannter mit Schauspieler und Busenfreund Manuel Rubey ein schwules Pärchen mimt, wird das mit einem Schmunzeln im Kinosaal bedacht - das passt wie die Faust aufs Auge.

    Dass gerade vorrangig im Theaterbereich tätige Schauspieler als Hauptcharaktere gecastet wurden erscheint passend zu dem naturalistischen Schauspiel, welches sich auf der Leinwand entfaltet. Lange Kameraeinstellungen, aber gerade auch das Zusammenspiel zwischen Turtur und Hochmair bringen uns eine Wahrhaftigkeit der Filmwirklichkeit nahe, die durch explizitere Sexszenen als im Mainstream-Kino üblich, vervollständigt wird. „Kater“ zeichnet sich durch unterschiedliche atmosphärische Dichten aus, welche durch zwei Schockmomente unterbrochen werden, die die Schlüsselszenen des Filmes sowie die Bruchstellen der Beziehung der beiden Protagonisten darstellen. Diese Schockmomente funktionieren gerade deshalb so gut, weil sie davor nicht unnötig aufgebauscht werden, was dazu führt, dass sie einen umso intensiver - da unvermittelt - treffen. Händl schafft es, einen deutlichen Gegensatz zwischen den anfänglichen, vor Leidenschaft glühenden Bildern und den späteren, die durch einen deutlich kühleren Zugang gekennzeichnet werden, herzustellen. Dieser Kontrast wird nicht nur durch die Narrative vermittelt, sondern auch durch die Inszenierung des Filmes, sei es durch die Kameraführung oder die musikalische Untermalung. So erleben wir die Wandlung eines sich liebenden Paares zu einem sich entfremdeten Paar und dessen versuchte Rekonstruktion hautnah mit. Und das ist etwas, was man sich von so manch anderen Filmemachern nur wünschen kann.
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    01.10.2018
    11:33 Uhr
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    Zu schön um wahr zu sein

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    Der schnurrende, verschmuste Kater Moses spielt die Hauptrolle im idyllischen Leben von Andreas und Stefan. Die viele Liebe und Zuneigung, die die beiden zu geben haben, bekommt auch er mit und genießt das schöne Leben in so fürsorglichen Händen. Man merkt, wie es dem Regisseur Spaß machte, Katzen, diese schönen und anmutigen Tiere abzubilden.

    Auch hier, wie in ebenfalls auf der Berlinale gelaufenen Film „Théo et Hugo dans le même bateau“, gibt es sehr sinnliche Momente voller Leidenschaft. Musik ist dabei allgemein ein wesentlicher Anreiz. Die Bewegungen sind kunstvoll choreographiert, tänzerisch sind sich die beiden nahe. Glücksgefühl springt über die Leinwand, als auf einer Autofahrt gemeinsam gesungen wird, voller Wertschätzung der Musik.

    Die beiden Männer arbeiten gemeinsam in einem Orchester und bewohnen ein schönes, altes Haus mit Garten und netten Nachbarn, und schmeißen Partys für ihre Freunde. Während einer kocht, gibt der andere Musikunterricht. Viel zu lange ist alles in Harmonie in der Beziehung der zwei Musiker. Der Filmemacher hat hier wohl den richtigen Moment verpasst, da die Aufmerksamkeit nachlässt, wenn zu lange nichts passiert. Das empfand ich als die größte Schwäche des Films. Doch je paradiesischer der Ausgangszustand, desto stärker ist aber auch der Verlust dessen, wenn auf einmal das Vertrauen gebrochen ist. Was passiert hat niemand erwartet und lässt sich rein gar nicht nachvollziehen, weder vom Zuschauer, noch von Stefan, der jetzt der Täter ist – vom Liebhaber zum Psychopath. Viel eher identifizieren wir uns jetzt mit Andreas, der ihm verschlossen den Rücken zukehrt. Es ist wirklich ein starker Unterschied nach der bedingungslosen Harmonie, die zerstört wird, so dass die Verbindung der beiden gekappt ist und Stefan mit seinen Versuchen einfach an eine Wand stößt. Es stellt sich als die schwierigste Aufgabe der Beziehung heraus, wieder annähernd eine Basis herzustellen, wie sie die Beziehung früher getragen hat. Dabei muss ich Lukas Turtur (als Stefan) dafür loben, wie er die machtlose Verzweiflung und Angst vor sich selbst spielt. Metaphorisch versucht er die Gnochis die überall im Raum verstreut sind, die zerbrochene Liebe wieder zu ordnen, aufzuräumen und wiederherzustellen. Ein Leckerbissen ist Manuel Rubey als der schüchterne, schwule Fagottspieler Vladimir. So kennt man ihn noch gar nicht!

    Eine langsam erzählte Gegenüberstellung von Vertrauen und Vertrauensverlust.
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    25.02.2016
    22:37 Uhr